Wahid und Fadhil flüchteten aus ihrer Heimat und kamen ohne jegliche Deutschkenntnisse nach Köln. Ihre Leistung beim Abi beeindruckt.
„Ihre Wege machen mich demütig“Zwei Geflüchtete machen Spitzen-Abi an Kölner Schule
In diesen Tagen bekommen die Kölner Abiturientinnen und Abiturienten ihre Zeugnisse. Ein großer Tag, auf den sie alle hingearbeitet haben. Dabei gibt es Kölner Schüler wie Wahid und Fadhil, die diesen Erfolg unter besonders schwierigen Bedingungen und quasi gegen alle Wahrscheinlichkeiten erkämpft haben. „Unser ganzes Kollegium ist tief beeindruckt von den beiden“, sagt Lehrerin Anne Laws, die sie in ihrer internationalen Klasse begleitet hat. Denn: Die beiden jungen Männer konnten noch vor einigen Jahren kein Wort Deutsch.
Der heute 22-jährige Wahid Mowasaghi kam 2018 als minderjähriger Geflüchteter ganz allein nach Deutschland. In einer abenteuerlichen Flucht hatte er sich über Land aus dem Iran bis nach Deutschland durchgeschlagen. Ohne jegliche Deutschkenntnisse. Seine Eltern sind beide tot. Heute sitzt er auf dem Schulhof des Berufskollegs Südstadt mit seinem Abiturzeugnis in der Tasche und erzählt in fehlerfreiem Deutsch, wie er das geschafft hat. Der junge Mann hat nämlich nicht nur sein Abitur gemacht: Er hat es mit Bravour geschafft: mit Note 1,9 und damit als einer der Besten seines Jahrgangs.
Schlimmer Schicksalsschlag für die Familie in Köln
Neben ihm sitzt Fadhil Kheder (22). Die beiden sind inzwischen Freunde. Auch Fadhil kam 2017 ohne Deutschkenntnisse mit seinen Eltern und Brüdern aus dem Irak, aus einer kleinen Stadt, in der Krieg herrschte. Drei Jahre verbrachte er in einem Flüchtlingslager in der Türkei, ohne überhaupt zur Schule gehen zu können. Als er mit 17 Jahren schließlich in Deutschland ankam, nahm ihn zunächst keine Schule auf, bis er 2018 am Berufskolleg Südstadt angenommen wurde.
Nach dem Hauptschulabschluss marschierte er zielstrebig auf das Abitur zu, ehe ein Schicksalsschlag plötzlich alles sinnlos erscheinen ließ: Seine Mutter erkrankte 2021 an Corona und starb daran, was ihn in tiefe Trauer stürzte. Er wollte die Schule verlassen, hatte Fehlzeiten. Aber seine Lehrerinnen und Lehrer fingen ihn auf, motivierten ihn, doch irgendwie weiterzumachen und zumindest das Fachabitur zu versuchen. Nun hat Fadhil tatsächlich sein Fachabitur in der Tasche. Note 1,3, und damit einer der Jahrgangsbesten beim Fachabitur.
„Ihre Wege machen mich demütig“, sagt Anne Laws voller Respekt. Für sie als Lehrerin sei es sehr erfüllend, in ihrer Klasse, in der zwölf Nationalitäten gemeinsam lernen, diese Fortschritte zu sehen. Mit viel Zuwendung, festen Ritualen und Humor hat sie ihre Schülerinnen und Schüler gestützt und begleitet. Um den eindrucksvollen Weg zu schaffen, half Wahid und Fadhil vor allem eines: der unbedingte Wille, hier in Deutschland auch innerlich anzukommen.
„Ich kam in eine Welt, die ich nicht kannte. Aber ich wollte mich hier integrieren. Unbedingt“, erzählt Wahid. Über Beobachten und Nachmachen habe er ganz viel gelernt. Nicht nur das Fahrradfahren. Außerdem habe er jeden Tag über ein Sprachlernprogramm neben der Schule ein bis zwei Stunden Deutsch gepaukt und immer Kontakt zu Muttersprachlern gesucht, um deutsch zu reden.
„Ich fühle mich hier zu Hause. Und ich bin dankbar, dass ich hier sein kann“, ergänzt Fadhil. In diesem Land, in dem man frei leben und sich äußern könne, in dem Krieg und Gewalt fern sind. Köln, das sagen sie ungefragt, sei ihre Heimat. „Die Herzlichkeit hier, die ist krass. Man ist so schnell im Gespräch“, so Wahid. Das habe er in Berlin oder Hannover so nie erlebt. Er wird nun nach dem Abi ein duales Studium der Wirtschaftsinformatik beginnen und hat schon einen Platz. Fadhil wird zunächst ein Betriebswirtschaftsstudium beginnen.
Traumziel ist, Polizist zu werden
Aber eigentlich hat er ein anderes Ziel: „Ich will unbedingt Polizist werden, weil ich einfach gerne helfen möchte.“ Um die Prüfung zu schaffen, wird er während seines Studiums weiter sein Deutsch verbessern. Auch neben der Schule engagieren sich die beiden. So haben Wahid und Fadhil sich in dem Bildungsprojekt „We can speak“ des Kölner Flüchtlingsrates ausbilden lassen.
Als Bildungsreferenten mit eigener Fluchterfahrung arbeiten sie mit jungen Menschen in Workshops in Schulen und Jugendzentren zu den Themen Menschenrechte, Klimamigration, Diskriminierung und Rassismus. So möchten sie dazu beitragen, dass durch die Begegnung mit Menschen mit eigener Fluchtbiografie Vorurteile abgebaut werden.