Für ihre Rubrik „Zwei Kaffee, bitte!“ spricht Susanne Hengesbach fremde Menschen auf der Straße an und lädt sie zum Kaffee ein.
Ukrainerin gründete Start-UpWieso das Fermentieren zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist
Jetzt, wo viele Menschen damit beschäftigt sind, ihre Karnevalssünden zu tilgen und dem Körper mehr Gutes zu tun, kommt mir diese Gesprächspartnerin gerade recht. Lyudmyla Kovalenko stammt gebürtig aus der Ukraine, lebt in München und hat, wie sie mir im kleinen Café Bambule erzählt, 2022 ein Start-up gegründet. In ihrem Unternehmen geht es um etwas, was ihr als gebürtiger Ukrainerin vertrauter sein dürfte, als den meisten Menschen hierzulande: Ums Fermentieren. Mit Erfindung des Kühlschranks sei diese Form der Lebensmittel-Haltbarmachung fast in Vergessenheit geraten und so auch der gesundheitsfördernde Aspekt.
Kovalenko hat sich als Neurowissenschaftlerin auf ein Gebiet konzentriert, über das nach wie vor ungern gesprochen wird: auf den Darm. Die 35-Jährige bedauert, dass diesem wichtigen Teil unseres Verdauungsapparats so wenig Beachtung geschenkt wird, obwohl man längst weiß, wie sehr das als „unser zweites Gehirn“ bezeichnete Organ „unser Verhalten steuert“.
Müde durch zu viel Fett und Zucker
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Darm habe auch mit ihrem eigenen Befinden zu tun gehabt. „Inwiefern?“, frage ich. Wie viele Menschen, die häufig unterwegs sind, habe sie sich früher nicht gut ernährt. „Zu viel Fett, zu viel Zucker!“ Die Folge: häufige Müdigkeit und schlechte Laune.
Bei ihrem Mann sei es ähnlich gewesen, erzählt sie. Aus diesem Grund habe sie vor vier Jahren angefangen, daheim Kimchi herzustellen. Kimchi – das Wort komme aus dem Koreanischen und bedeute so viel wie intensiver Geschmack – sei eine Form der Gemüsezubereitung durch Milchsäuregärung, also nichts anderes als Fermentation.
Fermentiertes Gemüse für die Darmflora
In der ukrainischen Küche gehöre das zur Kultur, betont Kovalenko, die viel über das Thema Bakterien weiß und eben auch, welch positive Auswirkung fermentiertes Gemüse auf unsere Darmflora haben kann. Und nicht nur das: Untersuchungen mit fettleibigen Mäusen hätten gezeigt, dass entsprechend gefütterte Tiere „abnahmen und geselliger wurden“.
Ersteres könne sie selber bestätigen. Bei ihrem Mann habe die Ernährungsumstellung sogar dazu geführt, dass Beschwerden, die mit einer Autoimmun-Erkrankung zusammenhingen, plötzlich verschwanden. Das habe sie ermutigt, von der Forschung in die Praxis zu gehen und unternehmerisch mit der Herstellung von Kimchi & Co. zu beginnen.
Kimchi mit drei Millionen Laktobazillen
„Was genau stellen Sie da her?“, frage ich. Kovalenko nennt unter anderem einen Kimchi-Shot, was nichts anderes als Fläschchen mit kaum drei Schluck Flüssigkeit sei, das drei Millionen Laktobazillen enthalte. „Und wie schmeckt es?“ – „Aufgrund des Chili-Zusatzes leicht scharf. Aber wir arbeiten an weiteren Geschmacksvariationen.“ Zurzeit sei sie in Köln – und nicht nur hier – unterwegs und erkunde Absatzmärkte. Der Abstecher nach Kalk, wo wir uns begegnen, habe auch damit zu tun.
„Wir wollen aber nicht einfach nur ein Produkt verkaufen. Wir wollen Lösungen anbieten!“ Dazu gehöre Aufklärung. „Fett und vor allem Zucker schädigen die Darmflora nachweisbar“, betont Kovalenko, die an der Berliner Charité promoviert hat. Das Positive bei regelrechter Zuckersucht sei, „man kann sie relativ schnell wieder loswerden“. Die 35-Jährige möchte mit ihrem Start-up dazu beitragen, dass sich jeder selber seine Gesundheit erarbeitetet anstatt zu erwarten, „dass uns andere reparieren“. Und natürlich könne auch jeder mit wenig Aufwand sein eigenes Kimchi herstellen.