Kölner Schulessen in der Kritik„Dreimal die Woche gibt es Nudeln mit Soße“
Köln – Wenn es ein Schulthema gibt, das abseits von Unterricht, Klassenarbeiten und Noten, in Familien die Gemüter erhitzt, ist es das leidige Thema Schulessen. Wer negative Kommentare von Kölner Schülerinnen und Schülern sucht, braucht sich nicht lange umhören: „Entweder sind die Kartoffeln total matschig oder steinhart.“ – „Die Soße ist weiße Pampe.“ – „Alles ist ungewürzt.“ – „Dreimal die Woche gibt es Nudeln mit Soße“ - „Frischen Salat gibt es eigentlich nie.“ Während in Deutschland gesundes Essen von Low Carb bis Bio boomt und in den Supermärkte die Regale mit veganen Produkten immer länger werden, hat das deutsche Schulessen einen konstant schlechten Ruf.
3,5 Millionen Kinder und Jugendliche essen in Deutschland in Ganztagsschulen zu Mittag. Die meisten von ihnen nur so lange, wie sie unbedingt müssen: Spätestens wenn sie als Achtklässler in der Mittagspause das Schulgelände verlassen dürfen, pilgern sie zur Fastfood-Bude oder in den Supermarkt, um Döner, Pommes oder Chips zu kaufen.
Nur jeder Dritte isst in der Schule
Dabei ist das Schulessen eine Blackbox: Eltern hören das Klagen ihrer Kinder, aber so richtig wissen sie nicht, was ihre Kinder essen. Dazu passt, dass es zu Schulessen keinerlei Evaluierungen gibt. Die letzte und einzige bundesweite Erhebung zur Qualität ist schon sieben Jahre alt. Damals kam raus, dass in der Sekundarstufe nur noch 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler das Essensangebot nutzten. Und dass in jeder zweiten Schule das Essen nicht den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entspricht. Das heißt: zu wenig Gemüse und Rohkost, zu viel Fleisch, zu viele Süßspeisen. Nur jede fünfte Schule hielt sich an die Empfehlung, maximal zwei Mal pro Woche Fleisch anzubieten. Lediglich in 14 Prozent der Schulen wird vor Ort frisch gekocht.
Das Problem liegt an der Wurzel: Während für alles in Deutschland Normen und Regeln existieren, gibt es ausgerechnet für das Schulessen keine bundesweit gesetzlichen Vorschriften, an die sich die Caterer halten müssten. In anderen Ländern ist das schon lange anders: In Italien wird nach festgeschriebenen Fett-, Salz- und Zuckeranteilen gekocht. In England verpflichtet sich jeder Caterer die Nährstoffempfehlungen einzuhalten und selbst in den USA sind Standards bindend – etwa dass jeden Tag Obst oder Gemüse angeboten werden muss.
In Deutschland gibt es keine Kontrollen
Der Bund empfiehlt lediglich die Einhaltung der DGE-Standards. Kontrollieren tut das keiner. Aufgrund des Föderalismus könnten nur die Länder für die Schulverpflegung verpflichtend die Einhaltung der Standards der DGE vorschreiben. Nordrhein-Westfalen hat das – anders als etwa Berlin - bislang nicht getan. Derzeit laufen die Koalitionsverhandlungen für eine NRW-Landesregierung – damit gäbe es die Option, dem Thema Schulessen einen neuen Stellenwert zu geben. Zumal die Grünen das Thema in ihrem Wahlprogramm aufgegriffen hat.
Die Grünen wollen es gesünder, nachhaltiger und preiswerter machen: „Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche in der Schule eine gesunde und bewusste Ernährung praktisch erleben und einüben können, ohne die Eltern finanziell zu belasten“, heißt es dort. Deshalb wolle man Schulen und Schulträger mit Förderprogrammen unterstützen. Ob es das Thema „Schulessen“ tatsächlich in den Koalitionsvertrag schafft oder ob es weiter dem freien Markt überlassen bleibt, was Schülerinnen und Schüler in NRW aufgetischt bekommen, ist aber noch offen.
Riesige Preiskonkurrenz unter Caterern
Ein Blick auf die Perspektive der Caterer zeigt, dass neben fest verbindlichen Standards Geld ein zentraler Hebel ist, wenn Veränderung gelingen soll: „Es gibt unter den Caterern eine riesige Preiskonkurrenz. Der Druck ist hoch, erläutert etwa Petra Gobelius, Geschäftsführerin des Schul- und Kitacaterers „Kinder-Cater“. Ihr in Bergheim angesiedeltes Unternehmen beliefert inzwischen 40 Kitas und Schulen in Köln und im Rhein-Erft-Kreis mit täglich 6000 Essen. Derzeit bietet sie ein Schulessen für 3,50 Euro an. Damit liegt der Kinder-Cater im mittleren Segment. An anderen Schulen, wie etwa einem Gymnasium in der Innenstadt, liegt der Preis bei 5 Euro. Salat kostet extra.
