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Nach sexuellen ÜbergriffenKölner Kita will misshandelte Kinder nicht mehr betreuen

Lesezeit 3 Minuten

Nach sexuellen Übergriffen in einer Kita eskaliert die Stimmung: Mitarbeiterinnen inszenieren die Beerdigung der Einrichtung.

  1. In einer Kita im Kölner Westen ist es wiederholt zu sexuellen Übergriffen von Kindern auf Kinder gekommen. Die Vorfälle wurden 2018 bekannt.
  2. Nun kommt es zum nächsten Eklat: Die Kita will die betroffenen Kinder nicht mehr betreuen.
  3. Das Bistum begründet den Schritt damit, dass Erzieher von Eltern angegangen werden. Die Eltern wiederum fühlen sich doppelt bestraft.

Köln – Der Schock saß tief bei den Eltern, als sie im September vergangenen Jahres erfuhren, dass es in der Kita ihrer Kinder zu sexuellen Übergriffen durch andere Kinder gekommen war. Ein Junge hatte mehrere andere Kinder mit Stöcken im Genitalbereich und am Po verletzt. Ein Mädchen soll ihn dazu angestiftet haben. Jetzt folgte der zweite Schock: Die Kindertagesstätte will die Kinder, die damals Opfer waren, nicht mehr betreuen.

„Im Montessori-Kinderhaus St. Johannes Köln wurde neun Familien (damit sind zwölf Kinder betroffen) der Betreuungsvertrag von Seiten des Trägers gekündigt“, bestätigte das Erzbistum. Man habe sich zu diesem Schritt gezwungen gesehen, „da die Eltern dem Team der Erzieherinnen und dem Träger nicht mehr vertrauten“, sagte Bistumssprecher Michael Kasiske. Die Erzieher seien teilweise so angegangen worden, dass sie sich vor den Reaktionen der Eltern gefürchtet hätten. Gegen die Eltern wurde deshalb bis zum Auslaufen des Vertrags Ende März ein Hausverbot ausgesprochen; sie müssen ihre Kinder an der Eingangstür abgeben und dürfen die Einrichtung nicht mehr betreten.

Kinderschutzbund und Landschaftsverband wurden eingeschaltet

Dass es sexuelle Übergriffe gab, wird weder vom Erzbistum noch vom Kita-Träger bestritten. Die Leitung des Kinderhauses habe zahlreiche Gegenmaßnahmen eingeleitet, um eine Wiederholung zu verhindern, so Kasiske. So sei eine zusätzliche Erzieherin eingestellt worden, es habe mehrere Elternabende gegeben, Kinderschutzbund und Landschaftsverband Rheinland seien eingeschaltet worden. Einem Teil der Eltern hätte dies aber nicht ausgereicht.

Die Eltern fühlen sich nun doppelt bestraft. „Erst wurden unsere Kinder nicht geschützt und nun werden sie auch noch auf die Straße gesetzt. Wie sollen wir ihnen das erklären?“, fragt ein betroffener Vater. Die Eltern kritisieren die mangelnde Kommunikation der Einrichtung. Schon im April vorigen Jahres habe es erste Hinweise auf die Übergriffe gegeben, doch diese seien als Einzelfall abgetan worden, sagt ein anderer Vater. Erst als die Kita-Leiterin den Jungen in flagranti auf der Toilette erwischte, sei die Sache ins Rollen gekommen. Man hätte sich auch gewünscht, dass eine unabhängige Fachberatung wie etwa der Verein Zartbitter sowie externe Psychologen einbezogen worden wäre. Doch das habe die Kirchengemeinde abgelehnt. „Man wollte das alles intern regeln.“

Kinder sollen von weiteren Vorfällen berichtet haben

Was die Eltern zusätzlich trifft: Der Junge, von dem die Übergriffe ausgingen, geht weiterhin in die Kita. Er wurde lediglich in eine andere Gruppe versetzt. Ob es dort zu weiteren Vorfällen gekommen ist, ist unklar. Mehrere Kinder hätten davon berichtet, sagen Eltern. Die Aussagen hätten sich als nicht schlüssig erwiesen, sagt dagegen das Erzbistum. Klar scheint aber: Nachdem die Vorfälle im vergangenen September offiziell bekannt wurden, hat sich die Stimmung in der Einrichtung immer mehr aufgeschaukelt.

Ein Höhepunkt der Eskalation war erreicht, als die Erzieherinnen die Beerdigung des Kinderhauses inszenierten: „Alle Mitarbeiterinnen erschienen schwarz gekleidet zur Arbeit, in den Fenstern wurden Grablichter aufgestellt, die Räume mit weißen Laken verhängt“, so beschreiben es mehrere Eltern. „Unsere Kinder glaubten, die Kita-Leiterin sei gestorben und haben furchtbar geweint.“ Die Mitarbeiterinnen hätten am Eingang einen Tisch aufgestellt mit Plakaten „Halt Stop! Uns reichts!“. „Teile des Elternbeirats haben uns vorgeworfen, dass wir die Einrichtung kaputt machen. Es war wie ein Spießrutenlauf.“

Kölner Verein Zartbitter sieht massive Fehler seitens der Kita

Die Eltern haben ihrerseits den Kölner Verein Zartbitter, die Kontakt- und Informationsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen, eingeschaltet. Deren Leiterin Ursula Enders sieht massive fachliche Fehler seitens der Kita. Bei solchen Vorfällen seien Konflikte programmiert. „Es ist daher unabdingbar, dass von Anfang an eine unabhängige und auf sexuellem Missbrauch spezialisierte Fachstelle einbezogen wird. „Ganz schlimm“ findet Enders, dass die Eltern nun nicht einmal mehr die Kita betreten dürfen. „Das untergräbt das Vertrauen der Kinder in ihre Eltern. Eine pädagogisch unverantwortliche Botschaft.“ Die meisten betroffenen Eltern haben inzwischen entschieden, ihre Kinder ab sofort nicht mehr in die Kita zu schicken.