Mehr als 50 Besucher nahmen am Themenabend „Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen“ des Netzwerks „Überlebenswert“ teil.
Suizid bei Kindern und Jugendlichen<br>Kölner Netzwerk lädt zur Diskussion über Ursachen und Prävention
Wenn Kinder oder Teenager sterben wollen, fehlen Erwachsenen oftmals die Worte. Entsetzt, aber zumeist sprachlos reagiert die Gesellschaft auf den Freitod junger Menschen, die mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung der Älteren benötigen – so ein Fazit des Themenabends „Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen“ in der Fritz-Thyssen-Stiftung am Apostelnkloster. Nach einem Vortrag des Kinder- und Jugendpsychiaters Wilhelm Rotthaus fand sich mit Abiturientin Safiya Larhtami, dem Schulleiter der Katharina-Henoth-Gesamtschule in Kalk, Martin Süsterhenn, und dem leitenden Arzt der Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Pionierstraße, Axel Meinhardt, eine Gesprächsrunde zusammen, die dem Sujet eine zweistündige Diskussion widmete.
Suizid ist die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen
Bei der Selbsttötung im Jugendalter handelt es sich nach einem Unicef-Bericht aus dem Jahr 2021 um die zweithäufigste Todesursache bei Jugendliche im Alter zwischen 15 bis 20 Jahren in Europa nach Verkehrsunfällen. Während bei Mädchen die Anzahl der Versuche rund zehnmal höher sei, sterben laut Psychiater Wilhelm Rotthaus aber mehr junge Männer, da sie entschiedener vorgehen. „Jeder vierte bis fünfte Jugendliche, der einen Suizidversuch begeht, wiederholt dies in den nächsten zwei Jahren“, verwies Rotthaus auf Erfahrungswerte. Selbsttötungen bei unter Zehnjährigen sind vor allem aus den USA bekannt. Ursachen seien häufig Beziehungskrisen, Verluste im persönlichen Umfeld, fehlende emotionale Unterstützung, Überforderung in Schule oder Familie und Misshandlungen. Dabei seien Eltern nicht unbedingt die Problem-Ursache, jedoch, neben der Therapie, unverzichtbar bei der Lösung.
Über den Alltag von Teenagern in Zeiten von Krieg, Pandemie, Klimawandel und Leistungsdruck berichtete Safiya Larhtami, ehemalige Schülerin des Montessori-Gymnasiums in Bickendorf: „An unserer Nachbarschule gab es in der Corona-Zeit in kurzer Abfolge zwei Suizide. Man denkt immer, den Leuten geht es einigermaßen gut, aber dann kommt heraus, dass es ihnen schrecklich geht.“ Die Phase des Lockdowns und der Schließungen erlebte sie als Tiefpunkt: „Homeschooling war eine einsame und frustrierende Zeit. Wir gehen zur Schule, um uns mit anderen auszutauschen und fürs Leben zu lernen. Ein Fach wie Seelische Gesundheit fände ich daher wichtig.“
Seelische Gesundheit an der Schule
Zustimmung erhielt die 18-Jährige von Martin Süsterhenn. Der Leiter der Katharina-Henoth-Gesamtschule in Höhenberg zeigte sich über die Verlorenheit vieler junger Menschen bestürzt: „Das System Schule lässt uns für Bindungen und Nähe zu den Schülern keine Zeit. Für 1.350 Personen haben wir drei Sozialarbeiter“, verwies der Pädagoge auf Defizite. An seiner Schule hat es schon Workshops zur Ausbildung von Tutoren in punkto Seelische Gesunheit gegeben.
Das Kölner Netzwerk für Suizidprävention wurde 2019 gegründet. Die Initiative stellt einen Zusammenschluss mehrerer Kölner Organisationen und Experten aus den Bereichen Seelische Gesundheit, Psychiatrie, Krisenhilfe sowie Psychologische und psychiatrische Versorgung dar. Das Netzwerk bietet Hilfe für Betroffene und Angehörige, die mit Suizid konfrontiert werden. Information/Kontakt: Lindenallee 24, 50968 Köln, Tel. 0221/50608758, www.ueberlebenswert.de
Die Mitarbeiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Köln sind bei Problemen unter den Nummern des Sorgentelefons 0221 478533 (montags bis freitags 8 bis 17 Uhr) und 0221/47889450 (samstags, sonntags, feiertags) erreichbar. Anonyme Beratungen sind unter der Rufnummer 116111 des Vereins „Nummer gegen Kummer“ möglich. Professionelle Beratungen für Personen unter 25 Jahren bietet die Website: www.krisenchat.de