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„Zum Mitnehmen“In Köln läuft das „Dinge vor die Tür stellen“ aus dem Ruder

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An der Elsaßstraße ist ein Fensterbrett für „Geschenke“ reserviert.

Lindenthal – Anderen eine Freude zu machen, ist gar nicht so schwer. Schließlich besitzt jeder etwas, das er nicht mehr braucht – für das die Nachbarn aber vielleicht noch Verwendung haben. So denken immer mehr Menschen. Sie schnappen sich einen Pappkarton, füllen ihn mit den entbehrlichen Gegenständen, malen ein Smiley darauf, schreiben „zu verschenken“ darunter und stellen ihn vor die Tür. Nun darf sich jeder einfach bedienen. Der Haken bei der vermeintlich guten Sache?

Was mit ein paar Kisten Bücher begann, hat gewisse Auswüchse angenommen: In einem Karton an der Sülzburgstraße warten hochhackige Pumps in Knallfarben auf ihr Aschenbrödel, das sich mit der schrillen Fußbekleidung in eine Karnevalsprinzessin verwandeln möchte.

Einige Meter weiter stehen Töpfe und Pfannen auf einer Fensterbank, als ob darin etwas langsam in der Sonne schmort. In Klettenberg ist ein Pappkarton mit einer ganzen Batterie abgelatschter Flipflops gefüllt, für Menschen, die zufällig die gleiche Schuhgröße haben und die Latschen noch ein wenig breiter treten möchten.

Wer gibt einem alten Kühlschrank ein neues Zuhause?

Ein paar Meter weiter steht ein alter Kühlschrank auf dem Gehweg. Auch er ist ein Geschenk der Hausbewohner an die Nachbarn, genauso wie die riesigen leeren Pappkartons daneben, von denen sorgsam die Adressenaufkleber abgeknibbelt wurden. Die Schenker möchten offensichtlich nicht, dass die Passanten wissen, wer für die milde Gabe verantwortlich ist.

Denn die Frage, ob sich wirklich jemand darüber freut, ist dann doch nicht so eindeutig zu beantworten. Schleppt jemand ein schweres Elektrogerät nach Hause, um dort festzustellen, dass er doch nicht mehr funktioniert? Stellt ein Anwohner die Töpfe, in denen schon zehn Jahre lang die Kohlrouladen des Nachbarn geschmort haben, auf den eigenen Herd? Möchten die Mitmenschen Schlappen anziehen, die andere nackte Füße monatelang durch den Sommer getragen haben? Über die Antworten und den Sinn der Schenkaktionen im öffentlichen Raum diskutieren mittlerweile ganze Nachbarschaften.

Christine Kramer glaubt nicht daran, dass sich neue Träger alter Flipflops finden.

Die Klettenbergerin Christine Kramer sieht sie kritisch: „Jeder stellt hier seinen Krempel, den er nicht mehr braucht, auf den Bürgersteig, entledigt sich so auf die einfachste Art und Weise der Dinge und glaubt dann auch noch etwas Gutes getan zu haben.“ Die Kisten stünden tagelang verrottend im Regen. In der Dunkelheit mutierten sie zu Stolperfallen. Aus ihrer Sicht sind die Bordsteingeschenke respektlos. „Wie kann ich denn glauben, dass das, was ich nicht mehr haben möchte, für meinen Nachbarn gut genug ist?“

„Eure vermeintliche Großzügigkeit ist nichts anderes als Faulheit“

Auch der Sülzer Rene Kohlenberg ist nicht überzeugt von der Barmherzigkeit der Schenkenden in seinem Viertel und formulierte seine Kritik in einer Sülzer Facebook-Gruppe: „Eure vermeintliche Großzügigkeit ist nichts anderes als Faulheit“, ist da zu lesen.

Kohlenberg möchte nicht missverstanden werden. „Ich finde die Idee, Sachen wiederzuverwerten wirklich gut“, sagt er. „Ich denke aber, dass es für sehr viele Leute, die die Kisten nach draußen stellen, einfach eine bequeme Art ist, die Dinge darin loszuwerden.

