Kölner Schulen und das Virus„Wir befinden uns gerade auf einer Rasierklinge“
- Masken, Abstand und immer wieder Lüften – nach den Herbstferien sehen sich die Schulen mit steigenden Infektionszahlen konfrontiert.
- Wie es in den kommenden Wochen weitergeht, ist völlig unklar. Wie gehen Lehrer, Schüler und Eltern damit um?
- Wir haben uns in den Kölner Schulen umgeschaut und umgehört. Ein Lagebericht.
Köln – Haben Sie schon einmal versucht, mit einer Maske Fremdsprachen zu lernen? Tausende von Schülern und Schülerinnen müssen das nach den Herbstferien jetzt wieder tun. „So, wie wir gerade unterrichten, können die Kinder nicht vernünftig lernen“, sagt Isabel Jung, Englischlehrerin an einem Kölner Gymnasium. Die Fenster stehen offen, nebenan unterrichtet ein lauter Kollege bei ebenfalls weit geöffneten Fenstern – und eine Baustelle ist auch noch vor der Schule. Wenn sich dann unter der Maske noch ein schüchterner Schüler verbirgt, wird es schwierig: „Ich frage viermal »Can you say it again?«, weil ich nichts verstehe. Und beim fünften Mal sage ich dann einfach »that sounds good« – das klingt gut.“
Die Lehrerin betont, dass sie die Maskenpflicht an Schulen sehr sinnvoll findet. Aber „die engagierten Lehrkräfte krochen schon vor den Ferien auf dem Zahnfleisch, weil die Unterrichtssituation so einfach nicht mehr zu managen ist“.Schule in Zeiten der zweiten Welle – das ist für alle schwierig: Lehrer, Schüler und Eltern. Denn die Zeit der Schulschließungen ist noch sehr präsent. Und wohl niemand möchte das gerne noch mal erleben. So wird auch Schulministerin Yvonne Gebauer nicht müde zu betonen, dass Schulschließungen das letzte Mittel sein müssten. Doch gleichzeitig ist da die große Unsicherheit wegen der steigenden Infektionszahlen.
„Wir befinden uns gerade auf einer Rasierklinge“
Nach seinem Gefühl zum Schulstart nach den Herbstferien gefragt, sagt der Schulleiter eines Kölner Gymnasiums, Klaus Kombrinck: „Wir befinden uns gerade auf einer Rasierklinge; keiner weiß, wie es weitergeht. Ich komme jetzt jeden Tag mit ein bisschen Bauchschmerzen in die Schule, einfach, weil wir in einem Umfeld arbeiten, in dem natürlich sehr viele Menschen beisammen sind.“
Mit Bauchschmerzen kommt auch Andreas Niessen nach den Herbstferien in die Schule. Den Kölner Gesamtschul-Leiter ärgert das „strikte Festhalten der Landesregierung an einer wie auch immer gearteten Normalität“. Denn das steht seiner Meinung nach im Gegensatz zu den Mahnungen der Kölner Oberbürgermeisterin zu Vorsicht und Distanz, die er richtig und nachvollziehbar findet. „Präsenzbetrieb mit vollen Klassen scheint weiterhin das Maß aller Dinge zu sein“, sagt er. Dabei werde dadurch eine planvolle Vorbereitung auf immer wahrscheinlicher werdende (Teil-) Schließungen eher verhindert.
Schulen brauchen dringend mehr Lehrkräfte
Was den Schulen helfen könnte? Sie bräuchten dringend mehr Lehrkräfte oder wenigstens Studierende zur Unterstützung, sagt die Lehrerin Isabel Jung. Denn nur so könnten die Klassen halbiert werden, um endlich wieder sinnvoll unterrichten zu können.
