AboAbonnieren

Neuer Kölner LeitfadenStadt gibt Vermietern Tipps gegen Rechtsextreme

Lesezeit 4 Minuten
Gegendemonstration gegen den Afd-Parteitag in einer Kölner Schule.

Gerade an Schulen sorgen Parteiveranstaltungen der AfD für große Unruhe.

Die Stadt hat Broschüren zum Umgang mit der Miete von privaten und öffentlichen Räumen durch extremistische Gruppen veröffentlicht.

Der Bundestagswahlkampf ist in der heißen Phase. Und damit steigt auch die Zahl der Wahlkampfveranstaltungen in öffentlichen und privaten Räumen. Nicht immer muss es wie mit dem Gürzenich gleich die „gute Stube des Kölner Karnevals“ sein, in dem die AfD am 5. März Abgeordnete aus Bund, Land und Kommunen trifft. Oft sind es eben auch private Vermieter von Kneipen, Kulturräumen oder Veranstaltungslocations, die mit Anfragen konfrontiert werden, hinter denen sich potenziell rechtsextreme Gruppierungen verbergen können.

„Es ist für Vermieter schwieriger geworden, die Mietgesuche einzuschätzen“, erläutert Henning Borggräfe, Direktor des NS-Dokumentationszentrums Köln. Noch in den 2010er Jahren sei der klassische Neonazismus auch optisch klar erkennbar gewesen. „Aber die Situation ist seit Corona und seit dem Angriff der Hamas auf Israel diffuser geworden. Verschwörungserzählungen gehen quer durch alle Spektren“, sagt Borggräfe.

Konkrete Tipps für private Vermieter in Köln

Daher hat die Stadt Köln in Zusammenarbeit mit dem NS-Dok nun den Ratgeber „Kein Raum für Hetze“ entwickelt. Der Leitfaden soll privaten Vermieterinnen und Vermietern Hilfen an die Hand geben, damit sie erkennen, wenn sich hinter Mietanfragen rassistische, extremistische oder antisemitische Gruppen verbergen. Denn: Es müssen nicht immer gleich Parteitage oder Mitgliederversammlungen von Parteien sein. Auch hinter Feiern und Konzerten oder vermeintlich unpolitischen Stammtischen kann sich ein extremistischer Organisator verbergen.

Henning Borggräfe

Henning Borggräfe, Leiter des NS-Dokumentationszentrums

Da rechte Organisationen wissen, dass Veranstalter ihre Räume nicht für NS-Propaganda hergeben, agieren sie nach den Erfahrungen des NS-Dokumentationszentrums oft eher konspirativ. Da werden dann private Feste angemeldet oder die Gruppierungen geben sich als Mitglieder von „Heimatkreisen“ oder nennen sich „Geschichtlicher Arbeitskreis“. Daher empfehle es sich, „bei Vermietungsanfragen immer kurz im Internet zu recherchieren, was sich hinter der anfragenden Gruppe verbirgt“, sagt Hans-Peter Killguss, Leiter der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus des NS-Dok.

Wenn man sich nach der Recherche entschieden hat, zu vermieten, gibt die Broschüre Hinweise, wie man den Mietvertrag gestaltet. „Wir stellen Mustervertragsklauseln vor, mit denen Vermietende Vorsorge treffen können und klären über das Sonderkündigungsrecht auf“, so Killguss. Damit man weiß, was man tun kann, wenn man erst nach der Vertragsunterschrift merkt, an wen man vermietet haben. Der Ratgeber geht auch mit vielen praktischen Tipps darauf ein, wie mögliche Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten vor Ort während der Vermietung dokumentiert werden, und wie man sie zur Anzeige bringt. Killguss und Borggräfe hoffen, dass das Vermieter ermutigt, aufmerksam zu sein und dadurch mitzuwirken, Menschen die Verbreitung extrem rechten Gedankenguts zu erschweren.

Leitfaden für die städtischen Dienststellen

Daneben hat die Stadt auch einen Leitfaden für die Dienststellen der Stadt Köln entwickelt als Ratgeber für nicht-öffentliche Vermieter, der ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem NS-Dok entstanden ist. Damit setzt sie einen bereits 2018 getroffenen Ratsbeschluss für einen solchen Leitfaden um. Dieser geht auch auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, Gestaltungsmöglichkeiten und Pflichten der Kommunen ein.

Politische Parteien haben grundsätzliche einen Anspruch auf die Nutzung öffentlicher Einrichtungen. Der verfassungsrechtlich verankerte Anspruch von Parteien auf die gleichberechtigte Nutzung öffentlicher Einrichtungen verpflichtet Gemeinden, alle Parteien gleichzubehandeln – sofern sie nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten wurden. Es wurden allerdings Standardklauseln etwa in den Mietverträgen für das Vhs-Forum und die Bürgerzentren etabliert, die Mietern eine Nutzung der Räume für die Verbreitung etwa von rassistischen, antisemitischen, extremistischen oder antidemokratischen Inhalten verbieten.

Extremismus-Klausel für Kölner Schulen

In der erst kürzlich vom Rat beschlossenen Neufassung der Nutzungsbedingungen wurde diese so genannte „Extremismusklausel“ auch auf die Vermietung von Schulräumen der Stadt Köln für nichtschulische Zwecke ausgeweitet. Offen bleibt, wie das konkret klagesicher kontrolliert – also wie und ob eine solche Klausel überhaupt rechtssicher angewandt werden kann.

Gerade Schulen hat die Vermietung ihrer Räume für AfD-Veranstaltungen in der Vergangenheit immer wieder vor Probleme gestellt. Das NS-Dok führt mit seiner mobilen Beratung auf Wunsch von Schulen vor Ort Bildungsworkshops gegen Antisemitismus und Rassismus durch. „Die Nachfrage danach wächst ständig“, sagt Killguss. Das NS-Dok könne mit dem vorhandenen Personal aufgrund des hohen Bedarfs inzwischen „nur noch die Hälfte der Anfragen bedienen“. Vielleicht auch deshalb, weil sich herumspricht, dass solche Workshops etwas bewirken: Als zuletzt durchsickerte, dass am Heinrich-Mann-Gymnasium in Chorweiler ein Parteitag stattfinden sollte, organisierte die sehr engagierte Elternschaft unter großer Beteiligung in der Schule einen solchen Workshop des NS-Dok mit vielen begleitenden Aktionen. Daraufhin sah die AfD davon ab, ihren Parteitag an der Schule durchzuführen.

Neben den digitalen Ausgaben der beiden Broschüren gibt es die Ratgeber für nicht-städtische Vermieter auch in gedruckter Form im NS-Dok. Da die Broschüren nicht an der Kasse ausliegen, empfiehlt sich vorher eine kurze Anfrage per Mail an das NS-Dok.

https://museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum

https://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/stadtrecht/leitfaden-zum-umgang-mit-der-anmietung-von-oeffentlichen-raeumen-durch-extremistische-rassistische-antisemitische-gruppen