„Das Problem ist aber, dass es auch Schul-Caterer gibt, die ein Essen für 2,20 Euro anbieten und die Preise in den Keller ziehen.“ Da würden dann eben Restposten aufgekauft und es gebe noch öfter Nudeln mit Sauce. Und für die Entscheidungsträger vor sei eben der Preis oft das entscheidende Kriterium. „Wenn man zu teuer ist, bekommen andere den Zuschlag. Es ist ein echter Balanceakt, wenn man Qualität und regionale Produkte anbieten will“, so Gobelius zur Konkurrenz auf dem Caterermarkt.
Noch mehr Convenience oder noch höherer Preis
Zum neuen Schuljahr werden sie wohl unweigerlich wieder an der Preisschraube drehen: Höherer Mindestlohn, teurere Lebensmittel durch Inflation und höhere Spritpreise für die Lieferung. Entweder noch mehr Fertig-Fruchtjoghurt, Convenience und Nudeln oder Preiserhöhung – das ist die Konsequenz. „Ich müsste schon jetzt die Preise um 20 Prozent erhöhen, um die Mehrkosten aufzufangen“, sagt Gobelius.
Die Frage ist andererseits auch, welcher Preis zumutbar ist. Denn: Die Eltern müssen den Beitrag für das Schulessen selber tragen. Lediglich Kinder, die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beziehen, essen gratis. „Es ist eine Frage des finanziellen Rahmens“, sagt Antje Schmidt, Schulleiterin des Albertus-Magnus-Gymnasiums. Man hat ganz tolle Möglichkeiten, wenn man kräftig in die Tasche greift.“ Für sieben Euro pro Mahlzeit könne man ein exzellentes Bio-Essen bekommen mit Salat und gesundem Nachtisch. Ganz so teuer müsste es nach einer Untersuchung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aber gar nicht sein. Zumindest die Einhaltung der DGE-Standards wäre für ein Plus von weniger als zehn Cent pro Mahlzeit zu haben.
Berlin könnte Vorbild sein
„Die Lösung wäre, das Essen einheitlich aus einem Topf zu subventionieren“, sagt Gobelius. Dann wäre der Preisdruck raus. Berlin macht das so: Dort erhalten alle Schüler bis einschließlich sechste Klasse das Mittagessen kostenlos. Und die Caterer bekommen einen Fixpreis von 4,09. Eine andere Option wäre, die Schulcaterer dauerhaft nicht mit 19 Prozent Mehrwertsteuer zu belasten, während die Currywurst im Imbiss mit 7 Prozent besteuert wird.
Aber all das hilft nur dann, wenn das Essen auch schmeckt. Dass es an sehr vielen Schulen nicht so ist, sorgt dafür, dass viele Kinder auf Fastfood zurückgreifen. Was aus gesundheitlichen Gründen nicht wünschenswert ist: Schon vor Corona war jedes 7. Kind übergewichtig. In der Pandemie hat jedes sechste Kind noch zugenommen, bei den zehn- bis zwölfjährigen sogar jedes 3. Kind.
Eltern stehen wieder täglich am Herd
Eltern, die ihre Kinder gesund ernähren wollen, stehen deshalb wieder täglich am Herd: Entweder, um dem Kind morgens etwas mitzugeben, oder eben abends warm zu essen. „Eigentlich wurde der Ganztag auch eingeführt, um Familien zu entlasten und die Vereinbarkeit ermöglichen“, sagt Stephanie Nonn, Ganztagsfachberaterin für die Gymnasien bei der Bezirksregierung und Ganztagskoordinatorin am Montessori-Gymnasium. Es könne nicht sein, dass das durch die mangelnde Attraktivität des Essens konterkariert werde. „Zumal das wieder hauptsächlich die Frauen betrifft.“
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Sie fordert offenere Konzepte. Etwa eine Salatbar – und die Möglichkeit, den Salat dann auch draußen zu essen. „Es gibt sehr viele Schülerinnen und Schüler, denen gesunde Ernährung eigentlich wichtig ist. Denen muss man dann auch etwas anbieten.“