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Interview

Interview
„Lasst uns auch mit Kindern mehr über den Tod reden“

Lesezeit 4 Minuten
Zwei geschminkte Kinder stupsen ihre Nasen aneinander, eines der beiden liegt im Bett

Für Kinder ist der Tod oft wesentlich weniger bedrohlich als für Erwachsene, sagen Experten.

Wenn ein Kind unheilbar krank ist, sollten Eltern das Thema Tod nicht tabuisieren. Ein Kölner Palliativmediziner erklärt, wie man kindgerecht darüber spricht.

Herr Tehrani, Sie kritisieren in Ihrem neu erschienen Palliativ-Ratgeber, dass der Tod in unserer Gesellschaft ein Tabu sei, vor allem wenn er Kinder trifft. Ist das nicht eine zutiefst menschliche Reaktion?

Siavash Tehrani: Absolut, der Tod eines Kindes durch Krankheit oder einen Unfall bedeutet für alle Beteiligten eine enorme Herausforderung, die emotional schwer zu bewältigen ist. Diese Situationen sind unvorhersehbar und führen oft zu tiefgreifenden seelischen Krisen. Aus meiner Erfahrung als Palliativmediziner weiß ich, wie wichtig es ist, dass auch Angehörige psychologische und andere Unterstützung erhalten und annehmen. Sie ist entscheidend, um das Unbegreifliche zu verarbeiten und neue Lebenskraft zu schöpfen. Und auch, um mit Kindern und deren Geschwistern offen und altersgerecht über das Sterben und den Tod zu sprechen. Das kann eine Herausforderung sein, aber Kinder leiden mehr, wenn über sie statt mit ihnen gesprochen wird. Daher sollten Eltern das Thema Tod nicht tabuisieren.

Dr. Siavash Tehrani ist Facharzt für Anästhesie, Schmerz- und Palliativmedizin in Köln und Autor eines Palliativ-Ratgebers.

Dr. Siavash Tehrani ist Facharzt für Anästhesie, Schmerz- und Palliativmedizin in Köln und Autor eines Palliativ-Ratgebers.

Was bedeutet es konkret, altersgerecht mit Kindern über den Tod zu sprechen?

Es hängt stark vom Alter eines Kindes ab, wie es den Tod wahrnimmt, das Wissen darüber kann für entsprechende Gespräche hilfreich sein. Kinder unter drei Jahren begreifen den Tod nicht, sie sehen ihn lediglich als „Nicht-da-sein“. Zwischen drei und sechs Jahren entwickeln sie erste, vage Vorstellungen vom Tod als vorübergehendem Zustand, ohne ihn auf sich selbst beziehen zu können. In diesem Alter sind Kinder oft unbefangen und neugierig bezüglich des Todes. Zwischen sechs und neun Jahren beginnen sie, den Tod als etwas Negatives, fast als Bestrafung zu sehen, bleiben jedoch fasziniert von dem Thema. Ab zehn Jahren erkennen Jugendliche den Tod als endgültiges, abschließendes Ereignis. Generell habe ich festgestellt, dass Kinder und Jugendliche den Tod oft weniger bedrohlich finden als Erwachsene.

Sie sagen, betroffene Familien sollten psychologische und andere Hilfe in Anspruch nehmen, welche genau?

Ich meine damit sämtliche professionelle Angebote der Palliativversorgung und Hospizbegleitung, die Familien hierzulande zur Verfügung stehen. Besonders wenn ein Kind intensiv pflegebedürftig ist, brauchen die Angehörigen regelmäßige Auszeiten und Entlastung von der Vollzeitpflege. Oft muss ein Elternteil die Arbeit aufgeben, soziale Kontakte und Hobbys werden stark einschränkt, um sich rund um die Uhr um das schwerstkranke Kind zu kümmern. Dabei geraten Geschwisterkinder nicht selten aus dem Blick. Diese Familien müssen notwendige Hilfe erhalten und in Anspruch nehmen.

