Für herausragende Rechercheleistungen sind Tobias Lang (Nürnberger Nachrichten), Sebastian Böhm und Christian Gold (Der Neue Tag / Oberpfalz-Medien) und Patrick Schwemling (Mindener Tageblatt) geehrt worden.
„Unbeirrbarer Blick hinter die Kulissen“Ehrung junger Journalisten – Kölner Recherchepreis 2024 verliehen
In Köln ist am Montagabend (25. November) zum zweiten Mal der „Kölner Recherchepreis“ für junge Journalistinnen und Journalisten verliehen worden.
Den ersten Preis erhielt Tobias Lang (Nürnberger Nachrichten) für seinen Report „Krieg unter Kindern“ über die Messerattacke eines 13-Jährigen, der in Nürnberg einen gleichaltrigen ehemaligen Mitschüler schwer verletzte.
Der Fall erregte 2023 bundesweit Aufsehen. Lang habe die Hintergründe akribisch recherchiert und packend aufgeschrieben, so die Jury. „Lang betreibt Ursachenforschung ohne Schuldzuweisung, er sucht Erklärungen ohne Entschuldigungen, fragt nach Zusammenhängen ohne falsche Verallgemeinerungen. Ein eminent wichtiger Beitrag zur Versachlichung in einer klischee- und vorurteilsbelasteten Debatte über Jugendgewalt.“
Mit dem zweiten Preis wurden Sebastian Böhm und Christian Gold für ihr Multimedia-Projekt „Die Kupfers“ in „Der Neue Tag“ (Weiden) / Oberpfalz-Medien geehrt. In einer Artikel-Serie sowie sechs Podcast-Folgen zeichnen die Autoren die Geschichte der jüdischen Glasfabrikanten-Familie Kupfer und ihres Unternehmens seit den 1890er Jahren nach.
Anlass war die Verlegung der ersten in Weiden verlegten Stolpersteine 2022 im Gedenken an die Opfer der NS-Vernichtungsmaschinerie. „Mit ihren ausgreifenden Recherchen und einer beeindruckenden medialen Aufbereitung haben Sebastian Böhm und Christian Gold die Spuren der Familie Kupfer sichtbar und hörbar gemacht“, lobt die Jury. „Gegen die Auslöschung haben sie die Erinnerung gesetzt – mit medialen Stolpersteinen“.
Der dritte Preis ging an Patrick Schwemling vom „Mindener Tageblatt“ für seine Recherchen zu einem brutalen Überfall in der Mindener Innenstadt. „Es braucht hartnäckigen Journalismus auch, um behördlichen Schlendrian aufzuzeigen, der Unrecht erzeugt und Menschen in die Verzweiflung treiben kann“, heißt es in der Begründung der Jury.
Erst unter dem Eindruck von Schwemlings Veröffentlichungen habe sich die örtliche Polizei scheibchenweise ein reales Bild von dem Geschehen gemacht. Die Recherchen seien „ein Musterbeispiel, wie die lokale Zeitung Bürgerinnen und Bürgern zur Seite steht und strukturelle Missstände beseitigen hilft“.
Mit insgesamt 15.000 Euro dotiert
Der mit insgesamt 15.000 Euro dotierte „Kölner Recherchepreis“ wird seit 2023 gemeinsam vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ und der Kölner Lingen-Stiftung ausgelobt. Zuvor wurde er drei Jahre lang als „Gutenberg-Preis“ von der Mainzer Mediengruppe VRM und der Lingen-Stiftung verantwortet. Prämiert werden Beiträge von Journalistinnen und Journalisten bis 35 in deutschen Lokal- und Regionalzeitungen oder auf redaktionell eigenständigen Online-Plattformen.
„Wir freuen uns, dass wir als Kölner Medienunternehmen auch in diesem Jahr wieder den ‚Kölner Recherchepreis‘ vergeben können. Es liegt uns am Herzen, gemeinsam mit der Lingen-Stiftung exzellente Recherchearbeit junger Journalistinnen und Journalisten zu honorieren. Die Qualität der eingereichten Beiträge war durchweg sehr hoch. Einen herzlichen Glückwunsch an die Gewinner“, sagte Thomas Schultz-Homberg, CEO der Kölner Stadt-Anzeiger Medien.
