Seit einem Jahr leitet Athene Hammerich das Kölner Ordnungsamt – Zeit für eine erste Bilanz.
Kölner Ordnungsamtschefin im Gespräch„Wir sind Konfliktlöser, keine Spielverderber“
Im Interview verrät Athene Hammerich (53), warum ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkehrsdienst künftig stichsichere Westen tragen, wie Künstliche Intelligenz bei der Spiel- und Parkplatzüberwachung helfen kann und wie sie den Ordnungsdienst „näher zu den Menschen“ bringen will.
Frau Hammerich, das Rechnungsprüfungsamt hat dem Ordnungsamt zuletzt mangelhafte Kontrollen der Security-Kräfte im Straßenkarneval bescheinigt sowie überhöhte Rechnungen an die verantwortliche Eventagentur festgestellt mit einem möglichen Schaden von mehreren zehntausend Euro für die Stadt. Wie weit sind Sie mit der Aufarbeitung?
Wir nehmen das sehr ernst und arbeiten bereits intensiv an der Aufarbeitung. Wir werden das auch transparent machen. Zuerst hat der Rechnungsprüfungsausschuss das Recht zu erfahren, welche Konsequenzen wir aus der Kritik des Rechnungsprüfungsamtes ziehen. Dem möchte ich nicht vorgreifen.
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Das Kölner Ordnungsamt ist häufig negativ in den Schlagzeilen. Warum ist das Image oft so schlecht?
Das Ordnungsamt arbeitet in einem Riesenspannungsfeld. Wir stellen die Regeln nicht auf, aber wir müssen sie durchsetzen. Das geht nicht immer konfliktfrei ab. Die einen wollen feiern, die anderen schlafen. Die einen wollen Musik im Park, die anderen Stille. Der Respekt vor Menschen, die Uniform tragen, hat allgemein abgenommen. Sogar Rettungskräfte werden angegriffen. Bei einer einfachen Kontrolle auf einem Spielplatz wurde eine Kollegin des Ordnungsdienstes zuletzt in den Arm gebissen, so dass sie ins Krankenhaus musste. Im März hat ein Bürger zwei Verkehrsüberwachungskräfte, zwei Frauen, zusammengeschlagen. Wenn ich privat schon mal jemandem im Park anspreche, weil ein Hund nicht angeleint ist und da Kinder auf Augenhöhe herumlaufen, höre ich Schimpfworte, die kannte ich vorher gar nicht. Diese Aggressivität, wenn man jemanden auf ein Fehlverhalten anspricht, die hat zugenommen.
Der Ordnungsdienst ist schon mit Pfefferspray ausgerüstet, braucht der Verkehrsdienst das auch?
Die Wünsche wurden schon an mich herangetragen. Aber ich setze zunächst auf noch mehr und vor allem bürgernahe Kommunikation. Wir schulen die Einsatzkräfte auch darin. Man muss sich das mal klarmachen: Es geht hier um Knöllchen. Dass die Mitarbeitenden des Verkehrsdienstes gerade den Einsatz von schuss- und stichsicheren Westen testen und der Ordnungsdienst in Kürze Bodycams, ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Problems.
Wie wollen Sie den Ruf des Ordnungsamtes als strenger Spielverderber verbessern?
Ich bin vor einem Jahr angetreten, um ein bürgernäheres Ordnungsamt aufzustellen, ich spreche gerne vom Ordnungsamt 2.0. Wir wollen näher bei den Menschen sein, agiler und digitaler werden. Mehr aus der Sicht der Kölnerinnen und Kölner denken. Natürlich müssen wir immer rechtssicher handeln, für Sicherheit und Ordnung sorgen. Aber wir sind auch Möglichmacher.
Was verstehen Sie darunter?
Sie können jetzt schon ihr Gewerbe online an- , ab- und ummelden. Auch die Anmeldung von Hunden geht komplett digital von Zuhause aus. Und nehmen Sie allein die ganzen Veranstaltungen in Köln, das werden immer mehr. Wir haben bis jetzt schon 1033 genehmigte Anträge in diesem Jahr, mehr als im gesamten Vorjahr. Das sind nicht nur die Großereignisse, die wir alle kennen, sondern auch zahlreiche Straßenfeste, bei denen viele Auflagen zu beachten sind, etwa der Lärmschutz. Meine Mitarbeitenden beraten die Antragstellenden, dass sie alle Voraussetzungen dafür schaffen, damit ihre Veranstaltung genehmigt werden kann. Dies gilt auch für die Gastronomie. Wirte werden über ihre Verbände und im städtischen Internet informiert, wie Kontrollen ablaufen und welche Unterlagen sie vorhalten müssen. Wir sind Konfliktlöser, keine Spielverderber.
Näher bei den Menschen sein – wie stellen Sie sich das vor?
Um nur einen kleinen Baustein zu nennen: Wir wollen neue Formate entwickeln: zum Beispiel ein „Kaffee mit dem Ordnungsamt“. Wir gehen auf Märkte oder Veranstaltungen und bieten Gespräche an. Wir wollen die Probleme der Menschen erfahren und Berührungsängste abbauen, die vielleicht da sind. Der Ordnungsdienst ist mehr zu Fuß und auf dem Fahrrad unterwegs, um näher und ansprechbarer für die Menschen zu sein. Wir überarbeiten die Internetseiten und haben auch Flyer verständlicher formuliert.
