Ab Mitte der 30er Jahre wurden die Spuren der jüdischen Komponistin Maria Herz aus Köln verwischt. Nun gibt es einen Roman über ihr Leben.
Maria Herz gab sich als Mann ausDie „Komponistin von Köln“ feierte Erfolge und wurde dann vergessen
Für die Kölner Autorin Hanka Meves war es eine Freude, die Orte aufzusuchen, an denen die Komponistin Maria Herz gelebt hat. Zum Beispiel an der Hohe Straße 47: Dort lebte „Mariechen“, geborene Bing, als Kind mit ihrer Familie über einem Möbelgeschäft. Bing, das war ein schillernder Name im Jahr 1878, als Maria als jüngstes Kind von dreien zur Welt kam.
Die Kölner Textilhändlerfamilie, die später mit ihrem Geschäft das Haus am Neumarkt beziehen sollte, in dem heute das Gesundheitsamt untergebracht ist, war für ihre Seidenbänder bekannt. „Wenn man sein Kleid aufpeppen wollte, brauchte man dafür die Seidenbänder“, erzählt Meves. Doch für Jahrzehnte geriet Maria Herz in Vergessenheit. Auch, dass sie Kammermusik und Orchesterwerke komponierte – und das recht erfolgreich in der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen.
Dokumente über Maria Herz im Kölner Stadtarchiv
Wir treffen die Autorin, die dem Leben der vergessenen Komponistin einen Roman gewidmet hat, im neuen Stadtarchiv am Eifelwall. Hier hält sie die Premierenlesung zum historischen Roman „Die Komponistin von Köln“, erschienen im Emons Verlag. Im Stadtarchiv hat Meves intensiv recherchiert und wichtige Dokumente über die Kölner Lebensabschnitte von Maria Herz gefunden.
Da wären die Adressbücher, in denen vermerkt ist, wo sie noch gewohnt hat. Beispielsweise am Sülzgürtel, wo sie von 1914 an gelebt hat, bis sie später als Witwe zu ihrem Bruder, dem Rechtsanwalt Moritz Bing, in die Marienburger Villa ans Oberländer Ufer gezogen ist.
Auch beherbergt das Archiv die Schulunterlagen: „Maria ging auf die evangelische höhere Töchterschule an der Antoniterkirche, die es nicht mehr gibt.“ Das Abitur durfte sie nicht machen, ein Studium aufnehmen erst recht nicht: Und doch nahm sie Musikunterricht bei Max vom Pauer, der am Kölner Konservatorium lehrte.
Familie Bing war vermögend, jüdisch, aber laut Kindheitserinnerung einer Freundin „assimiliert“. Dennoch verließ Maria Herz 1901 mit ihrem Mann Albert Herz Deutschland und ging nach England, weil dieser schon den aufkommenden Antisemitismus zu spüren bekam. Ein unglücklicher Zufall, die Einladung zu einer Hochzeit in Köln, brachte sie 1914 samt dem Nachwuchs zurück nach Köln – und dann brach der Krieg aus und sie konnten nicht zurück.
Als ihr Mann dann 1920 starb, war Maria alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Dass die Pianistin genau in jenen Kölner Jahren fleißig komponierte, im Rundfunk gespielt wurde, ihre klassischen Werke im Gürzenich sowie im damals renommierten Disch-Hotel aufgeführt worden sind, verdankt sie neben ihrem Talent auch einem Trick.
Maria Herz: Rezensenten dachten, sie sei ein Mann
Die Musikerin unterschrieb ihre Kompositionen mit „Albert Maria Herz“, dem Namen ihres verstorbenen Mannes. Manchen Rezensenten war dies nicht bewusst und sie schwärmten regelrecht von „diesem Albert“.
Maria Herz lebte zweifelsohne einen Widerspruch: das Hin- und Hergerissensein zwischen Beruf und Familie ist auch das zentrale Thema von Meves' Roman. Die emotionale Ebene hat die Autorin besonders interessiert: Der große Fundus an originalen Briefen gebe authentische Einblicke in ihre Gefühlswelt, so Meves. Der heute 79-jährige Enkel der Komponistin, Albert Herz, hat den Nachlass im Jahr 2005 an die Zentralbibliothek Zürich übergeben und so zugänglich gemacht.
Drei Jahre hat Meves an dem Buch gearbeitet, für das sie sich einen literarischen Kniff überlegt hat: Sie erfindet Maria Herz‘ beste Freundin Franzi, die Lehrerin wird.
Enkel Albert Herz bewahrte den Nachlass von Maria Herz
„Es sollte lesbar sein, auch unterhaltsam. Und so, dass es nicht nur die Musikwissenschaftler interessiert.“ Maßgeblich an der Wiederentdeckung der Komponistin beteiligt ist ihr Enkel Albert, mit dem Hanka Meves auch viele Gespräche geführt hat. Er war es, der Mitte der 90er Jahre die Haushalte seines Onkels und seiner Tante in Amerika, wo Maria Herz die letzten zwei Jahres ihres Lebens verbrachte, aufgelöst hat.
Doch der große Schatz an Noten und Briefen schlummerte zunächst zwei Jahrzehnte in seiner Wohnung. Erst als er pensioniert wurde, schaute er die Unterlagen durch – und das große Staunen ging los, denn bis dato war ihm nicht bewusst, dass seine Großmutter, der er nur einmal als Zweijähriger begegnet war, komponierte.
„Die Spuren der Komponistin wurden durch die Nazis systematisch vernichtet“, sagt Meves. Neun Jahrzehnte mussten vergehen, damit ein Werk von ihr wieder aufgeführt wurde. 2019 erstmals auch wieder in Köln: an der Musikhochschule.
Hanka Meves, Die Komponistin von Köln, 288 Seiten, Emons Verlag, 14 Euro.