Kölner Mediziner erklären, was sich in ihrem Fachgebiet getan hat, welche Entwicklungen gut sind und wo Herausforderungen liegen. Ein Protokoll von Anne Latz, Psychologin an der Uniklinik Köln.
Kölner Psychotherapeutin„Den eigenen Lebensstil als Medizin nutzen“

Anne Latz ist Psychologin an der Uniklinik Köln.
Copyright: Thilo Schmülgen
Mir macht Hoffnung und Freude, dass wir einen nie dagewesenen Forschungsstand und Wissensschatz in der Medizin haben, der sich mit hohem Tempo weiterentwickelt. Dadurch wissen wir ganz klar, welche Faktoren für ein gesundes und langes Leben wichtig sind. Der aktuell für diesen proaktiven Blick auf Gesundheit verwendete Obergriff kommt aus dem Englischen und heißt „Longevity“.
Dabei geht es nicht darum, möglichst alt zu werden, sondern eine möglichst lange Spanne an gesunden Lebensjahren und damit hohe Lebensqualität zu haben. Ich sehe diese Entwicklung als große Chance. Wenn die Patientinnen und Patienten merken, dass es ihnen im Alltag durch präventives Verhalten besser geht, entwickeln sie Freude daran, sich intensiver mit ihrer Gesundheit auseinanderzusetzen.
Symptombekämpfung ist bequemer, aber nicht nachhaltig
Dabei können personalisierte Hormonersatz- oder Nahrungsergänzungstherapien weiterhelfen, viel wichtiger ist aber vor allem, den eigenen Lebensstil als Medizin zu nutzen. Das heißt, darauf zu achten, ausgewogen und bunt zu essen, Kraft und Mobilität zu trainieren, Stressoren zu reduzieren, Schlaf und Erholung in den Fokus zu setzen und sozial gut eingebunden zu sein.
Mir ist sehr bewusst, dass das leichter gesagt als getan ist. Bevor die Lebensstilmedizin, die man sich selbst verabreichen kann, Spaß macht, muss man erstmal Zeit und auch etwas Schweiß investieren. Ich merke selbst häufig, wie weit unsere so schön klingenden Empfehlungen von der Lebensrealität der Menschen, von ihren Sorgen und zeitlichen, aber auch finanziellen Ressourcen entfernt sind. Für Viele ist es selbstverständlich bequemer, einfach nur die Symptome zu bekämpfen, auch wenn das nicht nachhaltig ist. Abnehmspritzen wie Ozempic sind nicht umsonst in aller Munde.
Darmmikrobiom beeinflusst mentale Gesundheit
Es wird außerdem nach wie vor unterschätzt, wie eng körperliche und seelische Gesundheit zusammenhängen. Grundlage dafür ist das biopsychosoziale Modell, nach dem wir in der psychosomatischen Medizin arbeiten. Wenn Menschen sich nicht gesund fühlen, muss das nicht immer an einem rein körperlichen Problem liegen. Die Psyche ist ebenso bedeutsam wie das soziale Umfeld. Alle drei Faktoren sollten in ihrem Zusammenspiel betrachtet werden.
Besonders spannend ist auch der Einfluss des Darmmikrobioms auf unsere mentale Gesundheit. Ein gesundes Mikrobiom wirkt zum Beispiel entzündungshemmend, unterstützt bei der Bildung von Neurotransmittern und fördert das Immunsystem. Für eine gesunde Psyche ist das unersetzlich. Hier gibt es viele Innovationen, die eine maßgeschneiderte Untersuchung und Behandlung von Körper und Psyche, beispielsweise entlang der Darm-Hirn-Achse, ermöglichen.