Während das Handwerk um sie herum langsam ausstirbt, haben die Poppes Strategien gefunden, um bestehen zu können.
Schuhmacher-HandwerkWie der Kölner Familienbetrieb Poppe der Sneaker-Konkurrenz trotzt
Während Vater Ralf Poppe einen Schuh an der Poliermaschine bearbeitet, hämmert Sohn Daniel Poppe Nägel in ein handgemachtes Modell. Mutter Gabriele ist währenddessen im Verkaufsraum und macht die Buchhaltung. Dabei läuft laute Techno-Musik. So ist es sechs Tage die Woche in der Werkstatt der Familie Poppe auf der Albertusstraße in der Kölner Innenstadt.
Seit 32 Jahren gibt es den Schuhmacherbetrieb der Poppes. Dem Geschäft geht es sehr gut. Und das in einer Zeit, in der das Handwerk des Schuhmachers in Gefahr ist. In Köln mussten bereits sechs Fachgeschäfte für hochwertige Schuhe schließen. Die Reparatur von Absätzen reiche schon lange nicht mehr aus, um sich über Wasser zu halten. Doch während andere aufgeben müssen, hat Familie Poppe eine Strategie gefunden, wie sie bestehen kann. Sie haben sich gleich in vier Bereichen spezialisiert: auf die Anfertigung von Maßschuhen, Sneaker-Reinigung, Reparatur und orthopädische Schuhmacherei.
Warum Schuhmacher schließen müssen
So arbeiten sie vor allem gegen die mächtige Konkurrenz der Sneaker an. Laut der Statistik-Plattform Statista wird in Deutschland 2024 ein Jahresumsatz bei Sneakern von 10,02 Milliarden Euro erwartet. Der Profit entgehe vielen Einzelhändler, so der Bundesverband des Deutschen Textil-, Schuh und Lederwareneinzelhandels (BTE). Daher mussten viele von ihnen in den letzten Jahren schließen. Gab es 2013 noch 4640 Schuheinzelhändler, waren es 2021 nur noch 2946. „Wir schätzen, dass noch mehr Einzelhändler aufgeben müssen. Grund dafür ist eine insgesamt schlechte wirtschaftliche Lage und eine Geschmacksveränderung der Kunden hin zu Sneakern, die sie nur selten beim Einzelhändler kaufen“, sagt Eva Maria Schaffner vom BTE.
Maßschuhe – ein Luxus, der seinen Preis hat
Daniel Poppe schustert Maßschuhe. Ein Paar kostet zwischen 2000 bis 3000 Euro, die Anfertigung dauert bis zu einem halben Jahr. Der Kundenstamm ist bisher gut verdienend und älter, aber die Poppes wollen auch ein jüngeres Publikum ansprechen. Ein Freund der Familie, der selbst 45 Paar Schuhe besitzt, verrät: „Der Preis schockt natürlich viele Leute, aber diese Schuhe kann man die nächsten 20 Jahre tragen.“
Am häufigsten verkaufen die Poppes die handgemachten „Budapester“ in braun – ein Herrenschuh, der sich durch ein geschwungenes Lochmuster auszeichnet. Das Leder für alle Maßschuhe stammt von der August Renz KG, einer der wenigen Lederfabriken, die es noch in Deutschland gibt. Das Leder aus Deutschland zu beziehen, sei eine Frage der Qualität und Nachhaltigkeit. In 30 Arbeitsstunden, 300 Arbeitsschritten und unter der Verwendung von zehn verschiedenen Materialien wird so ein einziges Paar Schuhe hergestellt.
Während billige Sneaker-Produktionen den Markt dominieren, würden gleichzeitig auch Luxusprodukte am Markt zunehmen, so der BTE. „Wir beobachten, dass das Mittelfeld seltener gekauft wird. Entweder die Menschen müssen Geld sparen oder sie gönnen sich etwas Großes, aber wenig dazwischen.“
Sneaker – der Feind eines jeden Schuhmachers?
Daniel Poppe und sein Vater tragen beim Gespräch mit dieser Zeitung beide Sneaker, Sneaker scheinen also nicht der Feind eines jeden Schuhmachers zu sein. Die Poppes haben sich vor eineinhalb Jahren eine Sneaker-Reinigungsmaschine für knapp 4000 Euro gekauft. Doch die 50 Paare, die hier im Monat sauber gemacht werden, sind eher als eine Investition in die Zukunft gedacht. „Wenn junge Kunden in unser Geschäft kommen, um ihre Sneaker reinigen zu lassen, dann sehen sie auch unsere handgemachten Schuhe. Irgendwann lassen sie sich vielleicht auch Maßschuhe anfertigen“, hofft Daniel Poppe.
Bei Kunde Paul Hubmann könnte diese Strategie bald aufgehen. Er zog 2020 nach Köln und entdeckte den Familienbetrieb in seinem Veedel. „Ich finde die Reinigungsmaschine klasse und überlege mir, eines Tages auch mal Maßschuhe von den Poppes machen zu lassen.“
Schuhreparaturen machen die Poppes ebenfalls, obwohl große Ketten dies billiger anbieten. Eine Absatzreparatur gibt es in Sofort-Werkstätten ab 15 Euro. Bei Familie Poppe kostet sie ab 20 Euro. Ralf Poppe kann etwa 100 bis 150 Schuhpaare im Monat reparieren, mehr schafft er nicht. „Heutzutage kann man nicht mehr nur mit Schuhreparaturen überleben“, sagt die Familie. Aber es sei eine wichtige Dienstleistung, um Kunden zu binden.
Orthopädische Schuhmacherei ist selten geworden
Wirklich Geld bringen neben den Maßschuhen die orthopädischen Spezialanfertigungen. Ralf Poppe hat seine orthopädische Schuhmacherlehre 1979 gemacht. „Mithilfe von Einlagen kann man den Menschen wieder ein angenehmes Laufen ermöglichen und ihnen den Schmerz nehmen“, sagt er. Die meisten Schuhmacherbetriebe können diesen Spezialservice nicht anbieten.
Und es gibt noch eine ganz spezielle kölsche Kundengruppe: Gardetänzer, die den Poppes ihre hochwertigen Tanzschuhe anvertrauen. „Ein junger Gardetänzer, dessen Stiefel wir repariert haben, hat uns weiterempfohlen. Mittlerweile sind wir in Köln bekannt dafür“, berichtet Daniel Poppe. Und Maßschuhe hat sich der Gardetänzer dann auch noch anfertigen lassen.
Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen die Poppes in ihrer Werkstatt. Sohn Daniel Poppe will das Geschäft übernehmen und so auch noch in 50 Jahren Handgefertigtes anbieten. So scheint es doch noch Hoffnung für dieses aussterbende Handwerk zu geben.