Der kölscheste ChineseHerr Fan setzt Tünnes und Schäl als Gastronom zweites Denkmal
Köln – „Sehen sich unsere Gesichter nicht ziemlich ähnlich?“, fragt Herr Fan lachend. In der Tat ist da eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihm und dem „Tünnes“, den er für sein neues Brauhaus „Tünnes und Schäl“ am Alter Markt gekauft hat. Die Statue ist einer der Original- Entwürfe für das „Tünnes und Schäl“-Denkmal, das gleich am Hinterausgang des Restaurants steht. Tielin Fan hat die Figur für einige Hundert Euro gekauft.
Außerdem hat er noch jede Menge anderer Abbilder der beiden legendären Figuren besorgt und damit das Lokal geschmackvoll dekoriert. Zu trinken gibt es Klüngel-Kaffee, Tünnestropfen und Plüschprumm-Likör. In einer Ecke richtet sich gerade die Karnevalsgesellschaft Altstädter einen Stammtisch ein.
Er ist ein kölscher Jung
Da musste also erst ein Chinese kommen, um den beiden Figuren ein zweites Denkmal zu setzen. Zu Beginn der Pandemie hat Fan (47) das ehemalige „Täglich“ übernommen. „Ich liebe die kölsche Kultur“, erklärt er sein Engagement. „Ich bin irgendwie schon selbst ein kölscher Jung.“ Vor 20 Jahren kam er aus Peking nach Köln, um BWL zu studieren. „Das war meine erste deutsche Stadt. Ich habe mich sofort verliebt. Und ich bin geblieben.“
Das „Tünnes und Schäl“ ist schon sein zweites Lokal. 2015 übernahm er die Traditionsgaststätte „Lederer“ am Sträßchen Unter Fettenhennen, schräg gegenüber dem Café Reichard und einen Katzensprung vom Dom entfernt. Tielin Fan hat ein Gespür für zentrale Lagen.
Im „Lederer“ gibt es „Essen wie bei Oma“, sagt Fan. Muscheln, Rouladen (sein Lieblingsgericht), Halven Hahn, Himmel und Ääd. Alles wird frisch gekocht und kommt im kleinen Speisenaufzug in die Gaststube. Der WDR hat hier einen Stammtisch, genannt „Studio L“ wegen „Lederer“. Fotos von Hans Süper und Lotti Krekel zieren die Ecke. Zwölf Bewerber hatte es damals für die Übernahme des „Lederer“ gegeben. Fan überzeugte mit seiner kölschen Einstellung und seiner BWL-Erfahrung. Im „Lederer“ hat er alles so gelassen wie es war. „Nur nichts Modernes.“ Obwohl er fließend Deutsch spricht – Kölsch kann Tielin Fan nicht verstehen. „Aber ich kann gut Kölsch trinken.“
Wenn chinesische Touristen kommen, dann machen die große Augen, dass hier ein Landsmann der Chef ist. Und Tielin Fan ist stolz, ihnen die Feinheiten dieser Stadt erklären zu können. „Chinesen sind sehr dankbar.“ Und Haxen-Fans.
Nur 2400 Chinesen in Köln
Fans Geschichte ist recht ungewöhnlich. Er gehöre zur dritten Einwanderungswelle von Chinesen, sagt er. Damals kamen viele junge Leute aus eher gebildeten Schichten nach Deutschland, um zu studieren. „Das Studium war sehr anstrengend, ich hatte noch kein Wort Deutsch gesprochen.“ Viele seiner damaligen Kommilitonen arbeiten heute bei großen deutschen Firmen. Er ist als einziger in die Gastronomie gegangen.
Die Chinesen, die in den Jahrzehnten zuvor nach Deutschland kamen, erklärt Fan, stammten aus eher einfachen Verhältnissen, haben die Sprache nie richtig lernen können und meistens Restaurants aufgemacht. Die jetzige vierte Gruppe bestehe vor allem aus Kindern der ersten reich gewordenen Familien des Landes. „Sehr jung, nach 1995 geboren.“ Die würden aber lieber Reisen als Studieren, meint er lachend. Die städtische Statistik zählt rund 2400 Chinesen in Köln, das ist etwa ein Prozent aller auslandsstämmigen Einwohner. Eine Art Auslandschinesen-Gemeinde, die sich regelmäßig trifft, gebe es nicht, sagt Fan.
Tielin Fans allererstes Business nach dem Studium war der Laden „Dom Souvenirs“ gleich neben der Touristen-Information am Dom. Den betreibt er auch heute noch. Sein Vorteil: direkte Verständigung mit den chinesischen Touristen. Und tiefe Einblicke in das Reiseverhalten anderer Nationalitäten. Natürlich hat er hier alles mit Köln-Motiven im Angebot: Magnete (kaufen die Russen gerne), Schneekugeln mit Dom (beliebt bei Belgiern und Holländern).
Verkaufsschlager Kuckucksuhren
Ein nicht-kölscher Verkaufsschlager sind Kuckucksuhren. Bis zu 2000 Euro kosten die Prunkstücke. Fan sagt, er mache den besten Umsatz für den Hersteller aus dem Schwarzwald außerhalb des Stammsitzes der Firma. Das liege einfach daran, dass Chinesen und auch Amerikaner auf ihren Europa-Reisen eben nicht im abgelegenen Schwarzwald vorbeikommen – aber auf jeden Fall am Dom. Dort kaufen sie die Uhren und lassen sie sich per Luftfracht nach Hause schicken.
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Vor kurzem ist Fan seinem Gespür für Mode-Trends gefolgt. In der Komödienstraße eröffnete er einen großen „Bubble Tea“-Laden. Das knatschbunten Getränke mit den Kügelchen erleben derzeit eine Renaissance. Dutzende Unternehmer sind Fans Vorbild gefolgt. Bald, so schätzt er, wird sich der Hype aber wohl wieder legen.
Ob er schon wieder eine Idee für den nächsten Laden habe? „Ja, da könnte noch etwas kommen. Aber das muss mit kölscher Kultur zu tun haben.“