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„Ein sinnstiftendes Ehrenamt“Wie Kölner als Buddy unheilbar Kranke begleiten

Lesezeit 5 Minuten
Amelie Kühne und Oliver Funke.

Amelie Kühne betreut im Buddy-Projekt ehrenamtlich unheilbar Erkrankte. Oliver Funke begleitet das Projekt als hauptamtlicher Koordinator.

Amelie Kühne unterstützt Betroffene im Alltag. Das Buddy-Projekt sucht noch weitere Kölner, die sich ausbilden lassen.

Wer die Diagnose einer unheilbaren Krankheit bekommt, der steht erst mal unter Schock. Gleichzeitig gibt es da dieses Gefühl der Überforderung, weil plötzlich so viele Fragen auftauchen. Weil der Kopf sich dreht und doch so viel Bürokratisches zu regeln ist und Hilfen beantragt werden müssen. So wie bei Christian Hauke (Name geändert). Der 55-Jährige Kölner bekam die Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Dies ist eine fortschreitende Erkrankung, die zu Muskellähmung führt und meist innerhalb weniger Jahre zum Tod.

Es sind genau solche Lebenssituationen, für die das Projekt „Ein Buddy für Schwerstkranke und Zugehörige“ ins Leben gerufen wurde. Als das Zentrum für Palliativmedizin der Uniklinik Köln vor zwei Jahren mit einem Fragebogen abgefragt hat, was Kölnerinnen und Kölner in ihrer letzten Lebensphase brauchen, hat sich herausgestellt, dass es eine Lücke gibt. Hospize, ambulante Hospizdienste und Palliativversorgung – damit ist Köln sehr gut ausgestattet. Aber an Unterstützung vor diesen letzten Monaten des Lebens mangelte es. Es braucht Menschen, die Betroffene ab der Diagnosestellung begleiten, lautete das Ergebnis der Befragung. Genau dafür wurde das Buddy-Projekt ins Leben gerufen, das neben drei Hauptamtlichen vor allem auf Ehrenamtler setzt. Buddy – das kommt aus dem Englischen und meint so etwas wie einen zugewandten Begleiter.

Ein ganz besonderes Ehrenamt in Köln

Eine von ihnen ist Amelie Kühne. Die 30-Jährige ist im Marketing eines großen Konzerns tätig. Sie mag ihre Arbeit, aber ihre fehlte „darüber hinaus etwas Sinnstiftendes“. Ein Ehrenamt, das zu ihr passte und bei dem sie den Zeitumfang selbst bestimmen konnte. Durch Zufall stieß sie auf das Buddy-Projekt und fand darin genau das, was sie gesucht hatte. Sie selbst habe in ihrem Leben noch nicht so viel Berührung mit dem Tod gehabt, erzählt sie. Aber es gab da in ihr „eine Faszination für das Existenzielle“. Und eine Ahnung, dass sie das gut kann: sich solchen schwierigen Situationen stellen, zuhören, dabei helfen, Gedanken und Prioritäten zu sortieren. Vor allem hat sie Organisationstalent. „Das passte von der Anforderung einfach zu mir.“

Außerdem reizte sie die Ausbildung, mit der die Ehrenamtler auf ihre Arbeit vorbereitet werden: Zu den Themen gehören etwa der Umgang mit Tod und eigener Endlichkeit, Persönlichkeitsbildung, Kommunikationstechniken, aber auch ganz praktische juristische Fragen oder Sachkenntnis zum Thema Pflegestufen und Hilfsmittel.

Ausbildung für die Ehrenamtler

„Allein diese Ausbildung und die auch danach weitergehende Begleitung durch einen Hauptamtlichen aus dem Projekt-Team ist sehr bereichernd“, erzählt sie. In ihrer Ausbildungsgruppe war die Altersmischung sehr bunt: Drei junge Frauen unter 30 Jahren, aber auch Teilnehmerinnen, die die 70 Jahre schon erreicht hatten, waren in der neunköpfigen Gruppe. Auch das sei eine interessante Erfahrung gewesen.

Oliver Funke

Oliver Funke arbeitet hauptberuflich für die Buddies. Er koordiniert und begleitet die Ehrenamtler.

