Kölner Schulleitungen„Gut, dass wir jetzt selbst über Distanzunterricht entscheiden“
Köln – Kölner Schulleitungen begrüßen die flexibleren Möglichkeiten, in den Schulen je nach Pandemielage den Schulalltag anzupassen. Schulministerin Yvonne Gebauer hatte den Schulen per Erlass gewährt, bei personellen Engpässen oder hohen Infektionszahlen in Lerngruppen nach eigenem Ermessen Anpassungen vorzunehmen. Dies kann zum Beispiel eine reduzierte Wochenstundenzahl, das Aussetzen des Ganztags oder befristeter Distanzunterricht für einzelne Lerngruppen sein.
„Es ist gut, dass wir das jetzt selbst bestimmen können“, konstatiert der Leiter des Deutzer Thusnelda-Gymnasiums, André Szymkowiak. „Der Entscheidungsspielraum bietet Erleichterung.“ Jede Schule vor Ort habe andere Umstände, eine andere Infektionslage und eine andere Schülerklientel. Selbst in den einzelnen Klassen sei die Lage zum Teil völlig unterschiedlich. Mit dem Gießkannenprinzip allen Distanzunterricht zu verordnen, sei nicht sinnvoll. Das fange allein schon damit an, dass in manchen Schulen oder Schulformen oder auch Jahrgangsstufen die Kinder besser mit Distanzunterricht zurechtkommen als in anderen.
Distanzkonzepte sind in Kölner Schulen erprobt
„Mehr Eigenverantwortung und individuelle Konzepte – das haben wir im Grunde seit Beginn der Pandemie gefordert“, pflichtet ihm Christa Dohle, Leiterin der Gesamtschule Holweide, bei. Präsenz ist das Beste für die Schülerinnen und Schüler, da sind sich alle einig. Und um das möglichst vielen zu ermöglichen, seien eben flexible Wege am besten. Das Gute sei ja, dass durch die vorherigen Phasen der Pandemie alle Voraussetzungen für das Distanzlernen geschaffen wurden und man auf erprobte Konzepte zurückgreife, so Szymkowiak. Im Thusnelda-Gymnasium werden die Schülerinnen und Schüler, die in Quarantäne sind, sogar in den Unterricht zugeschaltet.
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Aber bei Lichte betrachtet ermöglicht der Erlass nichts wirklich Neues. Auch schon davor haben Schulleitungen individuell auf die höheren Infektionszahlen reagiert, „weil es einfach punktuell vor Ort gar nicht anders geht“, fasst die Schulleiterin des Dreikönigsgymnasiums, Barbara Wachten, zusammen: Nach Rücksprache mit der Schulaufsicht hat etwa die Katharina-Henoth-Gesamtschule schon vor einer Woche nach einer enorm hohen Zahl von Infektionsfällen den Ganztagsunterricht gestrichen und in der Gesamtschule Holweide wurde nach dem Ausfall des gesamten Lehrerteams des 5. Jahrgangs für einige Tage auf Distanzlernen umgestellt. Denn: Planen war gestern und Flexibilität von Tag zu Tag ist das Gebot der Stunde.
Schulkonferenz muss in Beschluss eingebunden werden
Dabei wirkt es sich für die Schulen vor Ort erschwerend aus, dass sie mitnichten morgens nach Lage der Krankmeldungen aus dem Kollegium flexibel und spontan über geeignete Maßnahmen entscheiden können: Im Erlass des Ministeriums steht, dass vor der Umsetzung die Schulkonferenz in den Beschluss eingebunden werden muss und dann die Schulaufsicht informiert werden muss. „Soll ich morgens um 6 Uhr, wenn klar ist, dass mir noch ein paar Kollegen mehr wegen Infektion ausfallen, digital vor Schulbeginn eine Schulkonferenz abhalten, um Maßnahmen abzustimmen? Das ist nicht praktikabel“, sagt der Leiter der Maternus-Grundschule in Nippes, Stefan Waasem.
Aus ihm spricht die ganze Not, die gerade vor allem an den besonders gebeutelten Grundschulen herrscht. „Wenn eine Lerngruppe durchseucht ist, ist es eben ab einem bestimmten Moment eine vernünftige Entscheidung, nicht mehr nur die positiv getesteten Kinder zu Hause zu lassen.“ Derzeit wisse er angesichts der Ausfälle im Kollegium an manchen Tagen gar nicht, wie er alle Klassen beschulen soll.
Infizierte Kinder rutschen durch – trotz positivem Pooltest
Hinzu kommt das Problem, dass in den Klassen zunehmend gar nicht mehr rauszufinden ist, welches Kind infiziert ist. Das Lollitest-Chaos treibe derzeit besonders Blüten: Wenn der Pooltest montags in einer Klasse positiv ist und alle Kinder mit Unterstützung einen Schnelltest durchführen, sind jetzt schon mehrmals alle Tests negativ gewesen. „Und auch zwei Tage später sind alle noch negativ.“ Dann weiß man, dass mindestens ein infiziertes Kind in der Klasse sitzt, aber die Schnelltests finden es nicht raus. „Das ist eine einzige Katastrophe.“ Und Stress für alle.
Kein Wunder, dass da bei ihm manchmal die Frage aufkommt, was unter diesen widrigen Bedingungen das ganze Testen und der Stress soll. Da ist die Sorge vor dem Schrecken ohne Ende, wenn sich diese belastende Phase noch hinzieht – wo doch eh alle auf dem Zahnfleisch gehen. Falls es so weitergeht, wird es wohl erst aufhören, wenn alle – im Kollegium wie bei den Kindern – eine Infektion hinter sich haben. In manchen Grundschulklassen ist man davon nicht mehr weit entfernt: Bei Nachfragen unter Grundschullehrkräften hört man für einzelne Klassen von Quoten von bis zu 70 Prozent der Kinder, die die Infektion bereits überstanden haben.