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Kölns Kulturschaffende kämpfen„Niemand will, dass aus dem Gloria ein Supermarkt wird“

Lesezeit 4 Minuten

Das Gloria

  1. Die von der Corona-Krise hart gebeutelte Kulturszene in Köln kämpft um ihren Erhalt.
  2. In einigen Theatern ist wieder Leben in der Bude – wenn auch deutlich weniger als vor der Pandemie.
  3. Das Senftöpchen, das Gloria und das Klüngelpütz-Theater bemühen sich um die Sicherheit der Zuschauer.

Köln – Die Sommerpause ist vorbei und die Kulturveranstalter rüsten auf: mit Programmen für die traditionell dichte Saison im Herbst, Hygiene-Konzepten und neuen Belüftungssystemen. Nach diesen kulturarmen Monaten ist die Stimmung im krisengebeutelten Kulturbetrieb zwiegespalten. Da ist zum einen die Freude darüber, die Bühne wieder frei zu machen. Zum anderen schwelt die Angst ums wirtschaftliche Überleben, denn die Einschränkungen werden vermutlich noch Monate fortbestehen.

Dennoch sind die meisten gezwungen, weiterzumachen – mit Abstandsregeln und reduzierter Auslastung. „Es ist wieder Leben in der Bude“, sagt Alexandra Kassen, Theaterleiterin des Senftöpfchens in der Altstadt. Seit etwa drei Wochen treten hier wieder Künstler auf – die Gäste seien glücklich. „Mit den jetzigen Bestimmungen kann man finanziell arbeiten. Ich verdiene zwar nichts, zahle aber auch nicht drauf“. Bis zu 96 Plätze belegt Kassen derzeit – zu normalen Zeiten etwa das Doppelte. „Wenn neue Künstler kommen, die den Saal nicht vollmachen wie ein Konrad Beikircher oder Bernd Stelter, sitzen 20 bis 30 Menschen hier.“

Einlass ins Kölner Senftöpchen nur durch den Notausgang

Die Gäste gelangen vom Notausgang ins Theater und verlassen es am Eingang wieder – ein Rundgang, der Andrang vermeiden soll. Die Krise, resümiert Kassen, habe gezeigt, dass „Kultur absolut systemrelevant ist“. Geistiges und körperliches Wohlergehen hingen miteinander zusammen. Daher sei auch weitere politische Unterstützung wichtig, sollte die Krise über das Jahr hinaus anhalten. Mit der Politik zeigt sie sich insgesamt zufrieden. „Die Soforthilfe war super und auch der großzügige Notfallfonds der Stadt hat geholfen. Ohne unseren Förderverein ginge außerdem nichts.“ Allein schon für ihre Mitarbeiter müsste es wieder weitergehen. „Einige sind noch in Kurzarbeit, von den Minijobbern mussten wir uns trennen.“

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Auch das Team des Gloria-Theaters am Neumarkt ist geschrumpft. Von ursprünglich 70 Mitarbeitern – in den Bereichen Security, Technik, Reinigung bis hin zu Gastro – seien noch zehn übrig geblieben. „Wir mussten uns auch von Festangestellten trennen, weil wir jetzt schon absehen können, dass wir die Auslastung nicht haben“, sagt Mitarbeiterin Claudia Wedell. Einige Firmen, die dem Gloria zuarbeiteten, hätten das Handtuch geworfen. Nach vier Monaten Stillstand soll aber auch das Gloria wieder unterhalten. Am Sonntag, 6. September gibt die Show von "Springmaus" den Startschuss. An den allgemeinen Vorverkaufszahlen merke man jedoch die Zurückhaltung der Menschen. „Wir sind gespannt wie unser neues Konzept ankommen wird und geben unser Bestes, um ihnen ein gutes Gefühl zu bereiten.“ Und auch die Künstler würden darauf brennen: „Viele sagen, sie haben Witzestau.“ Doch manch einer habe seine Tour auf nächstes Jahr verschoben – Auftritte von Bundesland zu Bundesland mit jeweils unterschiedlichen Corona-Schutzverordnungen seien für viele nicht zu stemmen. „Zurzeit haben wir einen Schwerpunkt auf Comedy. Bis wir wieder einen internationalen Künstler auf der Bühne stehen haben, dauert es noch lange.“

Wedell muss täglich abwägen und ausprobieren. „Jede Veranstaltung checken wir auf Machbarkeit und überlegen uns individuelle Lösungen. Ein immenser Aufwand, der hoffentlich bald belohnt wird.“ Die letzten Monate seien nämlich eine emotionale Achterbahnfahrt gewesen. „Wenn’s hart auf hart kommt, kann ich im Supermarkt arbeiten, aber niemand will, dass das Gloria zu einem Supermarkt umgebaut wird“, sagt Wedell. Das Geld werde langsam knapp. Die Töpfe von Bund und Land erweckten den Eindruck, dass „uns geholfen wird, doch es wäre auch schön, wenn dieses Geld vom Paket Neustart-Kultur auch endlich ankommen würde“.

Kölner Kulturszene ärgert sich über komplizierte Anträge

Stattdessen sei die Antragstellerei ein einziges Durcheinander: „Die Regularien werden ständig geändert, die Verordnungen sind oft schwer nachvollziehbar und die Förderungen werden verschoben. Seit März werden wir hingehalten. Wann können wir endlich durchschnaufen? Jetzt haben wir zumindest eine Perspektive bis Ende des Jahres.“

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Mit Hoffnung blickt auch Marina Barth, Leiterin des Klüngelpütz-Theaters in der Gertrudenstraße, auf die kommende Saison. Gerade werde noch das Problem der Frischluftzufuhr gelöst – durch neue Fenster, die jedoch erst gegen Ende Oktober fertiggestellt sein werden. Bis dahin weicht die Kabarett-Bühne auf ein gemietetes Zirkuszelt in Riehl aus oder auf das Gloria. Barth sieht die aktuell geltenden Regeln für Kulturveranstaltungen kritisch. „Natürlich setzen wir auf Abstand, auch wenn die Schutzverordnung das anders vorsieht. Wir wollen den Menschen signalisieren, dass sie hier sicher sind.“

Die Bedenken unter den Theaterschaffenden seien dementsprechend groß. Komme denn überhaupt jemand, wenn die Menschen Schulter an Schulter sitzen? Doch die Krise habe auch ihr Gutes gehabt, so Barth: Die Etablierung neuer Formate. Sie profitiert von dem zuletzt aufgelegten Stipendien-Programm von Bund und Land: 7000 Euro hat sie für neue Projekte erhalten. „Wir arbeiten jetzt mit einer professionellen Streaming-Firma zusammen. Außerdem nehmen wir Hörbücher in unser Programm auf.“ Geplant sind weiterhin ein Jahresrückblick, ein Weihnachtsstück sowie ein Horror-Leseabend. Mit höchstens zwei Künstlern auf der Bühne.