Als einziger Floristmeister in Köln kümmert Bernd Steiner sich um den Blumenschmuck im Dom. Und das nicht nur zur Osterzeit.
Wie arbeitet ein Sakralflorist?So schmückt Bernd Steiner den Kölner Dom mit Blumen
Es gibt nur wenige Fahrzeuge, die ungestraft auf dem schmalen Stück zwischen Nordseite des Domes und Gleis eins des Hauptbahnhofs stehen dürfen. Bernd Steiner tut dies seit 15 Jahren. Heute ist die halbe Ladefläche seines kleinen Lieferwagens voll mit Buchsbaum, weiter hinten im Fahrzeug leuchten prächtige Rosenknospen. Steiner legt sich die biegsamen grünen Zweige über die Schulter, greift sich noch einen Eimer mit roten Edelnelken, schiebt das eiserne Tor vor sich auf und betritt die Domsakristei, wo ihn Küsterin und Küster wie einen Bekannten begrüßen.
Auf dem imposanten hölzernen Tisch in der Mitte des Raumes liegen zwei große Kreuze. Steiner schiebt das vordere, ein uraltes, barock wirkendes Silberstück in einen für ihn passenden Winkel und beginnt, es mit Buchsbaumzweigen zu schmücken. 13 Bischöfe schauen ihm mit teils strengen Gesichtern bei der Arbeit zu. Steiner schaut hoch zu den Wandporträts und sagt lächelnd: „Das hier machen zu dürfen ist etwas ganz Besonderes!“
In der Nacht zum Ostersamstag wird umdekoriert
Man spürt, dass der Dom für den Floristmeister nicht irgendein Arbeitsplatz ist. Besonders faszinierend: „Jedes Mal, wenn ich reinkomme, gibt es was, was ich zum ersten Mal sehe.“ Trotz des trüben Wetters leuchten in den beiden Fenstern die Abbildungen von Johannes, dem Evangelisten und dem Heiligen Dominikus. Darunter, auf rund zwölf Metern Länge, befinden sich die Kelchschränke aller Dompriester, „die Arbeitsspinde“, wie Steiner scherzhaft anmerkt.
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Inzwischen hat er damit begonnen, Drähte in die Nelkenblüten einzuführen und diese an den Buchszweigen zu befestigen. Es ist die vergleichsweise sparsame Palmsonntag-Dekoration. In der Nacht zum Ostersamstag wird Steiner gemeinsam mit zwei weiteren Floristmeistern aus seinem Geschäft den Altarraum der Kölner Kathedrale weitaus prächtiger ausgestalten. „Tausende von Stielen“ würde es sein. Dann werde die rote Blütenfarbe abgelöst durch ein Meer von Callas, französischen Tulpen und Anthurien - ausschließlich in den Farben weiß und gelb.
Es gibt einen Unterschied zwischen schmücken und dekorieren
In der Ferne erklingen Orgelklänge. Steiner lächelt wieder. „Ich muss aufpassen, dass ich das Kreuz nicht beschädige“, sagt er beim Befestigen eines neuen Drahtes. Am Ende greift der Floristmeister die Stange des Kreuzes wie ein Pizzabäcker seine lange Schaufel und stellt das schwere Silberteil vertikal vor sich hin, um seine Arbeit zu begutachten. Ursprünglich sei es sein großer Wunsch gewesen, für ein Königshaus zu arbeiten, erzählt er, was in Deutschland ja leider flachfalle. „Aber stattdessen habe ich nun die Ehre, das Haus der Drei Könige zu schmücken!“
Das Wort „schmücken“, ist dem 53-Jährigen wichtig – in Abgrenzung zu „dekorieren“, was er eben gerade nicht tut. Anders, als etwa bei einer Festtafel anlässlich einer Hochzeit, wo die Blumen ein echter Hingucker sein dürfen, „unterstützt der Blumenschmuck in der Kirche die Liturgie und nimmt deren Farben auf“. Er nennt das Pfingstfest als Beispiel, bei dem er in Anlehnung an die Feuerzungen kräftige Rot- oder Orange-Töne verwenden könne. Steiner liebt die Sakral-Floristik, zu der er nicht ganz zufällig gekommen ist.
Schon früh eine religiöse Karriere erwogen
Tatsächlich hätte man ihn heute anstatt im Pulli auch in der Kutte eines Benediktinermönchs antreffen können; denn auch diese „Laufbahn“ stand in früheren Jahren zur Debatte. Aufgewachsen in einem kleinen, „total katholischen Dorf im Siegerland“, sei er erst Messdiener gewesen, und dann habe er als etwa Zwölfjähriger angefangen, den Blumenschmuck – etwa bei der Firmung – zu arrangieren. Später habe er tatsächlich „eine religiöse Karriere“ erwogen und über die Herstellung von Kirchenfenstern oder Messgewändern nachgedacht, bis ihn eines Tages jemand fragte: „Weshalb machst du nicht das, was du super kannst – Blumenschmuck?“ Ihm sei sofort klar gewesen: „Das isses!“
Dank seiner früheren Kölner Chefin, der inzwischen verstorbenen Renate Elisabeth Schnieders, über die Steiner mit großer Wertschätzung spricht, wurde ihm gewissermaßen die Tür zum Dom geöffnet. „Wenn man da zufrieden mit dir ist, hast du mit dem Dom einen ganz, ganz treuen Kunden.“ Und nicht nur das: „Ich freue mich so sehr darüber, dass ich dazu beitragen kann, dass etwas Positives über die Kirche gesagt wird“, unterstreicht der Floristmeister, der mit anderen sogar ein Büchlein zur Blumengestaltung in Sakralräumen verfasst hat: „Das Auge betet mit“.
Seitdem gibt er auch Kurse und Workshops zu diesem Thema und reist ab und zu mit seiner aus 30.000 kleinen Pflanzenblättchen bestehenden Installation durchs Land, die – wenn es nach ihm ginge – irgendwann auch in Köln zu sehen sein soll. Aber erst einmal Ostern vor der Tür.
Wenn im hohen Dom zu Köln in der Nacht zum Karsamstag der Altarraum neu gestaltet ist, ist Steiners Tagwerk allerdings noch nicht vorbei. Schließlich ist da noch das Geschäft in der Limburger Straße. Es ist eines der wenigen Ladenlokale im Belgischen Viertel, in denen es noch Überbleibsel – in diesem Fall das Rollgitter – aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg existieren. Na ja, und dann gibt es noch die Pflegekinder und „die abgebrochenen Schätzchen“, wie er sie nennt, bei ihm zu Hause, die genauso viel Hingabe erfordern wie die blutroten Nelken am silbernen Kreuz.