- Hürth und Frechen haben Köln wegen der angedeuteten Kehrtwende von OB Reker beim Thema Sportpark Marsdorf als „asozial“ bezeichnet.
- Der Frust der Nachbarn entlädt sich damit schlagartig – denn viel hat sich in den letzten Jahren angestaut.
- Die Pförtnerampel in Weiden oder das Lkw-Durchfahrtverbot in Köln gehen auf Kosten des Umlandes. Und die Liste ist noch länger.
„Asoziales Verhalten“ – die Empörung ist groß über die Wortwahl, mit der Frechens Bürgermeisterin Susanne Stupp und ihr Hürther Amtskollege Dirk Breuer den mächtigen Nachbarn Köln in einem offenen Brief angegangen haben. Der Grund ist die durch eine Kehrtwende von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker angestoßene Debatte, Marsdorf als Standort für das Trainingszentrum des 1. FC Köln ins Gespräch zu bringen, aus Klimaschutzgründen.
Mit einem Schlag entlädt sich nun der Frust der Nachbarn. Die von Köln geplante Pförtnerampel auf der Aachener Straße, die Ansiedlung des Straßenstrichs am Eifeltor. Jetzt kommt alles auf den Tisch.
Verhält sich Köln „asozial“? Hat Köln also Probleme damit, sich in eine Gemeinschaft einzufügen? Ist die Millionenstadt unfähig, auf die Belange ihrer Nachbarn Rücksicht zu nehmen?
Jedenfalls ist es ein Vorwurf, der auch früher schon erhoben wurde. Dass die Kölner Bürger etwa seit April 2009 exklusiv an jedem ersten Donnerstag im Monat die Museen kostenlos besuchen dürfen, ist das Resultat einer Provinzposse, bei der es darum ging, ob es richtig sein kann, dass die Kölner Bürger ihre Kulturlandschaft subventionieren und Nachbarn nichts zahlen.
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Hektische Reaktionen auf die Diesel-Klatsche vor Gericht
Und jetzt also die Klimaschutzdebatte: Die drohenden Fahrverbote als Folge einer Umweltpolitik, die ein Jahrzehnt sämtliche Warnungen ignoriert hat, führen zu hektischen Reaktionen. Seit der Diesel-Klatsche, die Köln im November 2018 vor dem Verwaltungsgericht Köln kassiert hat, geht es im Rathaus vor allem darum, vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster am 11. September das Schlimmste zu verhindern.
Da bleibt keine Zeit, mit den Nachbarn über eine Pförtnerampel in Weiden zu reden. Beschlossen und verkündet: Köln muss die Stickoxidwerte an der Messstation vor dem Rhein-Center unter 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft drücken.
Wie geht das am schnellsten? Indem man die Ampeln an der Stadtgrenze so schaltet, dass im Berufsverkehr nur noch 700 statt 1200 Autos pro Stunde aus dem Rhein-Erft-Kreis nach Köln fahren können . Und indem man so Platz schafft für zwei Expressbus-Linien zur Entlastung der KVB-Linie 1. Ob die tatsächlich staufrei über die Aachener Straße gelangen, ist unwahrscheinlich.
Für die Stadt kommt es auf den Versuch an. Der beginnt jedoch frühestens im Dezember – da hat das OVG in Münster längst entschieden. Wie die Pendler aus dem Rhein-Erft-Kreis ab Dezember nach Köln zur Arbeit kommen, ist ihr Problem.
Kölner Alleingang auch beim Durchfahrtsverbot für Lkw
Die Einpendler im rechtsrheinischen Köln haben Glück gehabt. Sie sind einer ähnlichen Lösung wohl nur entkommen, weil die Mülheimer Brücke bis mindestens 2023 aufwendig saniert wird und deshalb auf dem Clevischen Ring weniger Lkw fahren. Schadstoffsammler und Stadtverwaltung atmen durch.
Noch ein Schnellschuss, um die Richter in Münster gnädig zu stimmen: Seit Donnerstag gilt in der Innenstadt und in Teilen von Deutz und Mülheim das Durchfahrtsverbot für Lastwagen über 7,5 Tonnen. Die Luft in Köln dürfte das verbessern. Dass Lastwagen, die vom Kölner Süden zum Niehler Hafen müssen, dem Verband für Spedition und Logistik zufolge Umwege von bis zu 45 Kilometern fahren müssen, weil sie die Rheinuferstraße und die Zoobrücke nicht mehr nutzen können, sieht die Stadt offenbar nicht als ihr Problem an.
Deshalb hat für die Stadt offenbar auch keine Rolle gespielt, dass es zwischen Düsseldorf und Bonn nur zwei Brücken gibt, die von schweren Lkw uneingeschränkt genutzt werden können – die Rodenkirchener Brücke und die Fleher Brücke in Düsseldorf. Letztere ist seit einer Woche eine Großbaustelle – bis 2024.
