Streit um Kölner Open-Air-Location„Es wird alles vom Schreibtisch aus entschieden“
- Nachdem die Open-Air-Location Südbrücke im Jahr 2021 von der Stadt noch ausdrücklich begrüßt wurde, folgte im Frühjahr der Schock.
- Die Verwaltung erklärte den Ort für nicht genehmigungsfähig, das gesamte Sommerprogramm drohte zu platzen.
- Im Interview sprechen die Veranstalter über die Gründe für das zwischenzeitliche Scheitern, darüber, wie sie mit der Stadt doch noch eine Einigung erzielen konnten und erklären, warum es doch noch Hoffnung auf eine langfristige Nutzung gibt.
Köln – Was ist die „Südbrücke“ für ein Ort?Boris Witschke: Die Südbrücke soll ein Ort für die Kölner sein, für die Poller. Wir machen hier ja nicht nur Unterhaltung, sondern sehen die Südbrücke auch als Nachhaltigkeitsprojekt, sowohl ökologisch als auch sozial. Wir betreiben hier Gemeinschaftsgärten, bei uns wirken Langzeitarbeitslose mit, Menschen ohne festen Wohnsitz, die wieder eingegliedert werden. Durch die Genehmigungsproblematik standen die Kulturveranstaltungen zuletzt in der Öffentlichkeit sehr im Fokus. Dabei ist das nur ein Teil des Projektes.
Im letzten Jahr hatte die Stadt Köln sehr kurzfristig eine Spielerlaubnis für zwei Monate erteilt. Den Bauantrag für eine dreijährige Nutzung erklärte die Verwaltung dieses Jahr dann aber als „nicht genehmigungsfähig“. Wann wurde Ihnen das rückgemeldet?
Linda Schulze: Für uns kam das sehr überraschend, weil wir dieses Signal bis zum Frühjahr überhaupt nicht hatten. Wir hatten im Winter sogar noch ein Winterfestival geplant, das wir dann wegen der verschärften Corona-Lage selbst abgesagt haben. Aber auch da kam nie die Aussage, wir wären nicht genehmigungsfähig.
Zur Person und zum Ort
Die „Südbrücke“ wird von einem Kollektiv betrieben, das aus rund 15 Leuten besteht. Linda Schulze übernimmt die Geschäftsführung, Boris Witschke die Prokura. Beide sind schon lange im Kultur- und Veranstaltungsbetrieb tätig, arbeiteten bereits im „Heinz Gaul“ oder der „Papierfabrik“ zusammen.
Auf dem Gelände der „Südbrücke“ der Alfred-Schütte-Allee befand sich vorher die „Poller Strandbar“. 2021 bekam die „Südbrücke“ von der Stadt kurzfristig eine Spielerlaubnis für zwei Monate. Im Frühjahr 2022 wurde die Location überraschend als „nicht genehmigungsfähig“ eingestuft. Ende Juli kam dann die Wende: Die Stadt erteilte die Genehmigung für einige Veranstaltungsblöcke im Spätsommer. (awe)
Als Gründe nannte die Stadtverwaltung unter anderem Lärmbeschwerden und eine vor Ort ansässige Zauneidechse.
Witschke: Wir messen jedes Mal, wie vorgeschrieben, unsere Lautstärke-Emissionswerte. Wir sind immer innerhalb der Werte geblieben, uns haben keine Beschwerden erreicht.
Schulze: Die Eidechse ist tatsächlich das Hauptproblem, sie hat sich hier über Jahre angesiedelt. Uns ist wichtig zu sagen, dass uns das nicht egal ist, wir wollen die nicht vertreiben oder gefährden. Im Gegenteil, es wurden extra Gebiete geschaffen, in denen sich die Eidechse wohlfühlen und fortpflanzen kann. Die betreten wir auch nicht. Über Korridore kann sie sich selbst dorthin umsiedeln.
Witschke: Dabei hatten wir Unterstützung von einer Diplom-Biologin. Nach diesen ganzen Arbeiten hat die Stadt aber gar kein neues Gutachten zu den Eidechsen erstellen lassen. 2021 war der Betrieb ja auch möglich. Dass es eine „Nicht-Genehmigungsfähigkeit“ aufgrund von Artenschutz gibt, stimmt also nicht. Wir haben schon letztes Jahr unsere ganze Planung nach der Eidechse ausgerichtet.
