Kurioses HobbyDer Kölner Herr der Wetterpilze
- Klaus Herda ist ein ganz besonderer Pilzsammler.
- Er erfasst online Wetterpilze, jene inzwischen aus der Mode gekommenen Unterstände in Parks.
- Köln ist Wetterpilz-Welthauptstadt und hat eine große Artenvielfalt. Der Experte erklärt, warum die Pilze so berauschend sind.
Köln – Seine erste Pilzerfahrung hatte Klaus Herda 2011 beim Silvesterlauf in der Merheimer Heide. „Das sind wir viermal um den Wetterpilz gelaufen. Und ich dachte: Was sind das eigentlich für Dinger?“ Seitdem sammelt Klaus Herda (53) Pilze, virtuell auf seiner Website.
Etwa 1000 gibt es seiner Schätzung nach in Deutschland, 750 hat er auf seiner Internetseite www.wetterpilze.de erfasst. In Köln hat er 34 gezählt – seiner Statistik nach ist die Stadt damit nicht zuletzt wegen der vielen Grünanlagen die Welthauptstadt der Wetterpilze. Und bietet eine große Artenvielfalt.
Im Nordpark etwa steht ein typischer Betonpilz aus den 1970er Jahren im Stil des Brutalismus – von oben bis unten mit Graffiti bedeckt, auf das bemooste Dach hat jemand ein Feuerzeug geworfen, die hölzerne Sitzumrandung ist schon arg mitgenommen. Kein Zweifel, hier treffen sich Menschen und fühlen sich unter dem Schutz des Pilzes ziemlich frei.
Von dem Anblick könnte man zunächst einmal ernüchtert sein, aber Herda sieht es so: „Die Einstämmigkeit hat etwas Bestimmendes, ungestüm Jugendliches und nach Unendlichkeit Strebendes, während das Dach als begrenzendes, moderierendes und weises Element wie ein Gegenpol fungiert. Das Prinzip solcher zwei aufeinander bezogenen gegensätzlichen Elemente hat schon seit jeher den Menschen zu philosophischen Höhenflügen motiviert oder die Fantasie angeregt.“ Die Pilze hätten einen fast psychedelischen Effekt. Der gelernte Chemiker, der als IT-Fachmann arbeitet, glaubt sogar, eine gewisse Molekülform in den Pilzkonstruktionen zu erkennen.
Der älteste deutsche Nachweis für einen Pilz als Unterstand stammt aus dem Jahr 1795 – die Konstruktion stand im Englischen Garten in München. Vorbild waren wohl die Unterstände in englischen Schlossgärten, nur wurde die Form mit der Zeit stark vereinfacht. Zunächst waren die Pilze aus Holz – doch sie fielen oft Feuerteufeln oder Blitzeinschlägen zum Opfer.
Pilzberg im Blücherpark
In den 1950er Jahren wurden die Dächer der Wetterpilze vielfach in Fliegenpilzfarben angemalt – heute ist die Farbe meistens verblasst, zu erkennen ist das Design noch im Blücherpark. „Die 50er Jahre waren das Fliegenpilz-Jahrzehnt“, sagt Herda. Der Fliegenpilz wurde vor allem in Kinderbüchern und auf Glückwunschkarten vermenschlicht. Diese Niedlichkeit wurde auch auf die großen Pilze übertragen.
Bald wurden im großen Stil Wetterpilze in Beton-Fertigbauweise errichtet – sie waren widerstandsfähiger und pflegeleichter. Unter anderem stehen sie noch heute auf den aufgeschütteten Kriegstrümmerhügeln am Herkulesberg und im Beethovenpark – die Erhebung dort heißt im Volksmund noch heute Pilzberg.
Nach den 1970er Jahren wurden keine neuen Pilze mehr errichtet, so Herdas Recherchen. „Das liegt einfach daran, dass die Parks und Grünanlagen nun belegt waren und keine neuen Flächen mehr hinzukamen.“ Ausnahme könnte der 2014 geschaffene Landschaftspark Belvedere in Müngersdorf werden. Da sei man im Gespräch über ein oder zwei neue Pilze, so Herda.
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Ein Gesamtverzeichnis der Wetterpilze hat die Stadtverwaltung nicht – die Bauten sind wohl irgendwie herrenlos, und es steht nach Herdas Wissen auch kein Exemplar unter Denkmalschutz. Beim Auffinden der Pilze halfen ihm Radler, Wanderer und Heimatforscher. Für Deutschland ist die Recherche weitgehend erledigt.
Außerhalb Deutschlands sind die Pilze vor allem in Polen und der ehemaligen Tschechoslowakei verbreitet. Hier sucht Herda nun weiter und braucht dringend einen Pilz-Fan zum Übersetzen von Meldungen zu Fundorten.
Klar, viele würden ihn fragen, ob er nichts Besseres zu tun habe, sagt Herda. Aber er formuliert es im Wahlspruch seiner Webseite so: „Der Pilz schenkt dir Zeit. Nimm sie dir und setz dich zu ihm.“