Gerald Selch, Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“, ergänzte: „Hervorragende Recherche ist nicht abhängig von der Größe des Mediums. Gerade deshalb lohnt sich der Fokus des Kölner Recherchepreises auf lokale und regionale Zeitungen. Die diesjährigen Preisträger stellen das mit ihren Arbeiten eindrucksvoll unter Beweis.“
Der gründlichen Recherche verpflichtet
Für den diesjährigen Preis wurden rund 50 Beiträge eingereicht. Der Preis fördert junge Journalistinnen und Journalisten, die sich auch im Zeitalter von Meinungswettstreit und Zielgruppenkommunikation dem klassischen journalistischen Grundsatz verpflichtet fühlen: Vor der Information steht die gründliche Recherche.
Die Bedeutung der Recherche als Querschnittskompetenz journalistischer Arbeit betonten auch die Herausgeber des „Kölner Stadt-Anzeiger“, Isabella Neven DuMont und Christian DuMont Schütte. „Ohne gesicherte Faktenbasis, ohne sorgfältig zusammengetragene Informationen und ohne deren Verknüpfung kreist die mediale Kommunikation um eine leere Mitte. Der beharrliche, unbeirrbare Blick hinter die Kulissen, in die dunklen Ecken oder unter den Teppich ist überdies die Voraussetzung dafür, dass die Medien ihr Wächteramt, ihre Kontrollfunktion gegenüber den Mächtigen wahrnehmen können.“
Treibende Kraft einer jeden Recherche sei die Neugierde, so die Herausgeber weiter. Diese gelte es auch in eine zunehmend abgestumpfte Gesellschaft hineinzutragen. „Es ist ein oft übersehener Zugewinn bei der Lektüre einer Tageszeitung, dass man ‚riskiert‘, auf neue, spannende Themen aufmerksam gemacht zu werden, von deren Bandbreite man vorher gar nichts wusste.“ Auch dies sei an den Beiträgen der drei Preisträger ablesbar.
In einem Impulsvortrag würdigte die stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Der Spiegel“, Melanie Amann, die Leistungen ihrer Kolleginnen und Kollegen im Lokaljournalismus. „Sie sind auch so recherchestark wie wir und sie sind oft mutiger als wir. Weil sie den Objekten ihrer Berichterstattung tagtäglich begegnen.“ Als besondere Herausforderungen für den Journalismus in unserer Zeit nannte Amann die Wut, die Journalistinnen und Journalisten immer öfter entgegenschlage, den Kampf um Aufmerksamkeit angesichts flächendeckender Ablenkung durch ein mediales Überangebot sowie das Untergraben der Glaubwürdigkeit.
Nachdenkliche Töne im Impulsvortrag
Amann schlug für die Branche auch selbstkritische Töne an. Es mache sie sehr nachdenklich, wie sich das Image von Politikern oft nach ihrem Scheiden aus dem Amt entwickele. „Muss es uns Journalistinnen und Journalisten nicht zu denken geben, dass Politiker erst befreit und lässig wirken, wenn sie unfreiwillig alle Ämter los sind?“. Die Medien hätten diese Politiker zwar nie wie Feinde behandelt, sagte Amann in Anspielung auf entsprechende Vorwürfe des US-Milliardärs Elon Musk. „Aber haben wir sie immer menschlich behandelt? Oder leisten wir einen Beitrag dazu, dass Politik so ein unmenschliches Geschäft ist?“ Auch die mächtigsten, die aggressivsten Akteure, über die berichtet werde, „müssen wir menschlich behandeln“, forderte Amann.
Der „Kölner Recherchepreis“ will junge Journalistinnen und Journalisten ermuntern, „in diesen ebenso schnellen wie meinungsoffensiven Zeiten die Kultur des Dicke-Bretter-Bohrens zu pflegen“. Der Preis sei aber auch zu verstehen als „ein Merkposten, eine Mahnung explizit an Lokal- und Regionalzeitungsverlage, dass wir aufwändige Recherchen so gut es irgend geht erhalten, fördern, ja womöglich sogar ausbauen“.
Mitglieder der Jury waren: Joachim Frank (Chefkorrespondent „Kölner Stadt-Anzeiger“, Vorsitzender), Annette Binninger (Chefredakteurin „Sächsische Zeitung“), Friedrich Roeingh (ehemaliger Chefredakteur „Mainzer Allgemeine“), Werner Schulte (Geschäftsführer Lingen-Verlag) und Anke Vehmeier (Leiterin des Lokaljournalistenprogramms bei der Bundeszentrale für politische Bildung).