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Feiern im VeedelDas Fest in der Kölner Südstadt im Überblick

Lesezeit 4 Minuten
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Ela Querfeld

Innenstadt – Wenn Kultur und Kölsch aufeinanderprallen, erwacht der Kölner Süden zum Leben. Von der Bühne an der Alteburger Straße klingt Deutschrock hinunter, Kinder springen in Regenpfützen, in der Wohnung um die Ecke bestaunt ein junges Paar Fotografien und Skulpturen.

Die Südstadt feierte am Samstag gleich zwei Veranstaltungen: Das alljährliche Veedelsfest und die Kunstaktion „Köln Süd offen!“. Während das Veedelsfest die Gegend nahe des Chlodwigplatzes in eine Fress- und Shoppingmeile verwandelt, öffnen rund 80 ansässige Künstler Ateliers und Ausstellungsräume, um ihre Werke zu präsentieren. Wer da durcheinanderkommt, darf sich an dieser Stelle einen Überblick verschaffen:

Das Wetter

Sturzregen und Sonne wechseln sich ab. Eine Italienflagge tropft traurig einen kleinen See auf den Asphalt. Von den Plastikplanen der Streetfoodstände klatschen Wasserschwälle hinunter. Statt zu verkaufen, müssen die Verkäufer immer wieder Wasser kehren. Die Sommerhüte, die bei „Kopfstand“ verkauft werden, wirken da wie Hohn.

Die Gäste

Die ersten, die sich nach dem Sturzregen auf die Straße trauen, sind die Nachbarn. Viele Besucher wohnen in den umliegenden Straßen, passen geschickt die Regenpausen ab. Sie sind leicht zu erkennen, laufen sie doch im T-Shirt herum, während der Rest sich in Regenmäntel und Gummistiefel hüllt. In diesen Regenmänteln steckt dann die ganze Kölner Vielfalt: Yacine, die in der Stadt ihre Schwester besucht, das Ehepaar Gorny samt kleinem Sohn, die Kolumbianerin Laura Zambrano.

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Die kulinarische Versorgung

Die Auswahl reicht von den obligatorischen Pommes über veganen Döner, Trockenfrüchte und Spargel bis hin zu „Trudelnik“ – einem traditionellen slowakischen Gebäck. Noch exotischer wird es an einem Stand, der passenderweise mit dem Slogan „Don’t Cry – Eat it“ wirbt. Bei „Insektenlutscher“ werden, nun ja, Lutscher mit Insekten angeboten. Außerdem sehr beliebt: Maden auf Banane und frittierte Heuschrecke. Ein bisschen erinnert das ans Dschungelcamp – mit zwei wichtigen Unterschieden: „Wir haben hier keine Känguruhoden“, hält Sandra Heide, die Frau am Heuschrecken-Wok, fest. Außerdem schmecken die Snacks. Das kann ja auch nicht schaden.

Die Kunst

Die Kunst versteckt sich heute in unscheinbaren Hauseingängen. Um zur Künstler-Community „Grevy“ zu gelangen, müssen die Besucher einen langen schmalen Flur durchqueren. Andere Künstler öffnen ihre privaten Wohnungen. Wird man fündig, gibt es jedoch immer viel zu entdecken.

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Die Wachs-Frau

Was bei Madame Tussauds möglichst akkurat und originalgetreu aussehen soll, erweist sich hier als vielschichtige Angelegenheit – im doppelten Sinne: Bettina Ballendat stapelt nicht nur Materialien, sie widmet sich in der Kunst auch vor allem politischen Themen, denen mit Tiefgang eben.

Bilder vom Walde

Michaele Helker malt Bilder vom Walde. In jedes ihrer Werke ist ein Oberbegriff eingearbeitet; Worte, die sich im Gehirn festsetzen, ja, Unworte, beinahe: „Aufenthaltsstatus“ oder „Innovationskraft“ zum Beispiel. Die Idee zu den Bildern kam ihr im ICE. Und seit Joanne Rowling im Zug Harry Potter erfand, weiß schließlich jeder, dass solche Ideen unbedingt weiterverfolgt werden sollten.

Kunst mit Kieselsteinen

Bei Ulla Philipp beginnt alles damit, dass sie beim Spaziergang am Rhein einen lustig geformten Kieselstein entdeckt. Die Künstlerin klebt ihn auf Papier, zeichnet einige Striche – fertig ist der dicke Mann, der einem Jungen den Kopf streichelt. Mittlerweile ist die Liste der Flusskieselbilder lang – und wirklich überzeugend.

Die schrägen Vögel des Fests

Bei Doktor Seltsam finden nur die Medizin, die Alkohol für eine Therapie halten. Er verkauft Absinth - kleine Flaschen, große Flaschen, rot, blau, klar. Die meisten wollen allerdings nur gucken: „Du machst eine Aufklärungskampagne, du verkaufst nicht“, zitiert Dr. Seltsam – der, psst, eigentlich Daniel Werle heißt – seine Frau.

„O’Donnell Moonshine“ probiert es ebenfalls mit Alkohol –und zwar in Einmachgläsern. Ein freundliches Schild mit der Aufschrift „Schnaps, kein Honig“ bewahrt vor Missverständnissen. Den Honig gibt es dafür beim „Bundesamt für magische Wesen“, also zugegeben an einem Ort, an dem man ihn nicht vermutet. Der Initiator der Fantasy-Plattform, Hagen Ulrich, ist nämlich nicht nur Autor, sondern auch Imker. Verwirrend.

Die Stimmung

Gesichter wie sieben Tage Regenwetter? Gibt es in der Südstadt nicht. Die Kölner nehmen das Regenchaos ausgesprochen gelassen. Zum Glück – Besucher wie Lisa Niklas und ihre Familie warten schon seit Monaten sehnsüchtig aufs Veedelsfest: „Wir finden das furchtbar schade für die Aussteller“, sagt sie. „Aber unseren Spaß mindert das Wetter nicht.“

Gegen Abend, als die Sonne herauskommt, füllen sich die Straßen deutlich. Bei Ulla Philipps Kieselkunst geben sich die Leute die Klinke in die Hand. Auf der Veedelsbühne rappt ein junger Mann auf Persisch. Das Kölsch fließt, die Füße trocknen – Et hätt noch emmer jot jejange.