Das Käsehaus Wingenfeld gibt es seit 1896, es ist das älteste der Stadt. Seit 1950 ist es eine feste Größe auf der sich ewig verändernden Ehrenstraße. Die Geschichten über den Laden sind legendär: Immer wieder komme es vor, dass Menschen aufgeregt hineingehen oder sogar die Polizei rufen – weil im Kühlhaus, das von außen zu sehen ist, der Käse ganz schlimm vor sich hinschimmele. „Dass Leute beunruhigt sind, passiert wirklich“, sagt Barbara Wilke lachend. Dabei sei es ganz natürlich und gewollt, dass vor allem der Ziegen-Rohmilchkäse Schimmel in Härchenform ansetze.
Barbara Wilke (63) hat das Geschäft 2000 übernommen. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ sah sie eine Anzeige von den Vorbesitzern und meldete sich. „Ich komme aus der Lebensmittelbranche, aber von Käse hatte ich nicht viel Ahnung.“ Doch sie wusste, dass das Geschäft gut lief, sie arbeitete sich ein und lernte von den langjährigen Angestellten.
Zu Wingenfeld kommen viele Stammkunden und bringen inzwischen schon ihre Enkel mit. Wilke ist es ein Anliegen, vor allem den Kindern zu zeigen, dass guter Käse anders schmeckt als der vom Discounter. „Auch wenn die Kleinen natürlich erst einmal jungen Gouda bekommen.“ Der ist schön mild.
Sogar aus Düsseldorf kommen Käufer, weil hier gut beraten wird. „Wir können genau sagen: Dieser Käse ist morgen am besten oder erst kommende Woche.“ Auch Sterne-Restaurants hat sie als Kunden. Ihr Angebot ist klassisch. Sie profitiert seit einiger Zeit von der Vegetarier-Welle, denn wenn Leute kein Fleisch essen, dann eben mehr Käse.
Kein veganer Käse bei Wingenfeld
„Veganen Käse gibt es bei mir nicht. Das ist kein Käse.“ Sie kann an den umherschweifenden Blicken in der Auslage schon erkennen, was sie den Leuten empfehlen kann und was sie wohl mögen. „Das muss man leben.“ Im vergangenen Jahr hat sie sogar eine Dependance in der Severinstraße aufgemacht. „Die Leute haben sich sehr gefreut.“
Eine erfolgreiche Übergabe gab es auch beim Weinhaus Kleefisch am Wilhelmplatz in Nippes. 2016 wurde der langjährige Mitarbeiter René Zweiacker (heute 52) Inhaber in dem Laden, der seinen Ursprung in einer 1898 gegründeten Kornbrennerei mit Brauhaus hat. Zweiacker ist mit dem Geschäft sehr glücklich. „Wir sind hier Teil des Veedels. Mir erzählen Kunden, dass sie schon mit ihrem Großvater hierher gekommen sind.“ Wie damals gibt es auch noch heute noch Schokolädchen für die Kinder.
Kaufkräftige Kunden in Nippes
Und es kommen auch noch ganz neue Kunden hinzu. In Nippes sind zwei Neubaugebiete für jüngere, kaufkräftige Leute entstanden, die Wert auf gutes Essen und Trinken legen. Stichwort Gentrifizierung. „Wir merken hier den gesellschaftlichen Wandel.“ Und die neuen Kunden trinken zum Beispiel auch zum Grillen Wein. „Damit hat der Sommer für uns an Schrecken verloren“, sagt Zweiacker lachend.
Großen Wert legt er auf eine gute Internetpräsenz: „Das ist irre wichtig, ohne das geht es gar nicht.“ Er hat viele junge Mitarbeiter. „Früher war ich der Jüngste, heute bin ich der Älteste. Die jungen Mitarbeiter beraten die jungen Kunden, ich könnte das gar nicht.“ Außerdem müsse man sich bewusst sein, dass die Institution Kleefisch zähle, und nicht die eigene Person.
Weinhaus Kleefisch ist eine Institution
Mit der Zeit müsse man gehen – aber mit Veränderungen auch vorsichtig sein. So gab es doch einige Proteste, als er nach 30 Jahren einen beliebten Crémant aus dem Sortiment nahm. Aber die Kunden wissen ja, an wen sie sich deshalb wenden können.