Es gibt doch Orte, wo sie diese hinbringen können, etwa die dafür aufgestellten Bücherregale, am Büdchen Nikolausplatz. Es gibt die Altkleidersammlung, den Umsonstladen, die Rubrik Ebay-Kleinanzeigen und Gruppen zum Schenken in den sozialen Netzwerken.“

Halbe Wohnung mit Möbeln von der Straße eingerichtet

Die Kritik stößt bei vielen auf Unverständnis. „Wie kann man sich über so etwas nur so aufregen“, schreibt ein Mitglied derselben Gruppe auf Facebook: „Ich freue mich immer, wenn ich so eine Kiste sehe und habe auch schon viele Sachen daraus gebrauchen können. Wenn ich selbst eine Kiste rausgestellt habe, waren die Sachen innerhalb kürzester Zeit weg.“Eine Viertelbewohnerin schließt sich ihm an. „Ich bin absoluter Fan des Systems. Ich habe selbst viele Bücher eingesammelt und Möbel und Geschirr rausgestellt und es war immer in etwa zwei Stunden fort. Meine Nachbarin hat fast die halbe Wohnung mit Straßenmöbeln eingerichtet, inklusive eines großen Sofas, Waschmaschine und auch vielen tollen gerahmten Bildern.“

Ein herrenloses Hüpftier

Auch die Sülzerin Tina Kluge sieht darin eine gute Art der Weiterverwertung von Gegenständen: „Ich stelle nur gute Sachen nach draußen und hole, was übrig bleibt, abends wieder herein.“ Mit einer sehr umsichtigen Herangehensweise können sich auch die Kritiker anfreunden. Rene Kohlenberg kennt selbst ein positives Beispiel: „In der Südstadt gibt es in der Elsaßstraße ein Fensterbrett, das von den Nachbarn betreut wird. Dort können Anwohner Dinge, die sie nicht mehr brauchen, hinstellen, aber es gibt dafür klare Regeln, so dass nichts lange stehen bleibt.“

Auch die Kölner Stadtordnung regelt es eindeutig: Danach ist das unbefugte Lagern von Gegenständen im öffentlichen Raum schlicht verboten. Laut Inge Schürmann,Sprecherin der Stadt, ahndet das Ordnungsamt aber nicht sofort jeden Verstoß. „Wir stehen ja nicht hinter jedem Baum“, sagt sie. Es sei auch etwas anderes, ob ein Bürger eine Kiste Kinderbücher nach draußen stellt, von denen er weiß, dass sie innerhalb kurzer Zeit weg sind, oder ob er sich einfach nicht mehr darum kümmert. „Jeder ist für seine Sachen vor der Tür verantwortlich“, betont sie , „und darf sie dort nicht einfach den ganzen Tag stehen lassen. Und natürlich dürfen die Kisten keine Stolperfallen sein oder sonst irgendwie im Weg stehen.“

Aufruf: Haben Sie selbst schon Schätze auf der Straße gefunden oder ärgern sich über Kisten und Lampen alle paar Meter? Dann schicken Sie uns ein paar Zeilen an ksta-community@dumont.de, gerne auch mit Foto. Wir sammeln die Geschichten unserer Leser.

So entsorgen Sie richtig

Die AWB bieten verschiedene Möglichkeiten, sich von gebrauchten Sachen zu trennen: Alle Gegenstände, die noch gut erhalten sind und weiterverwertet werden können, können in der Tauschbörse auf der Homepage der AWB angeboten werden. Dinge, für die das nicht gilt und die nicht in die Restmülltonne passen, können nach Anmeldung über die Homepage, als Sperrmüll (bis 3 Kubikmeter) abgeholt werden.

Kleinere Elektrogeräte, die nicht in der Tauschbörse angeboten werden können, dürfen nicht im Restmüll entsorgt werden. Sie können zu den Schadstoffmobilen der AWB, zu den Betriebshöfen oder zu den Wertstoffcentern in Ossendorf und Gremberghoven gebracht werden. Dorthin können die Kunden auch Sperrmüll bis zu drei Kubikmetern selbst fahren.

Große Elektrogeräte können sie nach Voranmeldung auch abholen lassen. Wer feststellt, dass Sachen nicht abgeholt oder mitgenommen werden, sondern als „wilder Müll“ liegen bleiben, können die AWB über die Homepage informieren und sie abholen lassen. Kontakt zur AWB: 0221/9 22 22 22 und über die Homepage. (se)www.awbkoeln.de