Aus Besetzern werden MieterMit Hilfe der Stadt Köln ziehen 30 Obdachlose nach Deutz
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Köln-Südstadt – Es ist nicht das erste Mal, dass Andre Salentin umzieht. Aber dieser Umzug stellt ihn vor logistische Probleme besonderer Art. „Meine gesammelten Wertstoffe müssen diebstahlsicher untergebracht werden“, sagt er und verweist auf jede Menge Kupferrohre und einen knappen Kubikmeter ummantelte Kabel in seiner aktuellen Wohnung. Der Kölner Wohnungsamtsleiter Josef Ludwig steht inmitten der Wertstoffe, gibt sich kompromissbereit, aber auch ein Stück weit unnachgiebig. „In zwei Tagen müssen Sie das weggeschafft haben. Dann kommt der Abrissbagger.“
Salentin ist Vorsitzender des Vereins „Obdachlose mit Zukunft“ (OMZ). Er hat mit 30 anderen Menschen, die vorher auf der Straße lebten, im Frühjahr 2020 ein leer stehendes ehemaliges Bürogebäude auf dem Kölner Großmarktgelände besetzt.
In diesen Tagen ziehen die Leute an die Gummersbacher Straße in Deutz in eine Immobilie, die der GAG gehört. Die Stadtverwaltung hat das ziemlich heruntergewohnte Haus bewohnbarer gemacht.
Salentin hält den Umzug aus mehreren Gründen für eine schlechte Idee, obwohl dort seit einigen Tagen sein Bett steht. „Im dem Haus in Deutz gibt es Schimmel. Der wurde nur oberflächlich überpinselt. Außerdem ist das Haus für unser Projekt zu klein.“ Der OMZ-Vorsitzende vermisst in der neuen Bleibe einen Gemeinschaftsraum etwa für die regelmäßigen Sitzungen des Plenums aller Hausbewohner. Und vor allem Räumlichkeiten, um handwerklich zu arbeiten.
Südstadtpfarrer Hans Mörtter ist Stellvertreter von Salentin im OMZ-Vorstand. Er verweist auf den politischen Auftrag, den die Verwaltung vom Stadtrat bekommen habe: „Zum einen sollten die Wohnungslosen menschenwürdig untergebracht werden.“ Das ist in Deutz zumindest im Winter der Fall. Aber das Projekt will selbstverwaltet Wohnen und Arbeiten verbinden. Arbeiten ist in dem Haus in Deutz nicht möglich. „Wir brauchen dringend eine Werkhalle. Aber immerhin haben alle Wohnungen in Deutz eine Heizung.“ Das war auf dem Großmarkt nicht der Fall. Einige Bewohner nutzten ihre Herde als Heizkörper. Dann flogen regelmäßig die Sicherungen raus.
Sorgen über die Zukunft in Köln-Deutz
Salentin kritisiert, dass das Haus in Deutz in zwei Jahren abgerissen werden soll. „Das ist nur ein Provisorium.“ Und dann? „Wir werden auftragsgemäß nach einer Folgelösung suchen“, erklärt Wohnungsamtsleiter Ludwig, verweist aber auch auf den sehr angespannten Kölner Immobilienmarkt.
Pfarrer Mörtter lobt zwar die „gute Zusammenarbeit“ mit der städtischen Verwaltung, fürchtet aber, dass nach der Lösung mit dem Haus in Deutz „alle die Beine hochlegen und die Suche nach einer passenden Immobilie in den nächsten zwei Jahren nicht sehr intensiv betrieben wird“. Mörtter kritisiert darüber hinaus, dass den Wohnungslosen in Deutz das Hausrecht verwehrt bleibe. „Die Botschaft ist klar: Städtische Gebäude dürfen auf keinen Fall besetzt werden.“
Mit dieser Botschaft im Gepäck hatte man kurz nach der Besetzung eine Hundertschaft der Polizei in Richtung Großmarkt geschickt, um das besetzte Haus zu räumen. Deren Einsatz hatte man jedoch gestoppt, weil man heftige Auseinandersetzungen mit Bewohnern und Unterstützern befürchtete. Danach hatte die Politik die Verwaltung angewiesen, nach Alternativen zu suchen.
Die Zusammenarbeit mit Stadt Köln
Salentin hat positive Resonanz aus anderen Städten wie Berlin und Hannover erfahren. „Die fragen mich: Was ist denn bei Euch in Köln los? Das ist ja verrückt, dass die Stadt Euch hilft.“ Mörtter ergänzt: „In einem solchen Projekt machen die Wohnungslosen etwas selbstständig und werden nicht wie bisher nur verwaltet.“
Und es gibt noch einen anderen Aspekt. „Dadurch, dass wir in der Öffentlichkeit stark wahrgenommen wurden, sind auch Vermieter auf uns aufmerksam geworden. Uns wurden zehn Wohnungen angeboten, die wir in Zusammenarbeit mit der Stadt mieten könnten. Aber nur ein Pärchen hat diese Chance genutzt. Alle anderen wollen im Projekt bleiben und nehmen deshalb auch Deutz in Kauf“, erzählt Salentin.
Was die Zukunft der OMZ angeht, denkt der Vorsitzende in großen Dimensionen: „Sowas wie den Kaufhof an der Schildergasse könnte ich mir gut vorstellen.“ Dringlicher sind im Moment allerdings ein paar Quadratmeter für Kupfer und Kabel.