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Kontakt halten, den Druck rausnehmenWie Kölner Schulen mit der Corona-Krise umgehen

Lesezeit 4 Minuten

Drohen wieder leere Klassenzimmer?

  1. Schule in Zeiten von Corona – für Schüler, Eltern und Lehrer bedeutet das vor allem eines: Unsicherheit und ein ständiges Jonglieren mit neuen Sachlagen.
  2. Viele Lehrer schreiben jetzt täglich Newsletter, beantworten die Fragen besorgter Schüler, Eltern und Kollegen.
  3. Der enge Austausch zwischen Lehrern und Schülern, ob per Mail, Whatsapp oder Telefon, sorgt zumindest etwas für Ruhe.

Köln – „Abflug“ sollte das Thema der diesjährigen Mottowoche am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium (FWG) lauten. Doch nun gibt es keine Mottowoche, der Abflug ist zu früh erfolgt, und ob und wann es einen Abiball gibt, steht in den Sternen. „Die Abiturienten tun mir wirklich leid. Die sind total frustriert“, sagt Meinolf Arnold, Rektor am FWG.

Als sie am Freitag vor zwei Wochen erfuhren, dass dies ihr allerletzter Schultag gewesen ist, seien sie völlig konsterniert gewesen. Dass die Landesregierung nun die Verschiebung der Abschlussprüfungen beschlossen hat, kommt auch für ihn völlig überraschend.

Unsicherheit und unübersichtliche Lage

Schule in Zeiten von Corona – für Schüler, Eltern und Lehrer bedeutet das vor allem eines: Unsicherheit und ein ständiges Jonglieren mit neuen Sachlagen. Was an einem Tag galt, ist am folgenden schon überholt. In unübersichtlicher Lage müssen die Schulen versuchen, Orientierung zu geben und ein Mindestmaß von Ordnung aufrechtzuerhalten.

Was das bedeutet, formuliert Arnold so: „Unsere wichtigste Aufgabe ist im Moment, den Kontakt zu halten. Und den Druck raus zu nehmen, den sich alle machen.“ Sein Kollege Martin Süsterhenn von der Katharina-Henoth-Schule in Höhenberg sieht es ähnlich: „Vor allem im Moment sind wir nicht in erster Linie Lehrer, sondern Menschen.“

Schulstunde per Video-App

Wichtiger als der Schulstoff sei es, den Gesprächsfaden zwischen den Schülern untereinander und mit den Lehrern nicht abreißen zu lassen. Viele tun das mit Kreativität und großem Engagement. An der Ernst-Moritz-Arndt-Grundschule in Rodenkirchen etwa haben einige Klassen sich bereits zu einer Schulstunde per Video-App getroffen.

„Die Kinder erzählen, wie es ihnen in den vergangenen Tagen ergangen ist, und erleben so wenigstens ein bisschen das Gemeinschaftsgefühl, das Schule ja auch bedeutet“, sagt Schulleiterin Ute Kochsiek.

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Rektor Süsterhenn hat seine Schüler in einem sehr persönlich gehaltenen, handschriftlichen Aufruf aufgefordert, eine Art Tagebuch zu schreiben. „Vielleicht können wir ja dann, nach der Corona-Zeit, einige der Eintragungen zu einem Buch zusammenstellen“, heißt es dort.

Und das FWG stellte das Foto eines verwaisten Klassenraums auf seine Homepage und rief die Schüler auf, es durch eigene Bilder zu ersetzen. Dort lümmeln sich nun grüne Coronaviren in den Schulbänken. Ikarus wird nicht die Sonne, sondern das Virus zum Verhängnis. Und ein Schüler buchstabiert FWG ganz neu: Fast Wie Ausgestorben.

„Wir wissen ja gar nicht, wie die Lage in den einzelnen Familien ist“

Wie viele seiner Kollegen schreibt Schulleiter Arnold jetzt täglich Newsletter, beantwortet die Fragen besorgter Schüler, Eltern und Kollegen. Etwa danach, wie der Unterrichtsstoff, der ja nicht weniger wird, in diesem Halbjahr noch zu bewältigen ist und wie sich das auf die Noten auswirken wird. Sein Mantra: sich auf das Wesentliche konzentrieren.

Kaum Notbetreuung

In den städtischen Schulen werden derzeit insgesamt 619 Schülerinnen und Schüler betreut. An den Wochenenden ist der Bedarf bislang verschwindend gering. So wurden am vergangenen Samstag nur 12 Kinder, am Sonntag acht Kinder für die Betreuung angemeldet.

Bei den unter Sechsjährigen sieht es wie folgt aus: 135 Kinder werden in Tagespflege, 199 Kinder in 75 städtischen Kitas und 582 Kinder in Kitas freier Träger betreut.

Dies sind weniger als zwei Prozent der Plätze. Die Zahlen sind immer eine Momentaufnahme und nicht alle Kinder nehmen den normalen Umfang ihrer Betreuung in Anspruch, das ist laut Stadt eher die Ausnahme. (jac)

Dabei muss er auch schon mal ambitionierte Lehrer bremsen. Zwei bis drei Stunden Lernen am Tag seien laut den Vorgaben des Schulministeriums für weiterführende Schulen ausreichend. Jetzt Aufgaben zu stellen, mit Deadlines für die Abgabe, gehe an der Situation vorbei. „Wir wissen ja gar nicht, wie die Lage in den einzelnen Familien ist“, so Arnold. „Bangen die Eltern um ihre Arbeit, ist jemand erkrankt, dann machen sich auch die Kinder Sorgen und können gar nicht lernen.“ Eine „Riesen-Blase“ sei das, die man nur erahnen könne.

Enger Austausch sorgt für Ruhe

Fragen, die auch den Leiter der Katharina-Henoth-Gesamtschule in Höhenberg umtreiben. Viele seiner Schüler haben es schon in normalen Zeiten nicht gerade leicht. Sie leben oft in beengen Wohnverhältnissen, 70 Prozent beziehen soziale Transferleistungen wie etwa Hartz IV.

„Diese Schüler haben teils gar keine Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten, weil sie keinen Computer und keinen ruhigen Arbeitsplatz haben“, sagt Süsterhenn. Der enge Austausch zwischen Lehrern und Schülern, ob per Mail, Whatsapp oder Telefon, haben nach seiner Beobachtung aber schon für eine Menge Ruhe gesorgt. „Wir haben viele positive Rückmeldungen. Die Schüler sind für die Ansprache sehr dankbar.“