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Kölns Rettungsdienst-Chef„Eine Vor-Triage gibt es in den Notaufnahmen schon“

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Anfahrt KLinik Porz

Ein Rettungswagen auf dem Weg zum Krankenhaus Porz am Rhein

Köln – Es gibt eine freundliche Alternative zu diesem bösartig schicksalhaft klingenden französischen Begriff von der Triage. Das Wort Kleeblatt nämlich hört sich gleich viel unschuldiger an, klingt nach Glück und grüner Wiese. Im Grunde aber geht es um die gleiche Sache: Was tun, wenn mehr Patienten auf eine Intensivstation müssen als können? Wenn auch das letzte Bett belegt ist, sei es durch Corona-Infizierte oder andere Patienten? Mit eben jenem Kleeblatt-System können diese Kapazitäten geschaffen werden, indem Patienten in die umliegenden Kliniken verlegt werden. „Dies bedeutet, dass ein betroffenes Krankenhaus die Nachbarhäuser rundherum – wie bei einem Kleeblatt – kontaktiert und versucht, eine Verlegung zu erzielen“, erklärt Horst Kierdorf, Direktor der städtischen Kliniken. „Ist eine Stadt oder eine Kommune überbelegt, greift der nächste Kleeblatt-Kreis in der benachbarten Region.“

In Köln spielt die zentrale Rolle dabei der Rettungsdienst, der diese Verlegungen koordiniert und einspringt, wenn die Krankenhäuser selbst nicht weiterkommen. „Wenn Patienten verlegt werden, meldet sich das jeweilige Krankenhaus – oft nach ersten ergebnislosen Telefonaten – bei uns und sagt: ‚Wir laufen voll, bitte nehmt uns Patienten ab.‘“, sagt Rettungsdienst-Leiter Alexander Lechleuthner. „Dann greift bei uns das sogenannte „Single Point of Contact“-System, nach dem freie Kapazitäten ermittelt werden – zuerst in Köln und wenn das nicht mehr ausreicht, in den umliegenden Kommunen, schließlich bundesweit.“ In der höchsten Stufe ginge das sogar innerhalb von Europa, sagt Lechleuthner weiter. Welche Patienten kurzfristig verlegt werden, entscheiden die Ärzte in den Krankenhäusern. „Patienten mit niedriger Versorgungsstufe oder die, die schon länger auf der Intensivstation liegen, sind oft eher verlegbar als zum Beispiel Patienten, die frisch von der Straße ins Krankenhaus gekommen sind“, erklärt Lechleuthner.

„Freie Betten gibt es im Grunde nicht“

Eine Entscheidung also, wem zuerst und direkt geholfen wird und wer danach oder nicht mehr vor Ort behandelt werden kann, wird demnach ständig im Rettungsdienst und in den Krankenhäusern getroffen – und zwar anhand von medizinischen Beurteilungen. „Eine Triage in dem Sinn, dass eine Klinik nur einen von vier Patienten aufnehmen kann und die anderen drei jämmerlich auf der Straße sterben, kann ich mir in Köln nicht vorstellen. Aber eine Vor-Triage gibt es“, sagt Lechleuthner. Das heiße zum Beispiel in so einem Fall: „Drei Patienten werden in der Notaufnahme eines Krankenhauses eingeliefert – sagen wir einer mit Schmerzen in der Brust und zwei mit Luftnot – und währenddessen verschlechtert sich auf der Normalstation der Zustand eines Patienten. Dann müssen ja vier Menschen gleichzeitig auf die Intensivstation.“ Wenn da aber in dem Moment nur noch ein Bett frei ist, bekomme das derjenige Patient sofort, bei dem es am dringendsten sei. Die anderen drei würden auf die Intensivstationen anderer Krankenhäuser gebracht. Die sollten zwar möglichst nicht weit weg liegen. „Aber manchmal müssen wir eben auch ein Krankenhaus auswählen, das 20 oder 30 Kilometer entfernt ist“, sagt der Rettungsdienst-Leiter. Diese Art, eine Reihenfolge festzulegen, sei nicht neu in Krankenhäusern. „Trotzdem wird das natürlich ungern gemacht, weil das mit dem Risiko behaftet ist, dass der Patient sich auf dem Weg verschlechtert oder sogar verstirbt. Was aber wiederum nicht heißt, dass er auf der Intensivstation in jedem Fall überlebt hätte.“

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Ist die Triage – zu Deutsch „Auswahl“ und „Sortierung“ – also ein Schreckensszenario, das in Wahrheit gar nicht so schrecklich ist? Bei großen Schadenslagen – einem sogenannten „Massenanfall an Verletzten“ (kurz: Manv) – könnten ohnehin und unabhängig von Corona die sofort verfügbaren Kapazitäten an ihre Grenzen stoßen, direkt am Unfall- oder Katastrophenort oder in den Krankenhäusern. Das Rettungs- und Klinikwesen ist eben ein endliches System mit begrenztem Personal und Material. Denn: „Es gibt im Grunde nie freie Betten. Wenn eine Klinik 30 Prozent der Betten nicht belegen würde, würde sie nicht ökonomisch handeln“, sagt Lechleuthner. Stattdessen ist auch in so einem Fall die Lösung, dass Patienten intern kurzfristig verlegt werden, um schnell Kapazitäten zu schaffen. So, wie es etwa bei dem schweren KVB-Unfall 1999 an der Christophstraße gewesen sei. „In solchen Fällen werden in der Regel nicht alle Verletzten in dasselbe Krankenhaus eingeliefert, sondern verteilt. Dort kommen sie dann erstmal in die Notaufnahme, in den Schockraum, die Diagnostik. Wenn nötig, folgt dann noch eine Operation. Da vergeht schon mal eine Stunde“, sagt Lechleuthner. Die Klinik habe also genug Zeit, um kurzfristig Betten freizumachen durch interne Verlegung oder Verlegung in andere Häuser.“