Gerade für das Verteilen von Flyern wurden die Einsatzkräfte von den Anwohnern der Körnerstraße in Ehrenfeld aber hart kritisiert. War das nicht genau das Gegenteil von bürgernahem Handeln?
Nein. Auf der Körnerstraße in Ehrenfeld haben die Kolleginnen und Kollegen Hinweiszettel auf Blumenkübel oder Deko-Elemente und Sitzgelegenheiten geklebt, die nicht genehmigt waren und teilweise im Weg standen. Die Botschaft auf den Zetteln war: Wem gehört das? Bitte meldet euch bei uns.
Hätte man nicht mit den Leuten sprechen sollen, statt in einer Hauruck-Aktion Zettel auf Dinge zu kleben, die seit Jahren dort herumstehen, ohne dass sich jemand daran gestört hat?
Wenn man jahrelang zu schnell fährt, ohne erwischt zu werden, ist es trotzdem nicht erlaubt. Und: In diesem Fall sind meine Mitarbeitenden einer Bürgerbeschwerde nachgegangen. Da die Gegenstände nicht genehmigt waren und um herauszufinden, wem diese Dinge gehören, wurden Hinweiszettel in die Briefkästen geworfen, Aufkleber auf den Gegenständen hinterlassen und die Leute damit gebeten: Sprecht mit uns.
Genau das hätten sich die Leute auf der Körnerstraße vom Ordnungsamt gewünscht.
Das sehe ich anders. Ich glaube nicht, dass sich die Menschen wünschen, dass der Ordnungsdienst bei ihnen klingelt und fragt: Gehört Ihnen dieser Blumentopf? Ich glaube, viele empfänden das als übergriffig und außerdem ist doch tagsüber kaum jemand zu Hause. Das Wording auf den Hinweiszetteln war sehr verwaltungsmäßig, das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir haben dies bereits geändert. Der Ton macht die Musik. Das verstehe ich.
Stichwort Neumarkt: Viele Anwohner und Geschäftsleute beklagen, der Ordnungsdienst lasse sich da kaum blicken.
Der Ordnungsdienst war allein in diesem Jahr bereits mehr als 300 Stunden in Uniform und in zivil auf dem Neumarkt präsent. In dieser Zeit wurden 1128 Personen angesprochen und des Platzes verwiesen. Wir bestreifen den Neumarkt mehrfach täglich, sammeln sogar Spritzen auf und kontrollieren Verstöße gegen die Kölner Stadtordnung. Viele Verhaltensweisen von Menschen im öffentlichen Raum werden als störend wahrgenommen, sind aber nicht verboten – wie zum Beispiel sich eine Spritze zu setzen. Die Eingriffsmöglichkeiten des Ordnungsdienstes sind daher begrenzt.
Ein anderes Beispiel für bürgerfernes Handeln: Man lässt als Privatperson ein temporäres Halteverbot vor seinem Haus einrichten, weil man umzieht. Dann parken da aber trotzdem Autos, man ruft den Verkehrsdienst, und der will erstmal den Zettel mit der Genehmigung für das Halteverbot sehen – obwohl das Amt die doch selbst ausgestellt hat.
Ich stimme Ihnen zu. Wir sind innerhalb der Stadtverwaltung noch nicht so digital aufgestellt, wie die Kölnerinnen und Kölner es erwarten. Vernetzung, Softwareschnittstellen, Datenschutz – die Strukturen dahinter sind leider oft sehr komplex. Aber wir arbeiten daran.
Und wenn Sie groß denken dürfen? Was würden Sie gerne verändern?
Zurzeit schauen wir uns an, welche Erfahrungen das Ordnungsamt in Gelsenkirchen bei der Spielplatzüberwachung mit Künstlicher Intelligenz macht. Automatische Melder erfassen Bewegungsmuster auf dem Spielplatz. Und wenn da nachts, wenn eigentlich kein Kind auf dem Spielplatz spielt, etwas ungewöhnlich ist, fährt der Ordnungsdienst hin und schaut nach, ob dort ein Trinkgelage stattfindet, bei dem Flaschen und Kippen im Sand landen. Das ist personalschonend.
Was möchten Sie noch umsetzen?
Mein Traum wäre es auch, die Parkraumüberwachung zu digitalisieren. In den Niederlanden gibt es Einsatzfahrzeuge mit Scannern auf dem Dach. Die fahren herum, erfassen die Kennzeichen geparkter Autos und prüfen, ob die da parken dürfen und ob bezahlt wurde oder nicht. Menschen nehmen nur noch Einsätze wahr, bei denen sie durch nichts zu ersetzen sind, wenn es komplexere Situationen zu lösen gibt, wenn zum Beispiel Behindertenparkplätze blockiert sind. In Deutschland haben wir dafür derzeit nicht den erforderlichen Rechtsrahmen. Das ist der Schlüssel für die Zukunft.