Mehr Güter auf Binnenschiffe und Bahn ohne Hafenausbau
Die Häfen- und Güterverkehr Köln GmbH (HGK), ein Tochterunternehmen der Stadt und der Stadtwerke mit einer kleinen Beteiligung des Rhein-Erft-Kreises, stellt angesichts des im Juli vom Stadtrat ausgerufenen Klimanotstands die Frage: Wie soll man mehr Güter auf Bahn und Binnenschiffe verlagern, wenn die Hafen-Kapazitäten nicht ausreichen? Ist der Plan von CDU und Grünen, den Ausbau des Godorfer Hafens noch in diesem Jahr zu beerdigen, gut für den Klimaschutz?Nein, sagt die HKG, die ihrerseits ein Streckennetz von 251,2 Kilometern betreibt, von denen nur die Abschnitte elektrifiziert sind, auf denen auch die Stadtbahnen der KVB fahren.
Bei höheren Fahrpreisen sind sich Köln und das Umland einig
Ist der Aufschrei aus Frechen und Hürth also gerechtfertigt? Ist Köln in Sachen Klimanotstand tatsächlich auf dem Ego-Trip? Nein. Wenn es ums eigene Geld geht, sind sich Metropole und Umland durchaus einig. Bei den Fahrpreisen im Nahverkehr zum Beispiel. Um dem politischen Druck etwas entgegenzusetzen, haben die Kommunalpolitiker aller am Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) beteiligten Unternehmen in ihrem Gremium, der Zweckverbandsversammlung, unlängst ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die Frage: Was würde ein kostenloser Nahverkehr mit einem Fahrgastplus von 30 Prozent kosten? Wäre das bis 2024 zu schaffen?
Die Verkehrsforscher beziffern die Kosten pro Jahr auf 800 Millionen bis eine Milliarde Euro. Durch dichteren Takt und neue Schnellbuslinien auf eigenen Fahrspuren wäre das bis 2024 machbar.
Die Forscher haben jede Fahrt auf 120 VRS-Linien betrachtet, darunter alle 21 Regionalzüge und S-Bahnen, 16 Stadtbahnlinien in Köln und Bonn sowie die wichtigsten Schnellbus- und Busverbindungen. Und sie haben ein grobes Schnellbusnetz erarbeitet, dessen Details der VRS nicht veröffentlicht. Weil das Begehrlichkeiten wecken könnte.
Bei den jährlichen Fahrpreiserhöhungen blieb der Aufstand einiger weniger Kommunalpolitiker im VRS erfolglos. Die Preise werden 2020 und 2021 um je 2,5 Prozent steigen. Trotz eines schlechteren Angebots. Warum? Weil jede Kommune sich sonst erstmals mit einer eigenen Umlage an den Kosten für Bus und Bahn hätte beteiligen müssen und jeder Verkehrspolitiker Krach mit seinem Kämmerer bekäme. Auch in Frechen und Hürth. Man könnte die Position vertreten, dass höhere Fahrpreise bei sinkender Qualität „asozial“ sind. Das aber nicht nur in Köln.
Düsseldorf nimmt Stauchaos auf der A 46 für einen Umweltspur in Kauf
Welche Folgen es hat, wenn jede Stadt beim Klimaschutz allein vor sich hinwurschtelt, dürften die Pendler nach Düsseldorf in Kürze zu spüren bekommen. Die Landeshauptstadt wird eine Umweltspur einführen – von der A 46 bis in die Innenstadt. Den Rückstau auf der Autobahn nimmt man dabei in Kauf. Die Grünen stellen die Freigabe der Standspur ab dem Hildener Kreuz in Aussicht, für die es weder einen Beschluss noch eine Planung gibt.
Auf Nachfrage teilt die Stadt Düsseldorf mit, dass im Umfeld der Umweltspur auf der Merowinger Straße „Fahrzeitverlängerungen auf der Münchener Straße zwischen Anschlussstelle Bilk der A 46 und dem Südring eingetreten sind“.
NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) betont, dass es keinen Zwang zur Einrichtung von Umweltspuren gebe: „Die Stadt Düsseldorf war beleidigt, dass sie aus dem Bundesverkehrsministerium nicht sofort eine Sonderregelung für ihre Umweltspur bekommen hat. Am liebsten mit eigenen Schildern“. Jetzt gebe es das als Möglichkeit für alle und der Deutsche Städtetag, „die Lobbyvereinigung der Großstädte, bezeichnet das als großen Käse. Das finde ich bemerkenswert“.
Wir nicht. Weil in Sachen Klimaschutz jede Stadt nur an sich denkt.