Ratsmitglieder 1919-1945Neuer Blick auf Kölns einstige politische Elite
Köln – Ein gewisses Maß an stadtgeschichtlichem Interesse sei von Vorteil, räumt Werner Jung, ehemaliger Direktor des NS-Dokumentationszentrums (NS-Dok) bei der Präsentation des biografischen Lexikons zum Kölner Rat ein. Es ist der zweite Band der Reihe, der einen neuen Blick auf die politische Elite der Stadt in den Jahren von 1919 bis 1945 bietet und von Jung umfassend bearbeitet worden ist.
Konkret behandelt das Lexikon die Zeit der Stadtverordnetenversammlung in der Weimarer Republik von 1919 bis 1934 und des nationalsozialistischen Rats von 1934 bis 1945. Damit setzt das Werk den von Thomas Deres bearbeiteten ersten Band der Jahre 1794 bis 1919 fort.
Weimarer Republik aus Kölner Sicht
Inhaltlich wie finanziell sind beide Bände in einer Kooperation von Stadtarchiv und NS-Dok entstanden und setzen als Teil der Reihe der „Mitteilungen aus dem Stadtarchiv Köln“ eine seit dem 19. Jahrhundert bestehende Tradition des Hauses fort, sagt Claudia Tiggemann-Klein, Sachgebietsleiterin im Historischen Archiv, bei der Buchvorstellung am Dienstag. „Insgesamt entsteht ein interessantes Bild von der Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung in der Weimarer Republik in Köln“, so die Historikerin.
Arbeit mit Karteikarten angefangen
„Die Arbeit zu dem Band habe ich genau genommen bereits 1986 begonnen, als ich beim NS-Dok angefangen habe“, schildert Jung. „Mit einer Anfrage des damaligen Leiters zur Verarbeitung der Daten auf zahlreichen Karteikarten im Din-A-5-Format.“
Unterstützt von zahlreichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sei der Umfang dann stetig gewachsen, durch neu verfügbare Quellen sowie akribische Text- und Bild-Recherchen im Landes- und Bundesarchiv.
Stadtverordneter baut wenigstens eine Gaskammer mit
Am damaligen Oberbürgermeister Konrad Adenauer kommt auch dieses Werk natürlich nicht vorbei. Im Gegenteil, es zeige sich, „wie allgegenwärtig und auch arrogant“ eine einzelne Person die Kölner Kommunalpolitik in den Jahren der Weimarer Republik wesentlich bestimmt habe, so Jung. „Doch in der Stadtverordnetenversammlung war die politische und zum Teil wirtschaftliche Elite der Stadt mit einer Vielzahl bedeutender Persönlichkeiten vertreten“.
Viele hatten führende Positionen in ihren jeweiligen Parteien inne, mehrere waren während, vor oder nach ihrer Stadtverordnetentätigkeit Reichs-, Landes- oder später Bundesminister.„Selbst im nationalsozialistischen Rat, der nichts zu entscheiden und nichts anzuregen hatte, versammelte sich die Funktionselite des Regimes in Köln“, erläutert der Experte.
Opfer der NS-Verfolgung sind 13 ehemalige Stadtverordnete geworden. 25 wurden in Konzentrationslagern interniert. Doch es gab auch die andere Seite: Die „Friedrich Boos Spezialfabrik für Heizungs-, Lüftungs- und sanitäre Anlagen“, deren Eigentümer der frühere Stadtverordnete Friedrich Boos war, hat in mehreren Vernichtungslagern Heizungs- und Belüftungsanlagen geliefert und in Krematorien und zumindest einer Gaskammer eingebaut.
Keiner kommt an OB Adenauers Dominanz vorbei
Die Biografien beschränken sich dabei nicht auf die Zeit der Tätigkeit als Stadtverordnete, sondern sind lebensgeschichtlich angelegt, was zu überraschenden Erkenntnissen führt. „Etwa wenn man sich ansieht, welche Parteizugehörigkeiten die Gremiumsmitglieder in der jeweiligen politischen Phase innehatten“, sagt Jung. Eine seiner zentralen Erkenntnisse aus der Arbeit am Buch: „So fortschrittlich das Gremium für seine Zeit auch gewesen ist, es zeigt sich, dass auch die gesellschaftlich breit aufgestellte Versammlung breiter Schichten der Stadtgesellschaft letztlich seine Macht nicht an einer so dominanten Person wie Adenauer vorbei ausüben konnte.“
„Der Kölner Rat. Biografisches Lexikon, Band 2: 1919-1945“, bearbeitet von Werner Jung. 360 Seiten, 15 Euro.