Köln – Er hatte einen festen Vorsatz gefasst. Nicht zu Silvester – wie es viele Menschen tun – sondern schon vor dem 26. November vergangenen Jahres, einem Donnerstag. Er hatte sich vorgenommen, „richtig abzuräumen oder legendär zu scheitern“. Janos Pigerl lacht, während er davon erzählt. Immerhin kann der 29-Jährige inzwischen wieder lachen. Die Enttäuschung sei weitgehend abgehakt, „der Ärger, die Selbstvorwürfe vorbei“.
Dabei kann man dem sympathischen jungen Mann ja eines nicht absprechen: Die Sache mit dem legendären Scheitern hat er grandios hingekriegt: Millionen Fernsehzuschauer erlebten am Montagabend bei der Ausstrahlung der „Wer wird Millionär“-Sendung, wie Günther Jauchs Quiz-Kandidat aus Köln von 750.000 Euro auf 1000 Euro zurückfiel (hier lesen Sie mehr) und damit bewies, dass sich Regel Nummer drei des Kölschen Grundgesetzes – „Et hätt noch immer jot jejange“ – nicht immer bewahrheitet.
Natürlich ließen sich jetzt im Nachhinein viele Sätze mit „hätte“ bilden. Vor allem im Zusammenhang mit dem Glücksbringer, den Pigerls Freundin Celina am Tag der Aufzeichnung mit einer kleinen Notiz für Janos hinterlassen hatte: „Eine Zwei-Cent-Münze in Anspielung an den möglichen Hauptgewinn von zwei Millionen." Er habe das leider total übersehen, gesteht der Kandidat. Heute ist die Frage, ob ihn das Zwei-Cent-Stück in der Tasche gerettet hätte, ebenso müßig wie die Überlegung, was er mit einer Dreiviertelmillion alles hätte anstellen können.
„Rein materiell oder vom Lebensstil her hätte sich nichts geändert“, glaubt Pigerl, der als kaufmännischer Angestellter für einen Tischtennis-Onlineshop arbeitet, nebenher Psychologie studiert und in Bickendorf wohnt. „Ich bin eigentlich ein bescheidener Mensch“, sagt er. Der einzige konkrete Wunsch sei ein alter VW-Bus gewesen. Dem jammert er indes nicht nach, sondern betont im Gegenteil: „Die ganze Sache hat mich unglaublich gelassen gemacht!“
Pigerl ist in Düsseldorf geboren und in Kaarst aufgewachsen. Als echter Fan habe er vor der Aufzeichnung tatsächlich überlegt, im Fortuna-Düsseldorf-Trikot in die Sendung zu gehen, sich dann doch für einen alten Pulli und T-Shirt entschieden.
Hand zitterte beim Griff zum Wasserglas
Der 29-Jährige ist kein Prüfungsangst-Kandidat, „aber eine gewisse Grundnervosität hatte ich schon“, räumt er ein. Dass er es überhaupt auf den Stuhl gegenüber von Jauch geschafft hat, betrachtet er als Glücksfall; so, wie überhaupt häufig allein das Glück darüber entscheide, wie weit ein Kandidat komme. Als erstes die Anfänge von Love-Songs erraten zu müssen, „war für mich wie gemalt". „Da hatte ich einfach Dusel.“ Der blieb ja auch beharrlich auf seinem Schoß sitzen, während er sich ohne Zuhilfenahme eines Jokers sukzessive hocharbeitete. Dass sich die Nervosität mit wachsenden Gewinnchancen nicht legte, merkte er daran, wie sehr seine Hand zitterte, als er zum Wasserglas griff. „Hoffentlich fängt das die Kamera nicht ein“, dachte er da noch, dann wurde er allmählich ruhiger.
„Ich spiele gerne“, bekennt Pigerl. „Karten und auch gerne risikoreiche Spiele. Aber vor der Sendung hätte ich gesagt, dass ich eher schissig bin.“Und was war nach der Sendung, wie ging es ihm unmittelbar nach dem Desaster und seinem Abschied von Jauch?
Direkt abgehauen und nach Hause gefahren
„Ich bin da wie in Trance rausgekommen. Mir war schon bewusst, das war Mist. Ich habe auch gar nicht mehr die Aufzeichnung zu Ende geschaut, sondern bin direkt abgehauen und nach Hause gefahren.“
Zunächst hatte er vor, mit niemandem darüber zu reden. „Das ist ja eigentlich auch die Vorgabe von RTL. Aber letztendlich glaube ich, erzählt es jeder dem einen oder anderen.“ Zuhause angekommen, wurde ihm klar: „Ich kann das nicht sechs Wochen für mich behalten.“ Also sprach er mit seiner Freundin und fuhr dann auch zu seinen Eltern.
Kein Hohn, kein Spott, keine Häme
Was er dort erfahren habe, habe sich seit Ende der Ausstrahlung auf mannigfache Weise wiederholt: „Kein Hohn, kein Spott, keine Häme, sondern durchweg Mitgefühl“, freut sich Pigerl. Unendlich viele Menschen hätten ihm per Kommentar auf den sozialen Netzwerken ein „Kopf hoch!“ zugerufen oder ihm virtuell auf die Schulter geklopft. Ganz viele fanden, dass er ein überaus sympathischer Kandidat war, der sich toll geschlagen und eine super Show abgeliefert hätte. Auch am Tag nach der Ausstrahlung hätten ihm viele, größtenteils wildfremde Menschen ihr Mitgefühl ausgedrückt.
Er habe das Glück, sagt Pigerl, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Menschen mit seinem Job glücklich sei. Hätte er genug Geld gewonnen, um nicht mehr arbeiten zu müssen, hätte er vielleicht überlegt, ehrenamtlich Dinge zu machen, die sinnvoll sind oder die einem am Herzen liegen. Doch auch jetzt, nachdem er einen 749.000-Euro-Gewinn verspielt hat, versichert er: „Ich bin mit meinem Leben sehr, sehr zufrieden!“
Es übrigens auch nicht so, dass Pigerl künftig einen großen Bogen um RTL machen wird. Im Gegenteil. Am Dienstag saß er bereits wieder im Studio. Wegen der Corona-Pandemie wurde in Deutschlands erfolgreichster Quizshow der Publikumsjoker durch den Kandidatenjoker ersetzt. Wie sich der 29-Jährige Kölner in dieser Rolle macht, wird man am 18. und am 22.1. beim großen „Wer wird Millionär"-Zockerspecial sehen können, sofern Janos Pigerl als Joker zum Zuge kommt.