Kölner Mediziner erklären, was sich in ihrem Fachgebiet getan hat, welche Entwicklungen gut sind und wo Herausforderungen liegen. Ein Protokoll von Professor Michael Hallek, Klinikchef an der Uniklinik Köln.
Kölner Onkologe HallekKI wird die Krebstherapie revolutionieren

Michael Hallek ist Internist und Onkologe, er ist Direktor der Klinik für Innere Medizin und des Centrums für Integrierte Onkologie an der Uniklinik Köln.
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In den kommenden zehn Jahren erwarten wir weitere, bedeutende Fortschritte in der Krebsforschung. Besonders im Bereich der Immuntherapie und der gezielten Therapie sehen wir enormes Potenzial. Es geht hier darum, durch gezielte Kombination von Präparaten den Tumor mit Tricks so zu verändern, dass er für das Immunsystem klarer erkennbar und damit angreifbar wird. Schon jetzt erhalten wir hierzu fast monatlich neue Erkenntnisse. Schwarzer Hautkrebs – früher im fortgeschrittenen Stadium ein Todesurteil – ist heute in der Mehrzahl heilbar. Auch beim Lungenkrebs können wir mit Immuntherapien sehr gute Remissionen erreichen. Blasen- und Nierenkrebs sind zunehmend gut behandelbar.
Künftig können wir durch die Analyse genetischer und epigenetischer Daten die spezifischen Eigenschaften von Krebszellen besser erkennen und maßgeschneiderte Behandlungsstrategien entwickeln, welche die Heilungschancen erheblich verbessern werden. Ich denke da auch an Bauchspeicheldrüsenkrebs, der heute noch schwer behandelbar ist. Blickt man noch weiter in die Zukunft, so könnten wir in 50 Jahren möglicherweise eine vollständige Heilung der meisten Krebsarten erreicht haben.
Kleine Roboter werden Medikamente in schwer erreichbare Tumore einbringen
Die Fortschritte in der Genom-Editierung, also „Genscheren“ wie CRISPR/Cas9, könnten es uns erlauben, Krebszellen noch präziser und effektiver zu bekämpfen. Prinzipiell ist es möglich, Krebsgene in Tumorzellen mit der Genschere auszuschalten. Die technische Herausforderung ist, die Genscheren in jede Krebszelle des Körpers hineinzubekommen.
Auch die Nanomedizin hat ein großes Anwendungspotential. Man wird kleine Roboter programmieren, die bestimmte Medikamente in schwer erreichbare Tumore einbringen. Schon heute verwenden wir Nanopartikel, also Krebsmedikamente, die man in Lipidhüllen packt, Medikamente gezielter zum Tumor zu tragen. Dies erlaubt, den Wirkstoff lokal begrenzt zu applizieren. Daher kann man dessen Dosis erhöhen und dadurch die Wirksamkeit.
Künstliche Intelligenz wird revolutionäre Auswirkungen haben
Die Nutzung von künstlicher Intelligenz zur Früherkennung und Behandlung von Krebs wird revolutionäre Auswirkungen haben. Schon heute hilft sie, große Datenmengen zu analysieren und Muster zu erkennen, die man anders nicht erkennen kann. Besonders in der Frühdiagnose und der Entwicklung neuer Therapien könnte KI entscheidende Fortschritte ermöglichen. Nur durch Anwendung von lernenden Systemen, also von KI, werden wir in der Lage sein, die Gesamtheit aller Ereignisse, die bei der Krebsentstehung eine Rolle spielen, zu verstehen. Die Entschlüsselung dieser „Krebs-Codes“ wird uns die Entwicklung besserer Therapien ermöglichen.
Eine der größten Herausforderungen für die Zukunft unseres Fachs ist sicherlich die genetische und biologische Vielfalt von Krebs. Jeder Tumor ist einzigartig. Diese Einzigartigkeit müssen wir verstehen, die Behandlung individuell anzupassen. Zudem ist die Resistenz gegen Therapien ein häufiges Problem. Die Entstehung dieser Resistenzen müssen wir verstehen und zu bekämpfen lernen.
Neben diesen wissenschaftlichen Problemen müssen wir die Finanzierung von und den Zugang zu neuen Therapien sicherstellen, weltweit. Der Zugang von Krebspatienten zu den neuesten Behandlungsmethoden stellt eine große wirtschaftliche und politische Herausforderung dar.
Im praktischen Alltag eines Krebsforschers ist die Bürokratie eine der zentralen Herausforderungen. Administrative Aufgaben, Regularien und zeitaufwendige Genehmigungsverfahren verlangsamen den Fortschritt der Forschung erheblich. Oftmals müssen wir umfangreiche Dokumentationen erstellen und komplexe Anträge stellen, um Fördermittel zu erhalten oder klinische Studien zu beginnen. Diese bürokratischen Hürden erfordern viel Zeit, die der eigentlichen Forschung verloren geht. Auch die sehr unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen in verschiedenen Ländern, Bundesländern und Regionen behindern den Austausch von Forschungsergebnissen. Es ist daher von großer Bedeutung, effizientere und transparentere Prozesse zu etablieren, um diese bürokratischen Belastungen zu reduzieren und den Weg für innovative wissenschaftliche Durchbrüche zu ebnen.