Kölner Student berichtet„Nach den Prüfungen habe ich mich mit Crystal Meth belohnt“
Crystal Meth boomt in Köln: Seit Jahresbeginn zieht der Zoll die Droge vermehrt aus dem Verkehr. Ein Drogenfahnder sagt: „Früher waren wir bei harten Drogen im Grammbereich, heute reden wir oft über Kilos.“
Der Kölner und angehende Jurist Daniel (Name geändert) nimmt Crystal. Er erzählt von seinem Hochgefühl – und den Schattenseiten.Dieser Text ist erstmals am 10. Mai 2022 erschienen.
Es ist versteckt in Haargeldosen, in Ladekabeln oder neuerdings auch immer häufiger eingearbeitet in die Pappe herkömmlicher Pakete, in denen Kleidung oder andere unverdächtige Waren verschickt werden. Seit Jahresbeginn zieht der Zoll in Köln vermehrt Crystal Meth aus dem Verkehr, vor allem am Flughafen.
Genaue Zahlen will die Behörde erst Ende Mai mit ihrer Jahresbilanz verkünden, aber schon jetzt steht fest: War die sichergestellte Menge an Crystal Meth in den beiden vergangenen Jahren stabil, so steigt sie seit einigen Monaten deutlich an. Auffällig sei, dass die geschmuggelten Mengen pro Aufgriff immer größer würden, verrät ein Drogenfahnder. „Früher waren wir bei harten Drogen im Grammbereich, heute reden wir oft über Kilos.“
Daniel aus Köln konsumiert regelmäßig Crystal Meth
Daniel (Name geändert) hat Crystal Meth mit 24 Jahren zum ersten Mal geraucht, erzählt er, als der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Juristen vor einer Weile zum Gespräch trifft. In den vergangenen vier Jahren habe er 20- oder 30-mal Crystal Meth konsumiert, sagt er. Daniel ist 28 Jahre alt, gut aussehend, schwul. Er hat im Ruhrgebiet Jura studiert, mit dem zweiten Staatsexamen abgeschlossen und lebt jetzt in Köln. Daniel will Anwalt werden. „Staatsanwalt wäre bei meiner Geschichte vielleicht ein bisschen problematisch“, sagt er und lacht.
Kaum ein anderes Rauschgift schlägt im menschlichen Körper so durch wie das synthetische Metamphetamin. Crystal Meth ist billig, wirkt heftiger und länger als zum Beispiel Amphetamin und macht schneller abhängig, heißt es. Crystal zielt auf das Lustzentrum des Gehirns, es setzt Sturzfluten von Dopamin frei, sogenannte Glückshormone. Wer es schnupft, raucht oder spritzt, kann 60 oder 70 Stunden wach bleiben, tanzen, Sex haben.
Aber die Folgen regelmäßigen, massiven Konsums sind extrem: Crystal Meth hemmt den Speichelfluss, verursacht Karies, löst heftige Kreislaufstörungen aus, verursacht Magenschmerzen, Hirnblutungen und Schlaganfälle. Haare und Zähne fallen aus. Der körperliche Verfall ist rasant. Weil die Konsumenten beim Sniefen vor allem das heftige Stechen in der Nase lieben, werde schlechtes Crystal schon mal mit feinsten Glassplittern versetzt, um das Gefühl zu imitieren, heißt es in der Szene.
Viele illegale Labore in den Niederlanden
In Kölns Schwulenszene sei Crystal beliebt, erzählt Daniel. Für die meisten sei es eine reine Sexdroge. Auch für ihn. „Ich nehme das, um mich bei meinem Gegenüber geborgen zu fühlen. Ich kann das ohne die Droge leider nicht. Schon nach ein, zwei Zügen fühle ich mich weich, nicht mehr ängstlich, fast wie ein Kleinkind. Alles ist perfekt, man ist total entspannt, spürt keine Sorgen.“
Als Crystal Meth vor etwa zehn Jahren in Deutschland populär wurde, was auch am damaligen Erfolg der US-Fernsehserie „Breaking Bad“ gelegen haben dürfte, wurde es zunächst in Bayern, Thüringen und Sachsen zum Problem; das lag an der Nähe zu Tschechien, wo die hochgiftigen Kristalle in illegalen Labors hergestellt wurden. Inzwischen aber ist Crystal längst bundesweit im Umlauf. Laut Europol sind die Niederlande auf dem Weg, Tschechien als größte Crystal-Meth-Produktionsstätte in Europa abzulösen. „Wir wissen, dass Crystal-Meth-Köche aus Osteuropa inzwischen von illegalen Laboren in den Niederlanden regelrecht abgeworben werden“, berichtet Jens Ahland, Sprecher des Hauptzollamts Köln.
Die gesundheitlichen Folgen beim Konsum von Crystal Meth seien unkalkulierbar, warnen Drogenberater. Auch Daniel, den das Rauschmittel vordergründig entspannt und ihm seine Hemmungen nimmt, kennt die Schattenseiten. Was Tage nach dem Konsum folgt, wenn die Wirkung längst nachgelassen hat, nennt Daniel einen heftigen Psychokater. „Ich bin drei Tage lang wahnsinnig schlecht drauf und schwöre mir, das Zeug nie wieder zu nehmen. Das kostet mich jedes Mal eine Woche meines Lebens.“
Aber bisher ist er immer wieder schwach geworden. Süchtig sei er nicht, sagt er, ein Gelegenheitskonsument eben. „Ich kann auch ablehnen, habe während der Examenszeit nie was genommen. Aber nach den Prüfungen habe ich mich belohnt.“ Der 28-Jährige glaubt, die Gefahr kalkulieren zu können. „Wer Motorrad fährt“, sagt er, „hat auch schon genug Kreuze auf der Straße gesehen – und fährt trotzdem bei Regen.“
Dieser Text ist erstmals am 10. Mai 2022 erschienen.