Die AfD darf Kölner Schulen weiter für Versammlungen nutzen. Den Schulleitungen sind die Hände gebunden - auch weil die Partei ihre juristischen Mittel voll ausschöpft.
Parteitage in SchulenWie die AfD Kölner Schulleitungen bedrängt
Der Bundestagswahlkampf ist eröffnet. „Jetzt wird es nicht lange dauern, bis erneut einer Kölner Schule von der Stadt mitgeteilt wird, dass in ihren Räumen ein AfD-Parteitag stattfindet“, befürchtet Silvia Rick. Aktuell sucht die Stadt nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine Schule im Kölner Norden, wo im Dezember die AfD tagen soll. Es wäre bereits die dritte allein in diesem Jahr. Rick gehört zu der Eltern-Initiative „Gynesa gegen Rechts“, die sich am Gymnasium Neue Sandkaul in Widdersdorf gegründet hat. Die Initiative kämpft gegen das Nutzungskonzept für städtische Räume, das der Rat in diesem Monat mit breiter Mehrheit verabschiedet hat.
Darin steht, dass Schulen auch künftig weiter kostenlos für Partei-Veranstaltungen genutzt werden können. Aus Gründen der Gleichbehandlung muss dieses Recht auch für die AfD gelten. Für die Schulen ist das eine große Bürde: Denn mit dem Ende des AfD-Parteitags ist die Sache für die Schulen oft mitnichten erledigt. Die AfD erzeuge ein Klima der Angst und setze auf Einschüchterung der Schulleitungen, konstatiert die Initiative.
AfD macht Schulen zum Thema im Landtag
Was damit gemeint ist, zeigt das Beispiel des AfD-Kreisparteitages am Gymnasium Neue Sandkaul im Juni. Fünf Monate danach ist Schulleiterin Kristina Kop-Weiershausen immer noch Angriffen der AfD im nordrhein-westfälischen Landtag ausgesetzt: In Kleinen Anfragen versuchte die AfD, ihr Konflikte mit ihrer Neutralitätsverpflichtung als Beamtin nachzuweisen und das Land – bislang erfolglos – zu disziplinarischen Maßnahmen zu drängen. Auch ganz direkt hat die AfD beim Regierungspräsidenten Beschwerde gegen die Schulleiterin eingelegt.
Der Hauptvorwurf: Da die Veranstaltungen der AfD an Schulen regelmäßig mit Gegenprotesten verbunden seien, ist nach Angaben der Partei mit der Stadt Köln Stillschweigen vereinbart worden. Trotzdem sei aus dem Lehrkörper „etwas nach draußen gedrungen“. Dabei sei nur die Schulleitung informiert gewesen. Solches Verhalten stehe im Konflikt mit der Wahrung der politischen Neutralität, so die AfD.
Nachdem die Schulleitung von der Stadt über die Vermietung an die AfD informiert worden war, hatte diese beim monatlichen Jour Fixe Kollegium und Elternvertretungen darüber informiert. „Es war keine Option, das der Schulgemeinschaft zu verschweigen. Gerade wenn man als Schule das Bildungsziel Weltoffenheit und Toleranz vermittelt“, so Rick. Die Stadt erklärte auf Anfrage, es gebe keine Ungleichbehandlung der Mieter durch „unterschiedliche Stufen der Geheimhaltung“. In einer aktuellen zweiten Anfrage im Landtag forderte die AfD die Landesregierung nun auf, alle Teilnehmer des Jour Fixe namentlich zu benennen.
Die Schulgemeinschaft hatte sich vehement gegen den Parteitag gewehrt: Die Schülerinnen und Schüler sammelten 10.000 Unterschriften für eine Petition. Auch die Gewerkschaft GEW Köln verurteilte es als „absolut verantwortungslos“, Schulräume an eine Partei zu vergeben, „die mittlerweile vollständig als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird“. Allerdings ohne Erfolg. Bei der Protestveranstaltung vor der Schule demonstrierten während des Parteitages über 5000 Menschen.
