20 Prozent der Schüler haben psychische Probleme. Jeder zehnte Kölner Erstklässler hat sonderpädagogischen Förderbedarf. Alarmrufe schallen aus Kitas und Schulen - Höchste Zeit für Konsequenzen.
Kommentar zur Vernachlässigung der JugendEigentlich müssten sich Eltern irgendwo festkleben
Im vergangenen Jahr war viel die Rede davon: von der Zeitenwende und dem milliardenschweren „Doppelwumms“ der nötig war, um die brennenden gesellschaftlichen Probleme zu lösen. In der und für die Welt der Erwachsenen scheint das problemlos möglich zu sein. Dabei brennt der Baum doch längst woanders und keinen scheint das wirklich zu stören: Von den Grundschülern in NRW erreichte im vergangenen Jahr knapp ein Drittel der Viertklässler nicht mehr die Mindeststandards in Mathematik und Rechtschreibung.
Jedem zehnten Kölner Erstklässler wurde sonderpädagogischer Förderbedarf attestiert. Fast 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler haben psychische Probleme. Alarmrufe schallen aus Kitas und Schulen. Konsequenzen hat das keine. Irgendwie läuft abgesehen von notdürftigen Reparaturen alles einfach weiter. Die systematische Vernachlässigung der Jüngeren wird einfach ignoriert – ebenso wie die eindringlichen Worte des deutschen Ethikrates.
Kein Bildungs-Doppelwumms in Sicht
So bleibt die immer wieder gerne betonte Priorität für Kinder und Jugendliche ein Lippenbekenntnis. Sobald es Geld kostet, hört es mit der Dringlichkeit auf. Vom Bildungs-Doppelwumms ist keine Rede. Und eine gemeinsame Strategie von Bund, Ländern und Kommunen, die auf Prävention setzt, ist weit und breit nicht in Sicht. Dabei gab es all die Probleme schon längst vor Corona.
Dass nicht längst jede Kölner Schule eine Stelle für Schulsozialarbeit hat, ist ein Unding. Dass die massiv überlasteten Schulen jetzt angesichts der Notsituation auf Betteltour gehen müssen, um sich Ressourcen für Workshops zur psychischen Gesundheit zu erkämpfen, ist beschämend. Eine Stadt, die das Siegel „Kinderfreundliche Kommune“ trägt, sollte hier vorangehen – auch wenn es Geld kostet.
Bald gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Schon jetzt ist der Fachkräftemangel eines der gravierendsten Probleme der Zukunft. Die Viertklässler, die nicht mehr richtig rechnen und lesen können, sollen dann die Renten erwirtschaften. Und die psychisch angeschlagenen Jugendlichen von heute sollen hoffnungsvoll die Zukunft gestalten. Eigentlich erstaunlich, dass sich nicht längst Eltern irgendwo festkleben und lautstark einfordern, dass man ihre Kinder endlich ernst nimmt.
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