AboAbonnieren

Ehemaliger Firmensitz von TraditionsunternehmenDeswegen wohnt der Kölner Martin Bohn in einer Wohnung ohne rechte Winkel

Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann sitzt vor einer Kommode, daneben ist ein Bild mit einer Maus zu sehen.

Martin Bohn lebt mit seiner Frau am Filzengraben zwischen verkäuflichen Vintagemöbeln.

1992 zog die Firma Messing Müller nach Ehrenfeld. Der Enkel des Gründers lebt nun in der ehemaligen Werkskantine.

Martin Bohns Großvater Hugo Bohn war der Gründer des traditionsbehafteten Kölner Familienunternehmens Messing Müller. Der Enkel lebt jetzt, nachdem die Firma nach Ehrenfeld umgezogen war, in der ehemaligen Werkskantine.

Dort haben Martin Bohn und seine Ehefrau Renate Gießer-Bohn sich ihr Wohnhaus mit vielen Design- und Kunstobjekten hergerichtet. Großvater Hugo Bohn erfand das „Kölner Brett“, jene Blende, hinter der eine Gardine verschwinden kann. Mitten in der Innenstadt am Filzengraben ist es im Innenhof unglaublich ruhig. Der Blick fällt von der gut 80 Quadratmeter großen Terrasse auf den Glockenturm der Trinitatiskirche.

Gelbe Sonnenschirme stehen auf den Holzplanken einer großen rechteckigen Terrasse.

Die Terrasse im Hof ist einer der Lieblingsplätze der Bohns.

Ein alter Tisch wurde zum Hochbeet umfunktioniert. Inmitten des Blumenmeers steht ein von Moos überzogenes Sitzmöbel, das sich kaum von den Pflanzen unterscheidet. „Das ist so eine Geschichte, der Stuhl ist ein Entwurf von Willy Guhl“, sagt Bohn und seine Augen leuchten. Denn Design ist sein Thema.

Firma Messing Müller zog nach Köln-Ehrenfeld

Der Häuserkomplex ist in drei Bauabschnitten zwischen 1959 und 1970 entstanden, gebaut vom Großvater. 1970 übernahmen Martin und sein Bruder Johannes die Geschäftsführung. So richtig war das nicht der Plan von Martin Bohn, er war der Fotografie und der Kunst zugeneigt. „Aber ich musste mich damals entscheiden“. 1992 zog die Firma Messing Müller nach Ehrenfeld. Heute ist der Kernmieter in den ehemaligen Werkstätten, die einmal 60 Angestellte hatte, das Land Nordrhein-Westfalen mit der Kunsthochschule für Medien. Die Bohns zogen nach Umbau in die ehemalige Werkskantine und den Bürobereich ein.

Eine weiße Küchenfront und ist zu sehen.

Die Bulthaup-Küche entstand nach einem Entwurf des Designers Otl Aichinger.

Bohn gründete 2012 das Portal „Formformsuche“, um mit den vielen Designmöbeln im Internet zu handeln. Der Großkundenbereich der Firma, den er leitete, gehört heute einem belgischen Unternehmen. Das Wohnzimmer in der ehemaligen Werkskantine wurde im Zuge dieser „Lebenswende“ zur Galerie. Sie ist heute Ausstellungen diverser Künstler vorbehalten. Derzeit werden Texte von Karl Oskar Blase ausgestellt.

Ein großer Raum mit Aufstellwänden ist zu sehen.

In der ehemaligen Kantine von Messing Müller ist heute eine Galerie mit wechselnden Ausstellungen untergebracht. Hauptmieter heute ist das Land NRW mit der Kunsthochschule für Medien.

„Wir wohnen im Design“, sagt Bohn. Nahezu alles, was in der Wohnung steht, ist in seinem Onlineshop käuflich. Der Esstisch ist von Nikolaus Bienefeld, Thonet-Stühle stehen neben Möbeln von Piet Hein Eeck und Christoph Siebrasse. Das Saporiti Sofa wird selten genutzt. Neben den Vintage-Möbel spielt auch die Kunst eine große Rolle, von der viele Kunstwerke an den Wänden zeugen.

Blick in den Wohn- und Essbereich,

Der Esstisch ist von Niklaus Bienefeld, der Stuhl von der Firma Thonet, das Sofa von Saporiti.

In der Wohnung ist nichts im rechten Winkel, was am Zuschnitt des Grundstücks liegt. So musste auch über die Küche lange nachgedacht werden. Bohns Ehefrau wollte keine Hängeschränke. Mit einem Plan und einem Budget von 20.000 Mark ging sie damals zu Bulthaup. Das Ergebnis ist eine individuelle Küche nach Entwürfen von dem damaligen Bulthaup Designer Otl Aicher. Unter der Küche liegt die Durchfahrt und die Belüftung geht direkt in den Hof. „Die Studenten wissen immer was wir kochen“.

Eine Bücherwand mit Schränken darunter ist zu sehen.

Die Bücherwand mit den Containern von Richard Neutra stammt aus den 1960er Jahren. Sämtliche Möbelstücke in der Wohnung stehen über den Onlineshop zum Verkauf.

Ab und zu werden Möbel verkauft, dann ändert sich wieder etwas am Bestand. Auch das ist für Bohn eine interessante Geschichte, denn jeder Verkauf führt zu einer allgemeinen Veränderung im gesamten Wohnbereich. „Wir haben noch nie gesagt, vorher war es besser.“ Die Bücherwand mit Containern von Richard Neutra aus den 1960er Jahren im oberen Stockwerk, steht ebenfalls zum Verkauf, kostet 24.000 Euro. Wenn sich jemand für die Möbel auf seiner Homepage interessiert, dann öffnet Bohn schon mal die Wohnung. Natürlich gehört zum Regal eine Geschichte.

Bei Ebay ersteigert, hat Bohn erst im Nachhinein den Wert in einem Katalog des Auktionshauses Dorotheum entdeckt - dort wurde ein ähnliches Exemplar, taxiert auf 6000 Euro, letztendlich für 26.000 versteigert. Den Raum mit dem teuren Regal nutzen die Bohns als Lesezimmer. Von dort geht es in getrennte Schlafbereiche. Seine Frau arbeitet als Sprachlehrerin in einer Kita in Dellbrück und geht nächstes Jahr in Rente. Das Hobby wird gewerblich weiter getrieben. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir irgendwann dazu keine Lust mehr haben.“