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Ehrenamt bei Kölner Tafel„Ich habe als Studentin Vorteile und will etwas zurückgeben“

Lesezeit 6 Minuten

Köln – Rund 600 Kilogramm Lebensmittel hat Desiree Schmitz an ihrem heutigen Einsatztag in den Transporter der Kölner Tafel verladen. Und wieder ausgeladen. Ein Knochenjob, den die Kölnerin ehrenamtlich, neben Job und Studium, ausübt. Jeden Dienstag steht die 22-Jährige um 6 Uhr auf und macht sich auf den Weg zum Lebensmittellager der Tafel, das etwas außerhalb in Rodenkirchen liegt. „Ich bin gar kein Morgenmensch und muss sagen, um 6 Uhr aufstehen ist eine Hausnummer für mich. Aber das ist es für mich absolut wert“, erzählt Desiree Schmitz.

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Die 22-jährige Studentin engagiert sich ehrenamtlich für die Kölner Tafel.

Sie studiert Personalmanagement im Master, dass es sich dabei um ein Fernstudium handelt, macht es für sie leichter, sich zu engagieren. Ihre Hilfe wird dringend gebraucht, durch die Inflation und steigenden Energiepreise wächst die finanzielle Not bei vielen Menschen. Die Kölner Tafel merkt das unmittelbar:. „Wir können den Andrang kaum noch bewältigen“, sagte die Vereinsvorsitzende Karin Fürhaupter im August dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Flughafen Köln/Bonn spendet jeden Monat an die Kölner Tafel

Auf dem Gelände ist schon einiges los, die Transporter müssen ab 8 Uhr mit leeren Kisten und schon vorhandenen Lebensmitteln aus dem Lager beladen werden. Hier lagern nicht nur Lebensmittel vom Vortag, sondern auch Kisten voll Hygieneartikel. Rund eine halbe Tonne original verpackte Deos, Parfums und Duschgels spendet der Flughafen Köln/Bonn jeden Monat an die Kölner Tafel. Sie wurden zuvor den Passagieren bei der Sicherheitskontrolle abgenommen.

Aktuell engagieren sich ungefähr 120 Ehrenamtliche im Fahrdienst der Kölner Tafel. Ohne sie würden viele Lebensmittel die Ausgabestellen in Köln gar nicht erreichen. Denn festangestellte Arbeitende gibt es in Köln nur eine Hand voll.

Junge Kölner im Ehrenamt

Die Stadt Köln geht von einer Gesamtzahl von 220.000 ehrenamtlich engagierten Menschen aus. Hier übernimmt eine Vermittlungsagentur die Arbeit, wenn Menschen nach einem Ehrenamt suchen. Zahlen für junge ehrenamtliche Menschen werden nicht erhoben, da sich vor allem Studierende oft nur temporär engagierten, so eine Stellungnahme der Stadt.

Trotzdem lässt sich für jungen Menschen ein klarer Trend erkennen, so die Aussage der Agentur: „Man kann sagen, dass insbesondere junge Menschen sich gerne projektbezogen engagieren. Aufgrund von Studium, Vollzeitbeschäftigung und Schule möchten sich junge Menschen gerne vorwiegend zeitlich befristet engagieren. Ganz besonders hoch ist die Engagement-Bereitschaft in akuten Krisenzeiten: in Kriegssituationen, bei der Unterstützung beim Ankommen Geflüchteter, Hochwasser oder der Pandemie.“

Deutschlandweit engagieren sich 42 Prozent der 14- bis 29-Jährigen ehrenamtlich. Laut Daten der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt arbeiten die meisten jungen Menschen, 16 Prozent, im sportlichen Bereich ehrenamtlich. Gefolgt von Musik und Kultur mit 9,5 Prozent und Kirche und im religiösen Bereich mit 7 Prozent. Im sozialen Bereich, zu dem die Tafel auch gehört, engagieren sich 6,6 Prozent der jungen Menschen.

Desiree Schmitz und ihr Partner, der nicht möchte, dass sein Name hier erwähnt wird, sind mittlerweile in eingespieltes Team: Er fährt den Transporter, sie holt die Kisten mit den gespendeten Lebensmitteln, er lädt sie ein, sie dokumentiert die Menge.

Desiree Schmitz ist begeistert vom Ehrenamt bei der Kölner Tafel: „Der Lebensmitteltransport bei der Tafel ist genau das richtige für mich. Denn viele andere soziale Ehrenämter, zum Beispiel das Kinderhospiz, haben eine starke emotionale Bindung und das habe ich mir nicht zugetraut.“

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Rund 600 Kilogramm Lebensmittel hat Desiree Schmitz am heutigen Dienstag in den Transporter der Kölner Tafel verladen.

Mithilfe der Ehrenamtlichen werden nach Informationen er Kölner Tafel aktuell 43 Lebensmittelausgabestellen, 15 Jugendeinrichtungen in sozialen Brennpunkten, vier Einrichtungen für Frauen und zwei Suppenküchen beliefert. Hinzu kommen immer wieder Kontakt- und Beratungsstellen für Menschen in schwierigen Lebenslagen.

