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„Am Kronleuchter hängen wir nicht immer“Kölner Theaterchefin schreibt Roman aus Trude Herrs Sicht

Lesezeit 4 Minuten
Marina Barth mit ihrem Roman im Klüngelpütz-Theater.

Marina Barth hat einen Roman aus der Sicht von Trude Herr geschrieben.

Die Recherchen zu ihrem Buch haben Marina Barth dazu gebracht, ihre Einstellung gegenüber der Schauspielerin zu korrigieren.

Kein Zitat sei treffender gewesen als jenes aus ihrem letzten Fernsehinterview: „Am Kronleuchter hängen wir nicht immer.“ Das antwortete Trude Herr 1988 in der TV-Show „Na siehste!“ auf Günther Jauchs Frage, wie die Stimmung in ihrer neuen Heimat Fidschi sei. Das Leben der Kölner Schauspielerin war, so erfolgreich ihre Karriere auch lief, nicht nur von Höhepunkten gekennzeichnet. „Sie war sehr einsam, sehr misstrauisch und wurde von vielen ausgenutzt“, sagt Marina Barth. Die Autorin, Kabarettistin und Theaterchefin des Klüngelpütz hat einen Roman aus der Sicht von Trude Herr geschrieben, „Am Kronleuchter hängen wir nicht immer – Wie Trude Herr die Welt sah“ erschien am Freitag im Emons Verlag.

Trude Herr frühe 1960er Jahre

Trude Herr in den frühen 1960ern

„Ich habe mich im gesamten Buch so nah wie möglich an der Realität aufgehalten“, sagt Barth. Originalzitate, immer kursiv gedruckt, sollen die Künstlerin so zeigen, wie sie war. Nur einige wenige Lücken in der Dokumentation ihres Lebens habe sie selbst füllen müssen. Rund acht Monate habe sie dafür intensiv recherchiert, im Archiv der theaterwissenschaftlichen Sammlung, in alten Zeitungsartikeln, im Archiv der Agentur Ahrens – Firmengründer Hermann Ahrens war Trude Herrs Manager – und in Gesprächen mit Zeitzeugen. Darunter waren etwa Schauspielkollegen und die Nachlassverwalterin von Trude Herr. „Mir sind auch sehr viele Leute begegnet, die sie wirklich verehrt haben und bis heute verehren. Das Wort Verehrung ist mir niemals im Leben so oft begegnet wie jetzt im Zusammenhang mit Trude Herr.“

Letztes Interview mit Günther Jauch

Auch mit Günther Jauch hatte Barth Kontakt per E-Mail, um von diesem letzten Interview, bei dem Jauch am Ende sichtlich bewegt die Hand der bereits schwer kranken Trude Herr hält, zu berichten. Das sei ein Erlebnis gewesen, dass er nie mehr vergesse, habe der bekannte Fernsehmoderator der Autorin geschrieben.

Barth selbst ist Trude Herr nie begegnet, hat sie nie auf der Bühne erlebt. „Für mich gehörte sie zum Boulevard, wie Ohnsorg und Millowitsch, und das zu einer Zeit, in der ich mich eher für Zadek, Fassbinder oder Polański interessierte“, gibt die Autorin in ihrem Vorwort zu. Warum dann ein Buch über sie schreiben? Mit dem Buch aus Trude Herrs Sicht setzt Barth eine Reihe fort, die mit „Lumpenball“ anfing. Darin erzählt sie aus der Sicht der jüdischen Puppenspielerin Fanny Meyer, die 1935 vom Hänneschen-Theater gekündigt, später deportiert und wahrscheinlich in Auschwitz ermordet wurde. Zeitlich sollte die Fortsetzung also nach dem Krieg anschließen, die Protagonistin sollte eine Künstlerin sein „und da kommt man an Trude Herr einfach nicht vorbei“.

So beginnt Barth ihren neuen Roman mit einer Szene im Millowitsch-Theater, wo Trude Herr als junge Frau zu Beginn ihrer Karriere nach dem Krieg in Nebenrollen auftrat. Er endet 1988 mit besagtem Interview mit Jauch, 1991 starb sie im Alter von 63 Jahren.

Auf den Spuren von Trude Herr habe sie ihre Einschätzung der Künstlerin korrigieren müssen: „Ich habe tatsächlich gedacht, dass sie die oberflächliche Ulknudel ist, als die sie in deutschen Unterhaltungsfilmen oft dargestellt wurde. Dass dahinter aber ein sehr ernsthafter, engagierter und mit vielen Brüchen versehener Mensch steckt, habe ich erst durch die Recherche gelernt.“ Überrascht habe sie etwa, wie „persönlich getroffen“ Trude Herr vom Nazitum war – ihr Vater war Kommunist und wurde lange Zeit erst im Gefängnis und dann im KZ inhaftiert. Ihre Sprüche hätten sie während ihrer Recherche oft zum Lachen gebracht, „die sind wunderbar“. Trude Herr habe außerdem die Karnevalsbühne für Frauen zugänglicher gemacht und auch auf der Theaterbühne „Frauenrollen unerschrocken und gnadenlos gespielt“.

Fortsetzung mit „Wally“ Bockmayer geplant

Würde Trude Herr heute noch leben, würde Barth sich alle ihre Vorstellungen ansehen. Am liebsten jedoch „Scheidung op Kölsch“, wo Trude Herr sich hemmungslos die Sahnetorte reinschaufelt, während sie beteuert, dass sie nur „wegen der Drüsen“ zunehme.

Die Fortsetzung der historischen Romane ist bereits in Planung: Nach Trude Herr will Marina Barth sich Walter „Wally“ Bockmayer widmen, sie werde aber wahrscheinlich die Sicht einer Mitarbeiterin aus seinem Umfeld einnehmen. Für Barth spielt der nächste Roman dann in der aufregendsten Zeit der Kölner Theaterszene, da ab Mitte der 70er und in den 80ern „die freie Szene so richtig zum Tragen kam“.