AboAbonnieren

Kölner InstitutionKunsthandlung Goyert schließt nach 103 Jahren

Lesezeit 4 Minuten
Goyertheader

Die Kunsthandlung Goyert an der Hahnenstraße

Köln – Der Schriftzug „Goyert“ prägt den Gebäudezug an der Hahnenstraße seit Jahrzehnten. Die Kunsthandlung ist ein Stück Kölner Geschichte. Doch nun – 103 Jahre nach ihrer Gründung – schließt die Institution.

„Ich habe 57 Jahre hier gestanden. Es war viel Arbeit, aber ich habe sie sehr gerne gemacht. Aber irgendwann muss Schluss sein“, sagt Angelika Herzogenrath (74). Mitarbeiter hatte sie nie. Sie ist die Enkelin von Wilhelm Goyert, der die Kunsthandlung zunächst in der Minoritenstraße eröffnete. Nach drei Generationen endet die Geschichte. Es hat sich kein Nachfolger mehr gefunden. „Aber ich gehe hier erhobenen Hauptes heraus, es waren gute Zeiten.“ Bis zuletzt – während Corona-Zeit sogar besonders gut – hat sich sich die Kunsthandlung getragen. Nun verschwindet alles.

Goyertstrasse

Angelika Herzogenrath nimmt Abschied von der Skulptur, die zwölf Jahre lang vor dem Laden stand.

Bereits abgebaut wurde die große Skulptur von Bildhauer Michael Schwarze (Jahrgang 1939) auf dem Gehsteig vor dem Laden. Der Riesenkopf mit den überdimensionalen Ohren trägt den Titel „In die Zukunft horchen“. Zwölf Jahre wachte er hier. Michael Schwarze ist einer der Künstler, die seit Jahren von Goyert präsentiert werden. Ebenso wie Werner Lichtner-Aix (1939-1987), dessen Bilder oft von den Farben und dem Licht in der Provence geprägt sind. Vertreten sind hier auch schon lange die Werke von Peter Calmés (1900 bis 1968) – Seestücke, Blumen und Wolkenlandschaften des Niederrheins in spätexpressionistischem Stil. Dazu kommt ein Graphik-Antiquariat.

Nichts Schrilles bei Goyert

Schrilles, Sensationsheischendes gab es hier nie, stattdessen vor allem die Klassische Moderne. Angelika Herzogenrath findet es völlig legitim, wenn Kunden – zumeist sind es Stammkunden – zu ihr kommen und sagen: „Ich suche ein schönes Bild für mein Wohnzimmer.“ Die Kunsthändlerin meint: „Die Leute müssen mit den Werken leben, nicht ich.“ Etwas, das ihr selbst nicht gefällt, sei allerdings nie ins Angebot aufgenommen worden. Sie selbst würde sich einen Beuys nicht aufhängen, da ist sie ganz ehrlich.

Goyertchefin

57 Jahre verkaufte Goyert-Enkelin Angelika Herzogenrath Kunst. 

Die Preisspanne ist groß. Ein Werk von Lichtner-Aix kostet auch schon einmal 19.000 Euro, aber es gibt auch kleine Drucke für 100 oder 200 Euro. Schwellenangst sollte nie erzeugt werden. Wer nur mal schauen wollte, für den gab es Kunstpostkarten.

Aufschwung während der Pandemie

Die wirtschaftlich besten Jahre erlebte die Kunsthandlung in den 1960er und 1970er Jahren. Da stattete man nach dem Krieg sein schönes Heim aus, ähnlich wie im kleineren Maßstab während der Pandemie-Krise. Reproduktionen von Kokoschka, Feininger und Dalí verkauften sich wie wild. Trotz stabiler Umsätze – die Goyert-Enkelin muss zugeben: „Unser Konzept, zu dem auch noch eine eigene Rahmenwerkstatt gehört, ist wohl nicht mehr zeitgemäß.“

Ihrer Einschätzung nach ist es eine letzten, wenn nicht sogar die letzte klassische Kunsthandlung in Deutschland. Dass Galerien so langfristig Künstler vertreten, sei heute nicht mehr üblich. Es werde viel schneller gewechselt, immer neue Talente präsentiert. Vieles wird bei Messen oder im Internet verkauft.

Rheinland bleibt Kunstadresse Nummer 1

Wichtige Galerien sind von Köln nach Berlin gezogen. „Aber das Rheinland ist noch immer die Kunstadresse Nummer 1 in Deutschland. Berlin hat kein Hinterland.“ Und: „Köln ist eine gute Stadt, so verroht sie auch manchmal aussieht.“ An der Hahnenstraße mitten in der Stadt bekomme man so Einiges mit. In den 1970er Jahren sei die Lage allerdings dramatischer gewesen als heute.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Aber wenn man nachts das Feiern erlaubt, dann muss man morgens auch mit der Nassreinigung durchgehen und nicht erst am Nachmittag kommen oder gar nicht“, kritisiert Angelika Herzogenrath.

Dabei sei die Stadtverwaltung in anderen Dingen wiederum sehr kleinlich. So durfte an der Skulptur von Michael Schwarze keine Plakette zur Erklärung angebracht werden. Das sei kommerzielle Werbung und deshalb im öffentlichen Straßenland nicht so ohne weiteres erlaubt.

Goyertverladung

Die Skulptur von Michael Schwarze wurde abtransportiert.

Nun ist die Skulptur weg, der „Horchende“ geht zunächst zurück an den Künstler. Ein Nachmieter für die Räumlichkeiten von Goyert steht noch nicht fest. Angelika Herzogenrath will eine kleine Internetpräsenz aufbauen. In diesem Monat ist aber erst mal Kunst-Schlussverkauf an der Hahnenstraße.