Schulleiter Klaus Kombrinck antwortet ebenfalls auf diese Frage: „Zusätzliche Mittel, um Vertretungspersonal einzustellen“. Die Kollegen, die zur Risikogruppe gehören, könnten zwar Distanzunterricht anbieten. „Aber ich kann ja nicht einfach einen Siebtklässler in der dritten und vierten Stunde nach Hause schicken, um da eine Videokonferenz zu machen.“
Schulministerin Yvonne Gebauer scharf kritisiert
Den Umgang der Landesregierung mit der „ohnehin prekären personellen Situation“ an vielen Schulen findet auch Gesamtschul-Leiter Andreas Niessen ärgerlich. Es sei unverantwortlich, „jetzt so zu tun, als könne alles mit Vertretungsunterricht“ geregelt werden – also Mehrarbeit von ohnehin schon hoch belasteten Lehrkräften“. Und dass es im Kollegium in den kommenden Wochen und Monaten zu mehr Fehlzeiten wegen Corona kommen wird – da ist sich der Schulleiter ziemlich sicher.
Auch die Landeselternschaft der Gymnasien in NRW kritisiert die Schulministerin Yvonne Gebauer scharf: „Wir riskieren nun hohe Krankheitsstände unter Schülern und Lehrern, weil wieder einmal die Vorausplanung nicht angegangen wurde“, heißt es in einer Mitteilung. Und Franz-Josef Kahlen vom Vorstand der Landeselternschaft der Gymnasien sagt: „In anderen Bundesländern werden andere Konzepte diskutiert, darunter Schichtbetrieb und Samstagsunterricht. Auch wir in NRW werden hierüber sprechen müssen.“ Falls die Ministerin auf die Digitalisierung setze, sei auch das für diesen Herbst und Winter ein Luftschloss, so die Landeselternschaft: „Der Bedarf an Geräten alleine in NRW lässt sich nicht so kurzfristig decken.“
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Wie ist mit dem Virus also am besten umzugehen? In der allgemeinen Ratlosigkeit scheint wenigstens eins fest zu stehen: lüften, lüften, lüften. Das mussten auch die Schüler erfahren, die teilweise mit Winterjacken im Unterricht saßen, weil die Lehrkräfte auf Nummer Sicher gehen wollten.Um die Schulen beim richtigen Lüften zu unterstützen schafft die Stadt Köln unter anderem „CO2-Ampeln“ an, die signalisieren, wann die Fenster wieder geöffnet werden müssen (oder auch mal geschlossen werden dürfen).Außerdem hat Schulministerin Yvonne Gebauer gerade 50 Millionen Euro für mobile Lüfter zur Verfügung gestellt. Doch zum großen Erstaunen von Schulleiter Klaus Kombrinck rät das Kölner Gesundheitsamt in einer Mail dringend von solchen Lüftern ab, erzählt er. Dabei könnte er sie ganz gut gebrauchen: „Wir haben beispielsweise zwei Kellerräume, wo so ein Lüftungsgerät sicherlich von Vorteil wäre“.
Einfach das Fenster auf und fertig – so leicht ist das Lüften an vielen älteren Schulen eben nicht. „Wir haben einen Altbau von 1904 und können manche Fenster aus Unfallschutz-Gründen gar nicht öffnen, weil sie viel zu tief sind. Wer weiß, wer da lang läuft und womöglich heraus stürzt.“ In so einem Fall könnte Lüften am Ende gefährlicher sein als das Coronavirus selbst.
Die Herbstferien als natürliche Quarantäne
Die Herbstferien haben wie eine natürliche Quarantäne gewirkt, sagt der Leiter des Kölner Gesundheitsamtes Johannes Nießen und mahnt zur Vorsicht nach dem Schulstart. In Köln will man nun auch aktiv mit sogenannten Rachen-Spülproben an den Schulen testen, an denen es Corona-Fälle gibt.
In der allgemeinen Verunsicherung verbreitet die Leiterin des Kölner Amts für Schulentwicklung, Anne Lena Ritter, Zuversicht: „Die Schulen haben sich in den letzten Monaten gut aufgestellt und können stolz darauf sein, was sie in kurzer Zeit mit ihrem Team bewegt und geleistet haben. Und stolz darauf, dass sie auch weiterhin keine Hotspots sind.“