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„Zwei Kaffee, bitte!“Kölnerin prangert unser Wegwerf-Verhalten bei Lebensmitteln an

Lesezeit 3 Minuten
Frau im Café

Claudia di Gennaro rettet seit 13 Jahren Lebensmittel

Was erzählen Menschen, wenn man sie auf der Straße anspricht und zum Kaffee einlädt? Dieser Frage geht Susanne Hengesbach regelmäßig nach.

Heute mache ich mich auf Richtung Zollstock, um zu sehen, was aus dem bisherigen Café de Kok geworden ist, das nun Café Bo heißt. Kurz vor meinem Ziel fällt mir eine Frau auf, die ein Fahrrad mit Anhänger schiebt, der ordentlich beladen ist mit Kartoffeln, Möhren, weiterem Gemüse und Obst. Ein gesunder Einkauf für die Großfamilie, denke ich. Falsch!

Claudia di Gennaro ist Lebensmittel-Retterin, wie ich beim Cappuccino erfahre. Lange Zeit hat sie sogar täglich Waren, die sonst weggeworfen worden wären, im Geschäft abgeholt und verteilt. Seit 2011 mache sie das, erzählt sie. Somit hat sie sich bereits zu einer Zeit aktiv gegen Lebensmittelverschwendung engagiert, als es die Plattform Foodsharing noch gar nicht gab. „Ich habe es quasi erfunden!“

„Wie hat es bei Ihnen angefangen?“ – „Mit Weihnachtsmännern“, entgegnet sie und lacht. Es war kurz nach den Feiertagen, da fielen ihr im Geschäft die vielen übriggebliebenen Schokokerle auf. „Was macht ihr damit?“, wollte sie wissen. Die Antwort war erwartbar. „Wie – ihr schmeißt die weg?“, hakte sie nach. Die könne man doch ins Frauenhaus bringen, schlug sie vor. Oder in die Kita, um zusammen mit Obst Schokoladenfondue zu machen. Von diesem Moment an hatte die gelernte Hotelfachfrau eine neue ehrenamtliche Aufgabe. Und so wurde der Fahrradanhänger, in dem früher der Sohn gesessen hatte, zum Lebensmitteltransporter.

Die Leute sitzen stundenlang auf dem Bänkchen und warten

Claudia di Gennaro, die inzwischen in beratender Funktion entwicklungspolitische Arbeit leistet, ist nicht ganz glücklich mit dem inzwischen gängigen System des Foodsharing. Dass Menschen via Whatsapp darüber informiert werden, an welchen Verteilerstellen gerade was abgeladen wurde, hält sie für den falschen Weg.

Am Neumarkt beispielsweise „sitzen die Leute stundenlang auf dem Bänkchen und warten“, sagt mein Gegenüber. Diese Klientel, die die Unterstützung in Form von Lebensmitteln am nötigsten brauche, verfüge in der Regel nicht über Smartphone mit Messenger-Diensten. Di Gennaro findet es wichtig, dass die Hilfe anonym erfolge und dort lande, wo sie am nötigsten sei. In dem Zusammenhang übt sie Kritik an der Stadt, die gerade diese innerstädtische Sammelstelle habe abschaffen wollen.

„Es passiert hauptsächlich in den Geschäften“

Ich frage die Lebensmittel-Retterin, ob sich in all den Jahren Entscheidendes am Wegwerfverhalten geändert habe. Sie schüttelt den Kopf. Allein in Deutschland werden laut Statistischen Landesamt im Jahr rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. In der Regel werde den privaten Haushalten in diesem Kontext der schwarze Peter zugeschoben. Di Gennaro sieht das anders.

„Es passiert hauptsächlich in den Geschäften. Weshalb müssen die Regale um fünf Minuten vor Ladenschluss noch voll sein und alle Sorten zur Verfügung stehen?“, fragt sie und gibt das Beispiel mit dem Brot. Die Angst, dass die Kunden abwandern könnten, wenn das Sortiment nicht groß genug sei, führe zum großen Rausschmiss der nicht verkauften Backwaren.

Beim Einkaufen bestimmt das Auge, nicht der Geschmack

Ein weiterer Grund dafür, dass Lebensmittel in der Tonne landeten, sei der, dass die Kunden nach wie vor beim Einkaufen eher das Auge als den Geschmack entscheiden ließen. Alles, was nicht tipptopp aussehe, habe praktisch keine Chance. Man dürfe sich gar nicht vorstellen, wie viel landwirtschaftliche Fläche quasi umsonst bewirtschaftet werde, weil die Erzeugnisse eh weggeschmissen würden. Der Verlust für den Handel sei marginal. „Das ist alles von vornherein mit eingepreist.“

Was sie gut findet, sei die Tatsache, dass immer mehr Supermärkte Sonderangebots-Stände eingeführt hätten mit Waren, deren Mindesthaltbarkeitsdatum kurz vorm Ablauf stehe. Und natürlich begrüßt sie es, dass praktisch jeder von uns etwas gegen die Verschwendung tun könne. Beispielsweise, indem man unangebrochene Vorräte, die zu verderben drohen, weil man etwa auf Reisen geht, selbst zu einer der „Fairteiler“-Stellen bringen könne, die auf der Foodsharing-Karte einzeln aufgeführt sind.