Amelie Kühne wurde dann Mitte Januar Buddy von Christian Hauke – ihre erste Begleitung. Einmal in der Woche war sie vor Ort und beriet mit Christian Hauke und seiner Frau, was ansteht: „Die Wohnung war nicht barrierefrei und ein Umzug perspektivisch unvermeidlich.“ Ein Thema, das für beide schwer und emotional war, da sie schon ewig in der Wohnung lebten. Da konnte Kühne helfen, die Gedanken und Prioritäten zu sortieren – und auch dabei, den richtigen Zeitpunkt abzupassen, dann auch tatsächlich konkret zu werden und einen Umzug zu planen. Denn beim Beginn der Begleitung war Christian Hauke noch mobil.

Aber die Krankheit schritt schnell voran: Kühne kümmerte sich um die Anträge für Pflege und Hilfsmittel, telefonierte manchmal fünf Sanitätshäuser ab, ehe sie das Benötigte dann finden konnte. Eine unglaublich wertvolle Hilfestellung sei das, erläutert Projektleiter Oliver Funke. Weil es die oft überforderten Betroffenen und deren Familien entlaste und Zeitressourcen schaffe, die man den eigenen Bedürfnissen widmen könne. Auch die Tatsache, dass es dann für die Erkrankten einen Gesprächspartner außerhalb der Familie gebe, sei enorm hilfreich.

Oft sind diejenigen, die für einen Buddy anfragen, alleinlebende Menschen. Sie suchen neben bürokratischer Unterstützung auch mal ein Telefonat oder einen gemeinsamen Spaziergang. Zwei Drittel der Menschen, die in Köln einen Buddy anfragen, haben eine onkologische, ein Drittel eine neurologische Erkrankung. Dabei gibt es derzeit mehr Anfragen als Buddys. Oft sind es die Sozialen Dienste oder Ärzte, die anrufen – manchmal die Betroffenen selbst oder ihre Angehörigen. Auf jeden Fall würden noch Ehrenamtler gesucht, sagt Funke. Dabei sei es auch wichtig, dass die Freiwilligen schaffen, sich gut abzugrenzen und auch den Umfang der Hilfestellung klar abgrenzen. Amelie Kühne hatte etwa als Rahmen zwei Stunden pro Woche abgesteckt. Die Hauptamtlichen im Buddy-Projekt stehen immer wieder als Ansprechpartner zur Verfügung, um zu besprechen, wie die Begleitung läuft.

Das Buddy-Projekt wird von der Deutschen Fernsehlotterie finanziert

Das Buddy-Projekt wurde von dem Kölner Verein „Endlich“ ins Leben gerufen. Die Deutsche Fernsehlotterie finanziert mit rund 600.000 Euro einen Großteil des Projekts.

Christian Hauke ist vor kurzem überraschend gestorben. Auch für Amelie Kühne kam das Ende ihrer Begleitung damit sehr abrupt. Sie schaut sehr positiv auf diese Zeit: Das Ehrenamt habe ihr wirklich das erhoffte Gefühl gegeben, etwas Sinnvolles zu tun und auch konkret zu helfen. Viel Dankbarkeit sei ihr entgegengebracht worden. Und auch sie selbst habe profitiert von dem Kontakt mit Hauke und seiner Frau, die eine so schwierige Lebensphase bewundernswert gemeistert hätten. „Es sind auch solche Einblicke in andere Lebensrealitäten, die dieses Ehrenamt bereichernd machen“, fasst Funke zusammen. In wenigen Wochen bringt Amelie Kühne ihr erstes Kind zur Welt. Deswegen macht sie erstmal eine Pause. Aber danach will sie mit etwas Abstand eine neue Begleitung als Buddy beginnen.

Ehrenamtler, die Interesse an einer Mitarbeit in dem Buddy-Projekt und der entsprechenden Ausbildung haben, können sich bei Endlich e.V. melden. Ebenso Menschen, die einen Buddy benötigen. Das Buddy-Projekt ist unter 0221/29247140 oder per Mail unter info@buddy-koeln.de erreichbar. Die nächste Informationsveranstaltung für potenzielle Ehrenamtler ist am Mittwoch, 11. Oktober, von 17 bis 18.30 Uhr bei Endlich e.V. in der Gleueler Straße 245-249.