Feine Anzüge für Köln„Was man heute so im Straßenbild sieht, ist nicht mehr schön“
- Seit 1960 gibt es das Geschäft für feine Stoffe und Maßbekleidung von Rolf Pleuger gegenüber der Oper.
- Hier lässt sich die Kölner Gesellschaft Anzüge anfertigen. Trotz aller Moden ist die Handarbeit weiterhin gefragt.
- Für das Traditionsmetier hat der 87-Jährige nun einen Nachfolger gefunden.
Köln – Der großgewachsene, schlanke Herr steht vor dem Wandregal voller Stoffe. Aufrechte Haltung, tadelloser Anzug, Einstecktuch, Krawatte, weißes Hemd. Er sagt lächelnd: „Ich bin ja nur ein einfacher Tuchhändler.“ Von wegen. Rolf Pleuger (87) schaltet und waltet seit 1962 in seinem Atelier an der Nord-Süd-Fahrt gegenüber der Oper – und ist damit ein echter Kölner Traditionsbetrieb.
Aus jedem der vielen Ballen schaut ein handgeschriebenes Zettelchen mit Informationen zu Stoff und Preis heraus. Dutzende von Spinnrädern und historischen Bügeleisen – die noch wirklich aus Eisen sind und einst mit Kohle befüllt wurden – zieren die Regale.
Freizeitlook gefällt Rolf Pleuger gar nicht
Überall sind kleine Rahmen mit Sprüchen aufgestellt, zum Beispiel: „Am Morgen sind alle gleich, dann ziehen sie sich an.“ So etwas liebt Rolf Pleuger. Gute Kleidung, das ist seine Passion. „Was man heute so im Straßenbild sieht, ist nicht mehr schön“, sagt er. Kurze Hosen, Freizeitlook, schlecht sitzende Jacken. „Da fällt eine Krawatte ja schon auf.“ Ganz schlimm: alte Männer in weiten Jeans.
Pleuger hält die Fahne des guten Tuchs hoch. Und wird dafür von treuen Kunden belohnt. Gerade hat ein Bundespolitiker – „Namen bitte nicht veröffentlichen, hier herrscht strengste Diskretion“ – seinen Anzug, der in Bearbeitung ist, nochmal anprobiert, ob auch alles sitzt. Je nach Stoff kostet so ein maßangefertigtes Kleidungsstück immerhin zwischen 1900 und 2300 Euro. Da muss jedes Detail stimmen.
Kunden aus der Kölner Gesellschaft
Die Käufer kommen aus der Kölner Gesellschaft und ganz Deutschland, aber auch aus den Nachbarländern. „Gerade war ein Stammkunde aus Brüssel zur Anprobe da. In Stockholm habe ich einen Kunden, der schon 90 Anzüge von mir hat. Ein traumhafter Kundenkreis“, schwärmt Pleuger. Viele bringen schon die Kinder und Enkelkinder mit. „Wir hatten gerade zwei Jungs, die waren sehr stolz auf ihre ersten Anzüge.“
Rolf Pleuger ist in Gummersbach aufgewachsen, seine Mutter hatte ein Textilgeschäft, sein Onkel war Tuchhändler – daher die Inspiration. Schneider ist er selbst allerdings nicht. „Wenn ich etwas an meinem Leben ändern würde, dann wäre es, eine Lehre als Schneider zu machen“, sagt er.
Das Anfertigen der feinen Anzüge übernimmt vor allem Ali Mohammad. Der 28-Jährige stammt aus Afghanistan, sein Vater war auch Schneider. „Ich habe schon mit sieben Jahren an der Nähmaschine gesessen. Vor zehn Jahren bin ich einfach hier hereingekommen und habe gefragt, ob ich hier arbeiten kann“, erzählt er lächelnd.
Rolf Pleuger fand Nachfolger
Er konnte – und noch mehr. Wenn sich Rolf Pleuger irgendwann („Konkret geplant ist da nichts“) zur Ruhe setzt, wird Ali Mohammad das Geschäft übernehmen – worüber beide sehr glücklich sind. Sie glauben an die Zukunft des Traditionsmetiers. Sie haben so viel zu tun, dass ein Kreis von weiteren Schneidern für sie arbeitet.
Denn für einen guten Anzug braucht es viel Fachkenntnis. Pleugers Stoffe kommen vor allem aus England („Die besten Stoffe des Weltmarkts“) und die etwas leichteren für die immer höher kletternden Temperaturen aus Italien. „Schauen Sie hier: pures Kaschmirgewebe, gut abgelagert.“ Ja, tatsächlich sollten auch Stoffe gut abgelagert sein. Denn beim Weben entstehe jede Menge Zug und Stress, der sich erst mit der Zeit löse. Und erst dann sei es möglich, die Ware millimetergenau zu verarbeiten. „Je älter die Stoffe, desto besser.“
Wie vor 100 Jahren werden die Kunden mit Maßband vermessen. Dazu brauche man in mehrerer Hinsicht Fingerspitzengefühl – unter anderem müssen Besonderheiten wie ein Bauch oder ein schiefstehende Hüfte diskret abgearbeitet werden. Dafür sitze dann aber hinterher aus alles, im Gegensatz zu Ware von der Stange.
Mit Röhrenhosen kommen viele Männer nicht klar
„Die meisten Herren kommen mit der aktuellen Mode mit den Röhrenhosen überhaupt nicht klar“, sagt Ali Mohammad. Und auch die Kunstfasern machten vielen zu schaffen. „Man schwitzt einfach zu viel. Im Sommer empfehle ich Naturfasern wie hier diesen porösen Wollanzug, den ich trage. Da kann man durchgucken, das ist ganz luftig“, sagt Rolf Pleuger.
Viele Männer kämen nach schlechte Erfahrungen mit billigen Anzügen dann doch zu ihm. „Die vergessen dann den höheren Preis.“ Ali Mohammad und Kollegen nähen so, dass zehn Zentimeter ausgelassen werden können – so kann auch das ein oder andere Pfund mehr ausgeglichen werden. Nach einer Anprobe wird französischer Armagnac einer ganz bestimmten Marke gereicht – auch das ist seit Jahrzehnten Tradition.
Im Urlaub lässt Pleuger die Krawatte weg
Als Rolf Pleuger gegenüber der Oper einzog, da stand hier nur dieses eine Haus, in dem er jetzt noch arbeitet und auch lebt. Die Nord-Süd-Fahrt gab es in der heutigen Ausmaß noch nicht. Die Platane, die er vor 30 Jahren gepflanzt hat, ist heute ein stattlicher Baum und gibt Schatten für das Tuchgeschäft.
Wie jedes Jahr macht Rolf Pleuger – und natürlich auch Ali Mohammad – jetzt im Sommer vier Wochen Urlaub. „Die Kunden wissen das, aber jeder bekommt wie jedes Jahr eine Postkarte mit den Daten“, sagt er. Im Urlaub trage er selbst ausnahmsweise Cordhose und keine Krawatte. Er gesteht: „Früher hätte ich das nicht gemacht.“