AfD-Parteitage an Schulen: „Klima der Angst“
Auch der einige Monate zuvor an der Gesamtschule in Lindenthal angesetzte AfD-Parteitag hatte ein Nachspiel: Auch hier sah die AfD eine politische Instrumentalisierung und Indoktrinierung von Schülern und machte das zum Thema im Landtag mit einer Kleinen Anfrage. Die Schule hatte als Reaktion auf den Parteitag ein Schulfest organisiert, das die AfD „ausdrücklich als Gegenveranstaltung“ kritisierte, bei der sich Lehrkräfte eingebracht hätten.
Auch hier sah sie die Neutralität nicht gewährleistet und forderte die Landesregierung auf, herauszufinden, an wen die Schulleitung die Info über den Kreisparteitag weitergegeben hatte. Beim AfD-Kreisparteitag vergangenen Monat in der Gutenberg-Realschule in Godorf platzierte die Schule neben Fahnen mit der Aufschrift „Wir lieben Vielfalt“ eine Kunst-Ausstellung der Schüler zu den Themen Vielfalt und Respekt im Tagungsraum, um die Haltung der Schule zum Ausdruck zu bringen.
Initiative befürchtet „Klima der Angst“
Schulleitungen müssen sich nun scheinbar entscheiden, ob sie Informationen über eine geplante Parteiveranstaltung an die Eltern weitergeben. „Tun sie es, riskieren sie von der AfD mit juristischen Mitteln eingeschüchtert zu werden. Für dieses Klima der Angst trägt die Politik durch ihr Nichthandeln eine politische und moralische Mitverantwortung“, prangert die Initiative an. Die Schulen selbst haben keinen Einfluss darauf, ob ihre Schule an die AfD vermietet wird.
Dabei hätte sich durch die Neuauflage der Veranstaltungsrichtlinien die Chance ergeben, Schulen von der Vermietung an Parteien auszunehmen. Wie das geht, zeige etwa die Stadt Leverkusen: Dort beschloss der Rat im Mai mit breiter Mehrheit, dass keine parteipolitischen Veranstaltungen in Schulen mehr genehmigt werden. Alle Parteien müssen auf andere städtische Räume ausweichen. Genau eine solche Regelung wollte die Initiative erreichen.
Die Fraktionen von Grünen, CDU, SPD, FDP, Linke und Volt teilten der Initiative jedoch schriftlich mit, dass ein Nutzungsverbot auch die anderen Parteien treffen würde. Für die Demokratiebildung und eine niedrigschwellige Veranstaltungsmöglichkeit für alle Parteien sei die Nutzung von Schulen in Köln „unausweichlich“.
Darüber hinaus biete „das Demonstrationsrecht geeignete Möglichkeiten, öffentlich sehr deutlich zu machen, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Demokratieverächter in den Schulen nicht willkommen sind“. Für die Initiative ist das eine Abwälzung von Verantwortung aus Eigennutz. Das Argument kostengünstiger Locations werde über die Wehrhaftigkeit der Demokratie gestellt. Zumal es auch andere städtische Räume gebe.
Die neue Nutzungsverordnung enthält nun jedoch eine „Extremismusklausel“: Eine Überlassung von Räumen soll ausgeschlossen sein für Veranstaltungen, „bei denen die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass auf diesen politisch extremistisches, rassistisches oder antisemitisches, verfassungsfeindliches Gedankengut dargestellt wird“. Wie das kontrolliert werden oder eine Beweisaufnahme erfolgen soll, dazu gibt die Stadt auf Nachfrage keine Antwort. Der Initiative teilte man mit, es werde ein Leitfaden zur Umsetzung der Klausel entwickelt.
Inwieweit diese sich als rechtssicher und durchsetzbar erweise, werde sich erst später zeigen. Dazu muss man wissen: Bereits 2018 forderte der Rat die Verwaltung per Dringlichkeitsbeschluss auf, einen Leitfaden zu entwickeln, der die Vermietung städtischer Räume an Extremisten zu verhindern hilft. Sechs Jahre ist er noch immer nicht fertig.