„Zum Mitnehmen“-TrendVerkauft euren Müll nicht als Nächstenliebe – Ein Kommentar
- Hier ein alter Toaster, da ein paar Bücher: In Köln ist kaum ein Gang durch die Straßen möglich, ohne auf Zeug zu stoßen, das am Straßenrand abgestellt wurde.
- „Umsonst“, steht dann da dran. Oder „zum Mitnehmen". Doch nicht alles davon eignet sich zur Weiterverwertung. Manches möchte man nicht mal mehr anfassen.
- In den meisten Fällen hat das mit Nächstenliebe nichts zu tun, meint unsere Autorin. Über Faulheit täuscht auch ein „Umsonst“-Zettel nicht hinweg. Ein Kommentar
Köln – Vor einigen Tagen hatte ich einen gefühlten Spießer-Moment, als ich genervt an der Tür meiner Nachbarn klopfen musste, weil mir deren alte Couch im Hausflur den Weg zu meiner Wohnung versperrte. Mein Anflug von Reue (War ich zu ungeduldig? War mein Ton zu schroff?) war spätestens dann vorbei, als ich wenige Stunden später eben jene Couch am Straßenrand entdeckte: „Zum Mitnehmen.“ Nett? Von wegen. An diesem zerfetzten Unfall einer Plastikledersitzgelegenheit hätte sich nicht mal mehr die Katze meiner Eltern ausgetobt.
Ich habe Freunde mit Erdgeschosswohnungen oder Höfen, die regelmäßig kurz vorm Nervenzusammenbruch stehen, wenn wieder mal irgendein vermeintlich gutmeinender Anwohner seinen alten Krempel einfach auf der Fensterbank oder in der Einfahrt abgeladen hat. Wer sich richtig Mühe gemacht hat, hat ein Blatt Papier draufgeworfen: „Umsonst“, „Zum Mitnehmen“, „Funktioniert noch“. Eigentlich sollte man zurückschreiben: „Behaltet euren verdammten Müll!“
Mit Großzügigkeit oder Nächstenliebe hat sowas nämlich herzlich wenig zu tun. „Sharing is caring“. Klar. Aber ich lade meine alten Pizzakartons ja auch nicht einfach im Park ab in der Hoffnung, dass jemand eine Skulptur draus bauen möchte.
Wie wäre es mit einem Besuch im Umsonstladen?
Natürlich ist der Gedanke, alte, gebrauchte Dinge weiterzugeben, ohne etwas dafür zu verlangen, eigentlich genau richtig. Und ohne das in der Tiefe recherchiert zu haben, behaupte ich, dass es gerade in Köln besonders viele Menschen gibt, die das gerne zelebrieren. Genau die platzieren ihren Krempel aber nicht in Nacht-und-Nebel-Aktionen auf Gehwegen und Fensterbänken.
Nicht umsonst gibt es im Netz zahlreiche Portale und soziale Netzwerke, in denen man Dinge zum Abholen oder Vorbeibringen anbieten kann. Kein Fan von Internet? Dann ab in den nächsten Umsonstladen. Nicht vernetzt? Nicht mobil? Wie wäre es denn einfach mit einem Schild an der Tür oder am Fenster, einem Aushang im nächsten Supermarkt oder Kiosk?
Wer sich dieses bisschen Mühe nicht machen will, sollte sich spätestens hier vielleicht selbst eingestehen: Soviel scheinen ihm seine Mitmenschen dann doch nicht wert zu sein. Hier geht es vermutlich einfach nur darum, altes Zeug mit möglichst wenig Aufwand loszuwerden. Das ist Faulheit, da kann auch ein dahingekritzeltes „Zum Mitnehmen“-Zettelchen nicht drüber hinwegtäuschen.
Manchmal ist Müll einfach nur Müll
Und ja, natürlich gibt es auch die anderen Fälle. Die, in denen man ausmistet, etwas wegwerfen will, sich dann aber denkt „Moment, vielleicht freut sich da noch jemand drüber“, und anderen einfach unkompliziert eine Freude machen will. Ja, auch solche Kisten und Gegenstände stehen am Straßenrand. Das sind dann allerdings die, die nicht den Weg versperren, nicht kaputt sind; die Kisten, in denen keine alten Kabel oder angeschimmelten Teller liegen. Vor allem sind es die, die, ob voll oder leer, nach ein paar Stunden wieder weggeräumt werden – eben weil sich jemand Gedanken macht.
Des einen Müll ist manchmal des anderen Schatz. Aber bei einem abgeranzten, kaputten Toaster können wir uns auch einfach alle drauf einigen: Das ist Müll, das kann weg. Im besten Fall dahin, wo er hingehört. Dann bleibt an der Straße auch mehr Platz für echte Schätze.
Aufruf: Haben Sie selbst schon Schätze auf der Straße gefunden oder ärgern sich über Kisten und Lampen alle paar Meter? Dann schicken Sie uns ein paar Zeilen an ksta-community@dumont.de, gerne auch mit Foto. Wir sammeln die Geschichten unserer Leser.