Das ist beim Café Printen Schmitz in der Breite Straße auch ganz einfach, denn hier ist seit 180 Jahren alles in Familienhand. Wenn man Seniorchefin Ingrid Schmitz fragt, wie das gelungen ist, dann sagt die 82-Jährige: „Mit viel Arbeit.“ Und man müsse dem Nachfolger etwas zutrauen, ihn machen lassen.
In Köln sprießen hippe Cafés mit immer neuen Kaffeekreationen aus dem Boden – die Institution an der Breite Straße ist geblieben. „Wir haben nicht so das Iced-Matcha-Latte-Publikum“, sagt Schwiegertochter Simone Schmitz (40). Aber Neuerungen gibt es trotzdem fortlaufend. Das Café wurde verkleinert, der Mittagstisch wird immer wieder angepasst. Enkelin Vivienne (28), selbst Konditormeisterin, bespielt die Website „Printenhouse“ und die Sozialen Medien mit Neuigkeiten.
„Man kann sich nicht auf der Tradition ausruhen. Man muss sich immer wieder neu erfinden“, sagt Ulrich S. Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälschen Wirtschaftsarchivs, der die Schicksale der alteingesessene Firmen genau verfolgt.
So schaffte es auch der Koffer- und Taschenfachhändler Voegels, den es seit 1923 gibt. Martin Voegels führt das Unternehmen jetzt in dritter Generation. „Jede Generation hat andere Schwerpunkte gesetzt“, sagt er. Der Großvater fertigte Aktentaschen und Werkzeugkoffer für Geschäftskunden.
Der Vater nahm Fremdfabrikate ins Sortiment auf, unter anderem als erster in Deutschland die Kölner Rimowa-Alukoffer und die damals sehr modernen Krokotaschen. In den 1980er Jahren wurde die Eigenproduktion ganz eingestellt, weil Importe einfach kostengünstiger waren, das Geschäft wurde auch für Privatkunden geöffnet.
Und dann kam dem Unternehmen, das vor einiger Zeit von der Cäcilienstraße an die Ludwigstraße umzog, vor allem der Zeitgeist entgegen. „Je größer der Wohlstand der Gesellschaft wurde, desto mehr reisten die Menschen und die Nachfrage nach Reisegepäck wuchs und ist bis heute ungebrochen.“
Seit er selbst seit 1985 das Geschäft führt, hat er als weiteren Schwerpunkt Schulranzen eingeführt. „Als Vater dreier Töchter weiß ich, wie wichtig eine intensive Beratung ist.“ Voegels erfand deshalb 2010 auch die jährliche Schulranzen-Messe im Karnevalsmuseum.
Kölner Traditionsgeschäfte
Café Eigel, Brückenstraße, 1851
Bäckerei Zimmermann, Ehrenstraße, 1875
Filz Gnoss, 1925, Apostelnstraße,
Hutmanufaktur Diefenthal, 1905, Kettengasse und Friesenwall
Optik Augendübler, Breite Straße, 1832
Lengfeld’sche Buchhandlung, Kolpingplatz, 1842
Honig Müngersdorff, An St. Agatha, 1847
Pfeifen Heinrichs, Hahnenstraße, 1908
Schrauben Hülden, Weißhausstraße, 1888
Parfum-Manufaktur Farina, Obenmarspforten, 1709
Pelz Adrian, Hahnenstraße, 1903
Betten Sauer, Brücker Mauspfad, 1823
Musikhaus Tonger, Zeughausstraße, 1822
Neben diesen Traditionsgeschäften gibt es noch eine ganze Reihe mehr, die erfolgreich bestehen. Soénius ist, was ihre Zukunft angeht, recht zuversichtlich. „Am schwierigsten ist es, die 20- bis 30-Jährigen, die vieles nur noch im Internet kaufen, in die Geschäfte zu ziehen. Die Chance ist da, denn bestimmte Produkte möchte man einfach gerne anfassen und ausprobieren. Aber dazu muss es ein gutes Umfeld und eine freundliche Ansprache geben, verbunden mit der Erlebniswelt Einkaufen.“
Das Erlebnis Einkaufen ist beim Käsehaus Wingenfeld jedenfalls gegeben. Da wird sogar manchmal die Polizei gerufen.