Es gibt Kinder, die trotz schwerer Krankheit nicht leiden und glücklich sind. Kinder hängen nämlich nicht so sehr am Leben wie Erwachsene und nicht so sehr an Materiellem
Siavash Tehrani, Facharzt für Anästhesie, Schmerz- und Palliativmedizin in Köln

Was ist der Unterschied zwischen Palliativ- und Hospizdiensten?

Die Übergänge sind fließend und nicht absolut. Palliativangebote sind stärker in der Medizin verortet und zielen darauf ab, Symptome wie Schmerzen oder beispielsweise Luftnot zu lindern und einzustellen, ohne dabei auf Heilung abzuzielen. Die Hospizversorgung hingegen legt ihren Fokus mehr auf die psychologische, soziale und spirituelle Begleitung sowie die Pflege. Ärztinnen und Ärzte sind verfügbar, gehören aber nicht zum Team. Beide Angebote haben zum Ziel, die Lebensqualität von Patientinnen, Patienten und deren Familien zu verbessern – durch das Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen und die Behandlung von Schmerzen sowie anderen Beschwerden körperlicher, psychologischer und sozialer Art.

Ab welchem Zeitpunkt können Betroffene diese Hilfsangebote in Anspruch nehmen?

Ich empfehle, die palliativen Angebote schon ab dem Zeitpunkt der Diagnose einer unheilbaren Erkrankung zu nutzen, nicht erst im Endstadium. Sie sind in verschiedenen Einrichtungen verfügbar, in Krankenhäusern, Pflegeheimen, betreutem Wohnen, Arztpraxen und auch zuhause. Diese Angebote werden von den Krankenkassen finanziert. Ein früher Einsatz von Palliativmedizin kann die Lebensqualität der Betroffenen verbessern und unter Umständen auch deren Leben verlängern. Im Gegensatz zu Hospizdiensten, die vorwiegend ehrenamtlich unterstützt werden, sind in der Palliativversorgung vorwiegend hauptamtliche Mitarbeitende tätig. In der Realität sind statistisch gesehen, Erwachsene nur kurz und in ihrer letzten Lebensphase an der Palliativmedizin angebunden, bei palliativ betreuten Kindern und Jugendliche ist die Zeit deutlich länger. Manche werden über Jahre begleitet.

Wie erleben Sie als Palliativmediziner sterbenskranke Kinder?

Ich bin kein expliziter Kinderpalliativmediziner. Doch meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass Kinder oft viel stärker sind, als wir annehmen. Wir sollten ihnen mehr zutrauen. Es gibt Kinder, die trotz schwerer Krankheit nicht leiden und glücklich sind. Kinder hängen nämlich nicht so sehr am Leben wie Erwachsene und nicht so sehr an Materiellem. Es ist entscheidend, ihnen die Wahrheit kindgerecht zu vermitteln und sie angemessen zu begleiten. Voraussetzung ist, dass sie und ihre Eltern professionelle Hilfe anfordern und zuzulassen.

So können Sie helfen

  1. Mit unserer aktuellen Jahresaktion „wir helfen: weil jedes Kind wertvoll ist“ bitten wir um Spenden für Projekte und Initiativen in Köln und der Region, die Kinder und Jugendliche dabei unterstützen, einen Platz in unserer Gesellschaft zu finden, an dem sie gesund und sicher aufwachsen.
  2. Die Spendenkonten lauten: „wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.“
  3. Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 3705 0299 0000 1621 55
  4. Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 3705 0198 0022 2522 25
  5. Wünschen Sie eine Spendenquittung, notieren Sie bitte +S+ im Verwendungszweck. Wollen Sie nicht in der Spenderliste genannt werden, vermerken Sie bitte ein +A+. Legen Sie auf beides Wert, schreiben Sie +AS+. Bitte geben Sie auch Ihre Adresse an, damit eine Spendenquittung ausgestellt werden kann. Danke!
  6. Kontakt: „wir helfen e.V.“, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln, Telefon: 0221-2242789 (Allgemeines, Anträge), 0221-224-2130 (Redaktion), wirhelfen@kstamedien.de
  7. Mehr Informationen und die Möglichkeit, online zu spenden, finden Sie auf unserer Vereinshomepage hier >