AboAbonnieren

Eltern und Personal verzweifeltKirche schließt Kölner Kita – „Sind in Schockstarre“

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt (3)

Eltern und Kinder demonstrieren gegen die Kita-Schließung.

Köln-Zollstock – Ein Betrieb, dessen Schließung bevorsteht, ist für Bewerberinnen und Bewerber nicht besonders attraktiv. Für ihre Kita in Zollstock sucht die evangelische Kirchengemeinde auf ihrer Internetseite eine pädagogische Fachkraft, ab sofort, in Vollzeit, befristet bis Ende Juli 2023. „Die Kita ist ein sinkendes Schiff, da will doch keiner mehr hin“, sagt ein Erzieher. Denn vor einigen Tagen hat die Kirchengemeindeleitung Eltern und Mitarbeitenden mitgeteilt, dass die Kita im Sommer 2023 schließen wird.

„Uns wurde erklärt, dass die Kita nicht mehr rentabel sei und die Gemeinde den Betrieb finanziell nicht mehr stemmen könne“, berichtet Daniela Sieg. Ihre dreijährige Tochter besucht die Kita, wie schon zuvor ihre beiden älteren Kinder. Sieg und weitere Eltern sind wütend darüber, dass man Eltern und Personal vor vollendete Tatsachen stellt. Sie befürchten, dass die Mitarbeitenden sich weg bewerben, sobald sie eine andere geeignete Stelle finden. „Pfarrer Mahn, der uns die Entscheidung mitteilte, hat uns geraten, nach alternativen Plätzen für unsere Kinder zu suchen. Möglicherweise könne der Kita-Betrieb nicht bis Sommer 2023 aufrecht erhalten bleiben, wenn weiteres Personal gehe, sagt Sieg.

Mitarbeitende: „Wir sind immer noch in Schockstarre.“

Für Kita-Leitung und Kollegium kam die Ankündigung der Schließung aus dem Nichts: „Wir befinden uns immer noch in Schockstarre,“ berichten zwei Mitarbeitende, die namentlich nicht genannt werden möchten, im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Erst vor zwei Wochen seien Verträge mit neuen Eltern abgeschlossen worden, deren Kinder ab Sommer in die Kita kommen. „Die Verträge gehen bis zum Schuleintritt der Kinder“, sagt einer der Mitarbeitenden.

„Es herrscht große nervliche Anspannung bei Eltern und Personal, die sich auch auf die Kinder auswirkt“. Eltern, die bei Kitas in der Umgebung nach freien Plätzen gefragt hätten, sei gesagt worden: „Für die Kinder haben wir keine Plätze, aber für die Erzieher, die können sich gern bei uns bewerben.“ In Zeiten des Fachkräftemangels werde es für die Mitarbeitenden kein Problem sein, neue Jobs zu finden. Aktuell werden die 40 Kinder von sechs Fachkräften und einer Auszubildenden betreut, darunter auch solche, die bereits seit mehr als 20 Jahren in der Kita arbeiten.

Das könnte Sie auch interessieren:

In einer Stellungnahme begründet die evangelische Kirchengemeinde Köln-Zollstock die Schließung mit gestiegenen Kosten. Als Kita-Träger zahle die Kirchengemeinde 10,3 Prozent Trägeranteil an die Stadt, die wiederum stelle die Mittel für den Betrieb der Kita zur Verfügung. „Diese Mittel reichen jedoch nicht aus, sodass die Gemeinde bis 2021 rund 270.000 Euro aus dem Gemeindehaushalt in die Kindertagesstätte investiert hat“ - zusätzlich zu den 600.000 Euro Trägeranteilen, die die Gemeinde in den Jahren von 2008 bis 2021 gezahlt habe. „Die laufenden Kosten sind seit Jahren gestiegen. Auch größere Einzelaufwendungen schlagen zu Buche. Für diese Kosten gibt es keine Gegenfinanzierung“, erklärt Finanzkirchmeister Olaf Theis.

Neuer Inhalt (3)

Kinder und Eltern wehren sich gegen die Schließung.

Seit Sommer 2021 habe die Gemeinde versucht, alternative Lösungen zu finden, um die Kita fortzuführen und die Trägerschaft an einen anderen Träger abzugeben. Auch mit der Stadt habe es Gespräche gegeben.

Eine Stadtsprecherin teilte dazu mit, dass das Jugendamt gemeinsam mit dem Träger nach Lösungsmöglichkeiten suche. „Ob und inwieweit ein Kita-Betrieb auf dem Gelände der Kirchengemeinde weiterhin möglich ist“, werde Bestandteil der Gespräche sein. Der Träger stehe in der Verpflichtung, das Betreuungsangebot bis zur geplanten Schließung sicherzustellen. Das Jugendamt wiederum werde allen Kindern der Kita, die nach dem Sommer 2023 einen Betreuungsplatz benötigen, ein Betreuungsangebot machen, so die Sprecherin.

Pfarrer: „Haben Verantwortung gegenüber den Kindern“

„Wir sind verpflichtet, unsere Möglichkeiten verantwortungsbewusst und realistisch einzuschätzen. Daher bedauern wir, dass wir die Trägerschaft der Kita nicht mehr fortführen können“, sagt Pfarrer Oliver Mahn, Vorsitzender des Presbyteriums. „Wir haben Verantwortung gegenüber den Kindern und ihren Eltern sowie unseren Mitarbeitenden. Diese Verantwortung nehmen wir ernst.“ Das Presbyterium sei bereits in Gesprächen mit anderen evangelischen Einrichtungen, um allen Mitarbeitenden eine Perspektive mit gleichen Tarifgrundlagen zu geben. Ebenso bemühe man sich, den Kindern nach der Kita-Schließung einen alternativen Kita-Platz zu geben. „Die Arbeit mit Kindern gehört auch weiter zu den zentralen Aufgaben von Kirche und Gemeinde“, betont Mahn.

Kölner Eltern demonstrieren gegen Kita-Schließung

Die Eltern machen indes mobil gegen das Ende der Kita: Sie demonstrierten am Sonntag vor dem Gottesdienst gemeinsam mit ihren Kindern und Mitarbeitenden gegen die Schließung. Sie trugen Schilder mit der Aufschrift „Ich will in meiner Kita bleiben“, „Unsere Kita muss bleiben“ oder „Wir sind hier, wir sind laut, weil Mahn uns die Kita klaut“.

Neuer Inhalt (3)

Plakat bei der Demo

In einem offenen Brief an den zuständigen Superintendenten Bernhard Seiger üben die Eltern massive Kritik an der Gemeindeleitung und namentlich Pfarrer Oliver Mahn: „Wir Eltern fühlen uns von der evangelischen Kirche wissentlich im Stich gelassen. Mehr als 30 Jahre genoss die Kita einen hervorragenden Ruf“. Doch „mit dem Wechsel in der Gemeindeleitung wurde dieser Ruf in nur knapp drei Jahren zerstört“. Durch den „verantwortungslosen Umgang mit den Kindern und Eltern durch die eilige Schließung“ sei das Vertrauen „vollends zerstört“.

Angesichts dieser Kritik liest sich der Text der Stellenausschreibung, mit der die evangelische Kirche eine Fachkraft für die Zollstocker Kita sucht, fast schon zynisch: „Partizipation und Elternarbeit haben in unserer Einrichtung einen hohen Stellenwert. Mit Kindern, Eltern, Team und Träger wird Gemeinschaft in einer lebendigen Kirchengemeinde gelebt.