Nächster Supermarkt auf der Route von Schmitz und ihrem Partner: ein Rewe am Salierring. Desiree Schmitz weiß genau, worauf sie beim Umpacken achten muss: „Wir achten bei den Lebensmitteln darauf, dass die Ware in einem guten Zustand ist. Das Mindesthaltbarkeitsdatum sollte noch nicht überschritten sein und frische Ware darf auf keinen Fall schimmeln.“

Junge Kölner im Ehrenamt: „Ich habe als Studentin Vorteile und wollte etwas zurückgeben“

Während der Fahrer Gas gibt zum nächsten Supermarkt, füllt Desiree Schmitz am Tablet die Menge aus, die sie gerade eingeladen haben. „Für die Statistik“, sagt die Kölnerin und lacht. In den Kisten sieht es meistens gar nicht so viel aus, aber allein in diesen sechs Kisten von Rewe befanden sich schon 25 Kilogramm Gemüse, 10 Kilogramm Molkereiprodukte und 20 Kilogramm Backwaren.

Zur Serie „Junges Köln“

Studieren, arbeiten, feiern und lieben: Köln ist ein Magnet für Menschen zwischen 20 und 35 Jahren, die das und mehr hier erleben wollen. Jedes Jahr ziehen Tausende in die Stadt, auf der Suche nach Abenteuer – und einem neuen Zuhause. Aber: Wie sieht ihre Lebensrealität wirklich aus? In unserer neuen Serie „Junges Köln“ wollen wir den Blick auf junge Kölnerinnen und Kölner lenken und davon erzählen, was sie bewegt. So sind wir etwa in der Technoszene unterwegs, versuchen zu erkunden, was die Faszination ausmacht. Oder begleiten Singles beim Dating auf der Suche nach der wahren Liebe.

Desiree Schmitz achtet nach eigener Aussage auch in ihrem privaten Umfeld darauf, dass es allen gut geht. Deshalb wollte sie auch Anderen helfen: „Es hat mich schon sehr bewegt, dass die Krisen immer mehr werden. Ich habe als Studentin einige Vorteile und wollte unbedingt etwas zurückgeben. Natürlich hätte ich mir auch einen zweiten Job suchen können oder die Stunden in meinem aktuellen Job aufstocken, aber ich wollte bewusst etwas Gutes tun.“

Desiree Schmitz: „Keine Lebensmittel sollen zurückbleiben“

Insgesamt fahren Desiree Schmitz und ihr Partner an diesem Vormittag fünf Supermärkte und Lager für Lebensmittel an. Die nächste Station ist die Lebensmittel-Ausgabestelle in Chorweiler. Ein bisschen Platz wäre im Fahrzeug noch frei. „Die Transporter von Kollegen waren auch schon oft zu klein, ich habe das zum Glück noch nicht erlebt.“ Wenn Ware in den Supermärkten zurückbleiben muss, würde ein anderes Team geschickt werden, um den Rest einzusammeln. „Keine Lebensmittel sollen zurückbleiben“, sagt Desiree Schmitz.

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Studentin Desiree Schmitz möchte mit ihrem Ehrenamt bedürftigen Menschen etwas zurück geben.

Angekommen an der Lebensmittel-Ausgabestelle Chorweiler. Kaum sehen die Helfenden an der Ausgabe das Fahrzeug mit dem Tafel-Schriftzug, stehen sie schon parat, um beim Ausräumen zu helfen. „Hier wird man wirklich überrannt von Helfern“, lacht Desiree Schmitz.

Nach einer Mittagspause folgt die Nachmittagsrunde. Allerletzte Station ist ein letzter Supermarkt, bevor es dann zurück zum Lebensmittellager in Rodenkirchen geht. Die Ehrenamtlichen laden hier die Lebensmittel aus, die dann am nächsten Tag zu einer Ausgabestelle mitgenommen werden.

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Zu guter Letzt wird der Transporter geputzt und von Lebensmittelresten befreit. Um 16 Uhr kommt Desiree Schmitz erschöpft zu Hause an: „Am Ende des Tages weiß man schon, was man gemacht hat. Die meisten Kisten sind relativ schwer. Zu Hause bin ich dann meistens müde und habe Muskelkater in den Armen. Trotzdem bin ich glücklich, weil ich weiß, dass es für einen guten Zweck war.“

Ob sie das Ehrenamt bei der Tafel nach ihrem Studium weitermachen kann, weiß die 22-Jährige noch nicht. In einem Vollzeitjob sieht sie aktuell nicht die Möglichkeiten, sich einen ganzen Tag dafür freizunehmen. Da ihr Masterstudium noch zwei Jahre dauert, will sie sich erst später darüber Gedanken machen und bis da hin weiter für die Tafel Lebensmittel einsammeln.


Zur Serie „Junges Köln“

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