Trauma einer GemeindeWie die Kölner Kirche St. Gereon ihr Kreuz wiederbekam
Köln – Es war das Trauma einer ganzen Kirchengemeinde, sagt Kunsthistoriker Gottfried Stracke. Ein Luftangriff hatte während des Zweiten Weltkriegs das große Hängekreuz in St. Gereon zerstört, doch ersetzt wurde es zum Leidwesen der Kirchenbesucher nie – bis heute: 600 Menschen hatten zuletzt eine Petition für die Bereitstellung eines Ersatzes unterzeichnet. Unter großen Bemühungen kehrt nun schließlich ein ganz besonderes Kreuz zurück in die romanische Basilika.
Die Anspannung im Altarraum ist schier zu greifen, als das Rasseln des Seilzuges durch die Kirche hallt. „Ein bisschen weiter nach links“, ruft einer der Handwerker auf dem riesigen Baugerüst im Altarraum zu seinen Kollegen herunter. Langsam hieven sie das 300-Kilogramm-Kreuz mit einem Kran in die eigens von Schmiedemeister Christoph Münks angefertigte Stahlhalterung. Dass das Kreuz nicht etwa in der Kirche hängt, sondern frei steht, ist ganz besonders, wahrscheinlich sogar einzigartig im Rheinland, sagt Gottfried Stracke.
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Der Kunsthistoriker hatte als Kirchenvorstand die Idee angestoßen, das Kreuz quasi wiederentdeckt, das jahrzehntelang in der angrenzenden Sakristei an der Wand gehangen hatte. „Da war es vollkommen am falschen Platz, ist gänzlich untergegangen“, berichtet er. Denn eigentlich sei der Wert des Standkreuzes, das von dem Kölner Bildhauer Jeremias Geisselbrunn ungefähr 1650 geschaffen wurde und Jesus mit geöffneten Augen und gen Himmel blickend noch lebend zeigt, unbezifferbar. Das Kreuz ist aus gipsartigem Alabaster gearbeitet – die Aderung des Steins lässt auch den Jesuskorpus lebendig wirken und sei auch deshalb „kunsthistorisch top“, sagt Stracke.
Schon einmal habe das barocke Standkreuz an genau derselben Stelle der Kirche gestanden, wo es nun wieder aufgestellt wird – doch laut Stracke ist das hölzerne Kreuz seinerzeit einer Entbarockisierung der Kirche zum Opfer gefallen und durch das Hängekreuz ersetzt worden, das später im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Seitdem wurde nie für Ersatz gesorgt, „weil dafür einfach die Energie gefehlt“ hatte, sagt Stracke. „Dabei ging der Verlust so weit, dass Menschen aus aller Welt Sankt Gereon betraten und fragten, ob das hier überhaupt eine Kirche sei, weil sie kein Kreuz finden konnten.“
Kosten von 30.000 Euro
Nun, pünktlich zum 950-jährigen Weihjubiläum St. Gereons, hätten Kirchenmitglieder mehrere Tausend Euro Spenden für den Vorstoß gesammelt, am Ende wird das Projekt wohl rund 30.000 Euro kosten. „Das wäre schon absurd, wenn jetzt noch etwas schiefgehen würde“, murmelt Stracke, als die Handwerker schließlich die Gurte vom Korpus abnehmen. Merklich erleichtert wirken die Männer, als einen Moment später klar ist: Das Kreuz steht stabil, alles hat funktioniert – nun bestrahlt das Sonnenlicht den Jesuskörper durch die Scheiben.
Ein magischer Moment, sagt Stracke und nickt gewinnend. „Wir haben etwas neu und zurück gewonnen.“ Das Kreuz soll im Zuge der Karwoche feierlich eingeweiht werden, das Baugerüst wird schon in den kommenden Tagen verschwunden sein.