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Dramen, Leichen, GewaltSchlüsseldienst-Mitarbeiter erleben die Breitseite des Lebens

Lesezeit 6 Minuten
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Schlüsseldienstinhaber Hermann Alsleben (l.) und Geschäftsführer Christian Stumm

  1. Wenn Schlüsseldienst-Mitarbeiter ausrücken, erleben sie die volle Breitseite des Lebens.
  2. Verzweifelte Menschen, denen der Wind die Haustür zuwehte, aber auch Ehedramen, Leichen und Gewalttäter.
  3. Es gab auch schon Einsätze, bei denen ein Monteur um sein Leben gefürchtet hat.
  4. Wir haben einen seriösen Schlüsseldienst begleitet, der auch Tipps gegen schwarze Schafe der Branche gibt.

Köln – Manchmal reicht eine leichte Brise. Ein Windhauch. Oft sind es Gedankenlosigkeit, Zerstreutheit oder Hektik. Die Gründe mögen verschieden sein, die Folge ist dieselbe: Tür zu, Schlüssel drinnen. Glücklich, wer Nachbarn oder Bekannte mit Ersatzschlüssel in der Nähe hat. Oder zumindest ein Handy in der Tasche, um den Schlüsseldienst zu rufen. Doch dann muss, wenn es schlecht läuft, der Ausgeschlossene lange warten, viel bezahlen, weil im ungünstigsten Fall Sonntag ist, ein Feiertag, später Abend oder Nacht.

Manuela Möhrke sperrt sich an einem Montagvormittag aus. Allerdings nicht in der eigenen Wohnung: Die 47-Jährige versorgt die Katze ihrer Mutter, die gerade im Urlaub ist. Sie geht nach draußen, um den Müll wegzubringen. Vorher ein kurzer Check in der Hosentasche – der Schlüssel ist da.

Falscher Schlüssel in der Tasche

Doch als sie aufschließen will, stellt sie fest, dass sie nur den Schlüssel ihrer eigenen Wohnung in der Tasche hat. Der Schlüssel zur Wohnung der Mutter steckt innen in der Tür. Mit ihrem Handy sucht Möhrke im Internet nach einem Schlüsseldienst – und ruft die Nummer des Schlüsseldienstes Alsleben an.

20 Minuten später kommt Monteur Dirk Widdig in der Mülheimer Wohnsiedlung angefahren. Er lässt sich von Manuela Möhrke ihren Ausweis zeigen und überprüft den Namen mit dem, der an der Wohnungstür steht, bevor er sich ans Werk macht. Zunächst versucht er mit einem Draht, die Tür zu öffnen – und scheitert.

Berichte über Abzocke und Gerichtsverfahren

Dann kommt das sogenannte Ziehblech zum Einsatz. Widdig schiebt es unten in den seitlichen Schlitz zwischen Tür und Rahmen und fährt damit hoch bis zur Türklinke. Er braucht einige Versuche, rüttelt an der Tür. Manuela Möhrke guckt etwas besorgt, während der Monteur schweigend, aber sehr bestimmt zu Werke geht.

Plötzlich springt die Tür auf. Der Schlüssel steckt noch, die Tür ist unversehrt. Manuela Möhrke atmet erleichtert auf. 59 Euro zahlt die 47-Jährige für den Einsatz. „Ein fairer Preis für eine schnelle Leistung“, findet sie.

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Manuela Möhrke hat sich ausgesperrt, Schlüsseldienstmitarbeiter Dirk Widdig hilft.

Wer nach Erfahrungen mit Schlüsseldiensten im Internet sucht, stößt schnell auf Berichte und Beschwerden über Abzocke oder Gerichtsverfahren von Betrügern, die horrende Preise verlangen. „Schlüsseldienste haben keinen guten Ruf. Leider gibt es in der Branche viele schwarze Schafe“, berichtet Hermann Alsleben, Inhaber des gleichnamigen Schlüsseldienstes. Einige lockten im Internet mit Dumpingpreisen, die sie nicht hielten.

„Am Ende schlagen sie noch die Mehrwertsteuer, Anfahrtskosten oder Preise für Türöffnungen am Wochenende drauf.“ Christian Stumm, Geschäftsführer des Schlüsseldienstes, ergänzt: „So etwas gibt es bei uns nicht. Die Kunden sind in einer Notlage, da sollen sie nicht noch rechnen müssen. Wir nennen ihnen am Telefon einen Festpreis und weisen sie daraufhin, dass sie vor Ort bar oder mit EC-Karte bezahlen müssen.“

