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Pornografie im UnterrichtStörer torpedieren Videokonferenzen an Kölner Schulen

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Symbolbild

Köln – Gerade erst haben sich Schüler und Lehrer an den Unterricht im digitalen Klassenzimmer gewöhnt, und dann das: Unbekannte verschaffen sich unter falschem Namen Zutritt zu den Videokonferenzen, stören durch lautes Rufen und Musik, beschimpfen das Lehrpersonal. So geschehen in mehreren Klassen des Leonardo-da-Vinci-Gymnasiums in Nippes. In einem Fall wurde sogar pornographisches Material eingespielt, wie Schulleiter Klaus Kombrink auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigte. Für alle sichtbar seien auf den Bildschirmen plötzlich Bilder von Geschlechtsteilen aufgetaucht.

„Wir haben sofort Anzeige erstattet und Eltern, Lehrer und Schüler über Gegenmaßnahmen informiert“, so Kombrink. Betroffen waren an seiner Schule der Jahrgang sieben und eine sechste Klasse sowie, in einem Fall, die Einführungsstufe. Vor allem in einer siebten Klasse war in der vergangenen Woche an normalen Unterricht kaum noch zu denken. „Es gab praktisch in jedem Meeting eine Störung.“ Ähnliches berichtet auch der Schulleiter der Katharina-Henoth-Gesamtschule in Höhenberg, Martin Süsterhenn. „Das war zum Teil ziemlich übel. Eine Lehrerin wurde beispielsweise beschimpft, sie sei wohl untervögelt. Sie musste den Unterricht abbrechen.“

Hintergrund

Sicher ist Ihnen aufgefallen, dass wir unsere Artikel zum Thema Schule zumeist mit Symbolfotos bebildern. Der Grund dafür sind die streng geschützten Persönlichkeitsrechte von Kindern. Unsere Fotografen dürfen Schüler und Schülerinnen nicht ohne weiteres fotografieren, dafür bedarf es der eindeutigen Zustimmung der Eltern.

Auch Lehrern und Lehrerinnen steht nach dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu, selber darüber zu entscheiden, welche Informationen über ihre Person an die Öffentlichkeit gelangen. Daher steht den Lehrkräften, die bei uns über ihre Situation an den Schulen berichten zu, das anonym zu tun.

Bundesweit sind derartige Vorfälle bekannt

Einzelfälle sind das nicht. Bundesweit häufen sich in den vergangenen Wochen Fälle, in denen Unbekannte digitale Unterrichtsstunden kapern. In einem Newsletter des Leonardo-da-Vinci-Gymnasiums, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, heißt es dazu: „Es existieren Challenges »Wer wagt sich am meisten?«: Stören, Musik spielen lassen, kommentieren, Bilder zeigen. Auch verschiedene Youtuber haben diese Aktivitäten für sich entdeckt und stören auf Bestellung.“

Wie das funktioniert, zeigt etwa ein Film des Youtube-Kanal Y Kollektiv, der Filme junger Journalisten publiziert. Dort berichtete ein Augsburger Youtuber, wie er gezielt Schüler dazu aufrief, ihm Links und Passwörter zu Unterrichtsmeetings zu schicken. Die ließen sich offenbar nicht lange bitten. Mit der Aufforderung „Bitte Stören, Bruder!“ überließen sie ihm nicht nur die gewünschten Zugangsdaten zu Teams, Zoom, Jitsi oder anderen Systemen, sondern auch gleich ganze Unterrichtspläne und Namen von Mitschülern, mit denen sich der 21-Jährige Zugang verschaffte. Mittlerweile hat ihm die Polizei das Handwerk gelegt.

Schüler sollen Daten weitergegeben haben

Auch Schulleiter Kombrink geht davon aus, dass es einzelne Schüler seines Gymnasiums waren, die die entsprechenden Daten weitergegeben haben. So habe in einem Fall eine Lehrerin gerade die Anwesenheitsliste überprüft und festgestellt, welcher Schüler fehlte. „Nur zwei Minuten später hat sich ein unberechtigter Teilnehmer unter diesem Namen eingewählt. Da war der Zusammenhang schon sehr deutlich." Wer die Störer sind, ob tatsächlich ein Externer oder einfach nur ein Kumpel aus der Nebenklasse, weiß er allerdings nicht.

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Wichtig ist ihm aber die Feststellung: Zwischen den Störungen mit Musik oder Kommentaren und denen durch pornographisches Material muss unterschieden werden. „Das eine ist eine normale Störung des Unterrichts, nur eben mit anderen Mitteln, bei letzterem handelt es sich dagegen um eine Straftat.“

Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr möglich

Die Polizei warnt denn auch eindringlich vor der Verbreitung pornografischen Materials in Videokonferenzen. „Wer das tut, bewegt sich im Bereich des Anfangsverdachts einer Straftat“, sagt Polizeisprecher Thomas Held. Geregelt ist das im Strafgesetzbuch, Paragraf 184: Wer anderen, noch dazu Minderjährigen, pornografische Inhalte zukommen lässt, ohne von ihnen dazu aufgefordert worden zu sein, den erwartet eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Entsprechende Taten sollten daher immer zur Anzeige gebracht werden.

Grundsätzlich liege die Verantwortung für die Administration eines Video-Meetings bei den Lehrerinnen und Lehrern, betont Held. Die Polizei empfiehlt, Schülern zunächst mit einem starken Passwort nur Zugang zu einem Warteraum zu geben, von dem aus die eigentliche Sitzung erst durch explizite Zulassung durch den Lehrer erreicht werden kann. Zumindest in vielen Fällen gelangen die Störer dann – auch wenn sie den Link sowie das Passwort der Konferenz kennen – nicht über den Warteraum hinaus.

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Wie viele Schulen in Köln Erfahrungen mit Störern gemacht haben, ist unklar. Bei der Bezirksregierung Köln gibt es derzeit noch keine tieferen Kenntnisse über das Phänomen: „Der Bezirksregierung Köln ist bekannt, dass es solche Probleme wohl gibt“, sagt Pressesprecherin Vanessa Nolte. „Schulen aus dem Kölner Regierungsbezirk haben sich allerdings diesbezüglich noch nicht an uns gewandt.“ Auch bei der Stadtschulpflegschaft ist das Thema bislang erst vereinzelt aufgeschlagen. Deren Vorsitzender Gerhard Jansen fordert, dass nun endlich alle Lehrer und Schüler mit schuleigenen Laptops ausgestattet werden müssen. „Wenn alle Beteiligten ausschließlich über ein internes System ähnlich dem Intranet kommunizieren, haben zumindest externe Störer keinen Zutritt mehr.“