Kommentar zur KommunalwahlDer erste politische Stimmungstest seit Beginn der Pandemie
- Am 13. September findet in Nordrhein-Westfalen die Kommunalwahl 2020 statt.
- Das Coronavirus hat die „Normalität“ verändert – das Virus ist der neue Alltag.
- Das Virus ist ein entscheidender Faktor für die Wahl: Sie wird der erste politische Stimmungstest seit Beginn der Pandemie und wird mehr denn je beeinflussen, wie wir leben wollen.
- Ein Kommentar von Chefredakteur Carsten Fiedler.
Selten war gutes Regieren so wichtig wie jetzt. Das klingt vielleicht wie eine journalistische Übertreibung, ist aber in Zeiten der Corona-Pandemie harte Realität. Das Virus hat in Deutschland nicht nur Hunderttausende Menschen infiziert und leider auch fast zehntausend Erkrankte um ihr Leben gebracht. Es stellt auch die ganze Gesellschaft auf eine harte Probe – und wird sie nachhaltig verändern. Dass sehr vieles anders wird, wenn die Krise einmal – wann eigentlich? – vorbei sein wird, steht jedenfalls außer Frage.
Auch die Kommunalwahl in NRW am 13. September findet im Corona-Modus statt. In den Wahllokalen werden besondere Hygiene-Regeln gelten. Mehr Bürger als sonst dürften von der Briefwahl Gebrauch machen. Es wird spannend sein zu sehen, ob die Pandemie zu Verschiebungen der politischen Kräfteverhältnisse führen wird. Lässt sich der wachsende Unmut in Teilen der Bevölkerung über Corona-bedingte Einschränkungen an den Ergebnissen des Wahltags ablesen? Werden die amtierenden Bürgermeister gestärkt? Werden die regierenden Bündnisse in den Stadt- und Gemeindeparlamenten für ihr Krisenmanagement belohnt?
Der erste politische Stimmungstest nach Beginn der Pandemie
Die Kommunalwahl im bevölkerungsreichsten Bundesland wird so zum ersten großen politischen Stimmungstest nach Beginn der Corona-Krise. In der Wahrnehmung der Krise geht es ja oft um das große Ganze. Es geht um Billionen-Euro-Rettungspakete für die Schlüsselindustrien und die großen Konzerne, die massive Unterstützung in Zeiten der Krise eingeklagt – und bekommen haben. Getragen wird unser Staat aber ganz wesentlich von dem viel größeren Kleinen: vom Vertrauen des Einzelnen in den Staat; von der Arbeit in den Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern; von den kleinen und mittleren Unternehmen, die die meisten Arbeitsplätze schaffen.
Ihnen geht es in der Corona-Krise schlecht. 2021 wird für viele zum Jahr der Wahrheit werden, denn dann werden die Staatshilfen längst nicht mehr so üppig fließen können wie jetzt. Wie viele Restaurants und Gaststätten werden überleben? Was ist mit dem Kulturbetrieb in unseren Städten, diesem gesellschaftlichen Treibmittel, ohne das wir nicht Mensch sein können? Was ist mit den kleinen Geschäften, mit dem Einzelhandel, mit der Autowerkstatt?
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Die Pandemie hat schonungslos auch Versäumnisse der Vergangenheit bloßgelegt: die unterbliebene Digitaloffensive an den Schulen; das fortgesetzte Debakel bei der Instandhaltung von Schulgebäuden; das tatenlose Zuschauen bei der Verödung unserer Innenstädte.
Viele offene Fragen in Köln, die dringend Antworten brauchen
Karstadt/Galeria Kaufhof schließt jetzt Dutzende Filialen, viele kleinere Händler sind längst weg. Wer stoppt den Niedergang der Hohe Straße und der Ringe in Köln? Wer kümmert sich um die Umsetzung der Megathemen Verkehrswende und Digitalisierung vor Ort? Wer realisiert neue Konzepte für ein ökologisch und sozial verträgliches Wohnen in der Stadt und auf dem Land?
Ja, gutes Regieren ist so wichtig wie selten zuvor – und zwar insbesondere auf der kommunalen Ebene! Bund und Länder haben schnell Milliarden zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie bereitgestellt. Aber es ist vermutlich einfacher, das Geld zu geben, als die damit finanzierbaren Projekte auch wirklich zeitnah umzusetzen. Eine Aufgabe, die dann wieder vornehmlich den Kommunen zukommt.
Die Kommunalwahl als Test für die Demokratie
Regierende und Opposition – ob im Bund, im Land oder in den Städten und Gemeinden – brauchen Legitimation. Ein starkes Sinken der Wahlbeteiligung infolge der Pandemielage wäre darum fatal. Wahlsieger und -verlierer gleichermaßen hätten dann mit ihrer Legitimation zu kämpfen. Wie sollen sie, die sich für eine kaum nennenswerte Aufwandspauschale engagieren, denn dann noch Politik machen in dem Bewusstsein, für die Menschen ihrer Kommune oder ihres Landkreises auch wirklich „Volksvertreter“ zu sein?
Die Kommunalwahl ist auch in dieser Hinsicht ein Test. Nicht nur für diejenigen, die sich zur Wahl stellen. Sondern auch für diejenigen, die wählen. Ein Test, wie ernst wir unser politisches System nehmen, und wie ernst es uns damit ist, es zu verteidigen. Es ist wichtig, dass nicht nur diejenigen wählen, die die größte Wut haben. Es darf nicht so weit kommen, dass schon Stimmabgabe per Briefwahl als zu großer Aufwand erscheint.
Wir wollen lebendige Innenstädte und Gemeinden, herausragende Schulen und Kindergärten, eine florierende Wirtschaft, bezahlbare Wohnungen, eine lebenswerte Umwelt, eine funktionierende, leistungsfähige Infrastruktur, ein Kulturleben voller Brillanz. All das steht zur Wahl. Nichts weniger.