Schutz vor Abzocke im Notfall

Einige betrügerische Betriebe haben mit exorbitanten Rechnungen die Schlüsseldienstbranche in Verruf gebracht. Die Verbraucherzentrale empfiehlt, ortsansässige Firmen zu beauftragen, um die Fahrtkosten gering zu halten. Außerdem sollte man vorab die Preise vergleichen und auf mögliche Wochenend- und Nachtzuschläge achten. Am besten ist es, sich schon vorab nach einem seriösen Dienst umzuschauen und die Nummer für den Ernstfall im Handy abzuspeichern. Am Telefon sollte man möglichst einen Festpreis vereinbaren, damit es nachher keine bösen Überraschungen gibt. Dabei kommt es darauf an, ob die Tür nur zugefallen ist, ob sie abgeschlossen ist oder der Schlüsselzylinder kaputt ist. Zahlen Sie nur, was vereinbart war und verlangen Sie eine Rechnung oder Quittung. Sollte der Monteur Sie unter Druck setzen oder damit drohen, die Tür wieder zu verschließen, rufen Sie die Polizei. (ksta)

Die Öffnung einer zugefallenen Tür kostet beim Schlüsseldienst Alsleben immer 59 Euro – egal zu welcher Uhrzeit oder an welchem Wochentag. „Das ist eigentlich die Regel, und in 99 Prozent der Fälle bekommen wir die Tür auch auf“, sagt Stumm.

Wenn jemand hingegen seinen Schlüssel verloren hat und die Tür abgeschlossen ist oder der Zylinder kaputt ist und ausgetauscht werden muss, kostet das pauschal 89 Euro. „Manche unseriösen Firmen berechnen einen neuen Zylinder pro Millimeter seiner Länge. Da kommen schnell mal 120 Euro zusammen“, sagt Stumm, der während der regulären Geschäftszeiten die Anrufe der Kunden in der Filiale in Mülheim entgegennimmt.

Die Daten leitet er dann an die Monteure im Außendienst weiter. Außerhalb der Öffnungszeiten landen die Ausgeschlossenen auf dem Mobiltelefon eines Monteurs, der Bereitschaft hat. 30 bis 45 Minuten braucht der normalerweise höchstens, bis er vor Ort ist.

Familienunternehmen seit 61 Jahren

Das Familienunternehmen existiert seit 61 Jahren und ist auch für verschiedene Wohnungsgesellschaften wie die GAG im Einsatz. Auch Polizei, Gerichtsvollzieher und Behörden arbeiten mit der Firma zusammen. Für den nächsten Tag ist eine Verhaftung angesetzt. „Da rücken wir mit Polizei und Gerichtsvollzieher an“, sagt Geschäftsführer Christian Stumm.

Vorhersehbar sind die Einsätze nicht. Sie häufen sich in den Vormittagsstunden und zur Feierabendzeit. Pro Woche komme er im Schnitt auf 30 Einsätze, sagt Dirk Widdig. Darunter Verzweifelte, die in Zeitdruck sind, in den Urlaub wollen oder in Unterhose dastehen. „Der Mann in Unterhose war schlafgewandelt. Als er wach wurde, hat er einen Nachbarn aus dem Bett geklingelt, der uns angerufen hat“, erinnert sich Widdig.

Einsätze wie bei Manuela Möhrke sind dem Monteur am liebsten: „Routinefall“, sagt der 41-Jährige, der seit 16 Jahren in der Branche arbeitet. Oft spielten sich aber auch Dramen und tragische Schicksale ab. Etwa wenn Widdig bei Zwangsräumungen dem Gerichtsvollzieher die Tür öffnet oder dem Jugendamt bei Kindeswohlgefährdung. „Ich habe auch schon einige Leichen gesehen“, sagt er. In einem Mietshaus hatten Nachbarn die Hausverwaltung informiert, weil das Wasser durch die Decke kam. „Da lief über Tage die Dusche. Der Mieter lag tot im Bad.“

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Es gab auch schon Einsätze, da hat Monteur Youssef Ait Mbarak um sein Leben gefürchtet. Etwa, als er mit einem Wohnungseigentümer und dem Gerichtsvollzieher vor einer Tür mit Panzerriegel stand und sich mit einer Flex Zugang verschaffte. „Plötzlich schoss von innen ein Messer durch den Türschlitz.“ Die Polizei rückte an. „Während ich die Tür zu Ende öffnete, standen die Polizisten mit gezogener Waffe neben mir. Das war wie im Film“, sagt der 39-Jährige. Besonders nahe gingen ihm auch Fälle, in denen Nachbarn erst nach Wochen durch den Gestank im Treppenhaus Alarm schlugen: „Eine alte Frau lag schon verwest auf dem Sofa. Als ich die Tür aufgemacht habe, kam mir ein Schwarm Fliegen entgegen.“

Manchmal geraten die Schlüsseldienst-Mitarbeiter mitten in Nachbarschaftskriege und Ehekrisen. Geschäftsführer Stumm berichtet von Schließzylindern, die verhasste Nachbarn mit Kleber zerstört haben, und von ausgesperrten, auf die Straße gesetzten Ehepartnern. „Wir hatten auch schon Paare, die im Wechsel anriefen, weil der jeweils Andere das Schloss der gemeinsamen Wohnung hat austauschen lassen. So lange beide in der Wohnung gemeldet sind und das belegen können, machen wir auch beiden die Tür auf.“