Wie haben Sie auf die Absage der Stadt reagiert?
Schulze: Wir haben versucht, sofort das Gespräch zu suchen. Aber es war lange Zeit schwierig, überhaupt an eine Ansprechperson zu kommen. Im Frühjahr hat man uns einen Gesprächstermin am 16. August angeboten. Da ist der Sommer gelaufen. Erst mit der Öffentlichkeit ging es plötzlich schneller. Dann hat sich auch etwas getan.
Witschke: Das Ganze war für uns nicht greifbar. Wir wollten uns immer gesprächsbereit zeigen, haben aber auch einen Anwalt eingeschaltet, der eher als Moderator aufgetreten ist.
Schulze: Ich hätte mir gewünscht, dass sich jemand aus der Verwaltung das hier mal vor Ort angeguckt hätte, bevor entschieden wird. Um vielleicht auch eine kreative Lösung zu finden. Aber es wird alles nur vom Schreibtisch aus entschieden.
Witschke: Wobei Herr Wolfgramm [Umweltdezernent der Stadt Köln, Anm. d. Red.] sofort gekommen ist, als wir ihn kontaktiert haben.
Wie liefen die Gespräche mit der Verwaltung dann ab?
Witschke: Als wir erstmal im Gespräch waren, hatten wir den Eindruck, dass die Stadt uns sehr unterstützt hat. Da haben beide Seiten lösungsorientiert zusammengearbeitet. Wir wissen auch, dass die Verwaltung ihre Abläufe hat, die Zeit kosten. Trotzdem war es für uns sehr schwierig, innerhalb von drei Wochen das Restprogramm für den Sommer zu organisieren. Das macht man nur, wenn man auch die Hoffnung auf eine längerfristige Genehmigung hat. Sonst ist das Harakiri.
Die Südbrücke hat also Zukunft?
Witschke: Nach den guten Gesprächen haben wir Hoffnung. Es ist klar, dass das hier kein Ort für immer ist. Aber vielleicht zumindest für ein paar Jahre. Zunächst wollen wir frühzeitig eine Lösung für nächstes Jahr finden. Wenn das gesichert ist, können wir an der langfristigen Nutzung arbeiten. Wir haben positive Signale erhalten, dass dieser Ablauf auch im Sinne der Verwaltung ist.
Ende Juli kam von der Stadt dann das Go für einige Veranstaltungsblöcke bis in den Spätsommer hinein. Wie lief danach die Veranstaltungsplanung?
Schulze: Viele Veranstaltungen waren ja bereits abgesagt. Sehr tolle Termine. Flohmärkte, Tagesfestivals. Wir hatten auch einen laufenden Biergarten-Betrieb geplant. Und dann sitzen wir hier am Ende alleine, dürfen keine Gäste haben. Das war schon bitter. Wir haben dann geschaut, welche Termine wir noch nach hinten verschieben können.
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Witschke: Das war auch für die gesamte Crew sehr schwierig. Die Vorstellung, die ganze Arbeit am Ende für gar nichts gemacht zu haben. Wenn man nach einer Veranstaltung dann lächelnde Gesichter sieht, weiß man wieder, wofür man es gemacht hat. Wir haben an diesem Wochenende jetzt noch das Kölner Weinfest. Das ist denke ich eine schöne Veranstaltung für die breite Stadtgesellschaft.
Dass Köln eine Open-Air-Spielfläche braucht, fordert selbst der Stadtrat. Warum ist es so schwierig, einen derartigen Ort zu etablieren?
Witschke: Köln ist sehr dicht besiedelt. Ich suche seit 30 Jahren immer wieder nach Orten, die sich für eine Zwischennutzung eignen. Wenn es dann mal Orte gibt, ist es wichtig, dass es einen Gesprächskanal zur Verwaltung gibt, um das möglich zu machen. Sonst kann man nichts entwickeln. Das kann nicht immer der 08/15-Weg oder ein nach schwarz und weiß beurteilendes Baugesetz. Das ist schwierig für die Verwaltung, klar – aber es muss eine Sensibilität für Grautöne geben. Kultur ist ein wichtiger weicher Wirtschaftsfaktor für die Stadt. Köln muss attraktiv bleiben für Kreative und für Fachkräfte. Für die ist es ein wichtiger Entscheidungsfaktor für eine Stadt, wenn es solche Orte gibt.