Vor zwei Jahren hatte das Land angekündigt, eine schnelle Entscheidung zu treffen, ob die Uniklinik und die städtischen Kliniken zusammenarbeiten.
„Zu wenig und zu spät“Land will möglichen Kölner Klinikverbund mit der Stadt besprechen
Nach mehr als einem Jahrzehnt mit insgesamt rund 450 Millionen Euro Verlusten heißt es recht nüchtern im Beteiligungsbericht der Stadt Köln zu ihrer hundertprozentigen Tochter, den städtischen Kliniken, dass sie sich in einer „erheblichen wirtschaftlichen Schieflage“ befinden. Geschäftsleitungen kamen und gingen in den vergangenen Jahren, die Verluste blieben, mal niedriger, mal höher.
Im Jahr 2018 hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) eine mögliche Rettungsstrategie präsentiert: Die städtischen Kliniken sollten mit der landeseigenen Kölner Uniklinik einen Verbund schließen, dadurch Geld sparen, Verluste reduzieren und die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern. Doch auch die Uniklinik hatte ab 2019 für drei Jahre Verluste von 180,4 Millionen Euro angehäuft, machte zuletzt aber wieder leichte Gewinne.
Es geht bei dem Verbund um insgesamt rund 3000 Krankenhaus-Betten, 17.000 Beschäftigte und 1,3 Milliarden Euro Umsatz (siehe Info-Text am Ende des Artikels). Große Zahlen.
Rekers erster Aufschlag ist sechs Jahre her – wirklich voran kam die sogenannte „Charité des Westens“ aber nicht. Vor zwei Jahren hatten Uniklinik und Stadt dem Land ein Konzept für den Verbund präsentiert, die beteiligten Ministerien in Düsseldorf kündigten damals eine „schnelle Entscheidung“ an. Daraus wurde nichts, die Sprecher in Düsseldorf verwiesen stets auf laufende Abstimmungsgespräche (wir berichteten mehrfach).
Am Donnerstag kam zumindest eine Regung aus Düsseldorf: Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Regierungskreisen erfuhr, hat das Land NRW der Stadt Köln ein Angebot für Sondierungsgespräche vorgelegt. Das bestätigte Stadtsprecherin Simone Winkelhog: „Es gibt bislang eine mündliche Ankündigung, dass ein schriftliches Angebot kommt.“ Deshalb kann die Verwaltung laut Winkelhog nicht mehr dazu sagen, etwa, wann die Gespräche stattfinden.
Klinikverbund?: Erstmal nur Gespräche
Nach Informationen dieser Zeitung geht es zunächst tatsächlich nur um reine Gespräche, und zwar ergebnisoffene. Dass die Verantwortlichen in Düsseldorf mit der Stadt über einige Eckdaten sprechen wollen, bedeutet demnach nicht, dass sie sich für den Klinikverbund aussprechen.
Ralf Unna, Ratsmitglied der Grünen und Aufsichtsratschef der Kölner Kliniken, sagte am Donnerstag: „Mir als Aufsichtsratsvorsitzenden liegt bisher schriftlich nichts vor. Der Hauptausschuss des Rates hat das Thema nach meinem Verständnis im Sommer beerdigt. Und eine mündliche Ankündigung von Sondierungsgesprächen ist für mich irrelevant. Das ist zu wenig vom Land und kommt auch zu spät.“ Falls das Land es ernst meine, erwartet Unna eine schriftliche Bitte um Verhandlungen und eine hochkarätige und entscheidungsfähige Kommission.
Wie berichtet, hatte der Ausschuss angesichts der Finanzkrise härtere Maßnahmen beschlossen, um die Verluste zu reduzieren. In dem Beschluss heißt es: „Eine Entscheidung der Landesregierung über den Klinikverbund liegt nicht vor. Wir bedauern, dass die intensiven Bemühungen nicht zu einem konstruktiven Verhandlungsprozess durch das Land geführt haben.“
Über die Jahre hatte Reker sich immer wieder eine Entscheidung aus Düsseldorf gewünscht – vergebens. Vorigen Dezember forderte sie erneut eine Entscheidung im Frühjahr – wieder vergebens.
Das Mehrheitsbündnis im Kölner Stadtrat aus Grünen, CDU und Volt (50 von 90 Sitzen) hatte im April genug von der Sprachlosigkeit der schwarz-grünen Landesregierung. In einem zweiseitigen Brief der Fraktionen an Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hieß es: „Das Verständnis für die Dauer dieses Prozesses ist in Köln jedoch zu einem Ende gekommen.“
Aus drei Standorten wird einer
Um nicht einfach weiter hunderte Millionen Euro Verluste einzusammeln, während die Stadt auf eine Antwort aus Düsseldorf zum Verbund wartet, hatte der Rat eine komplett neue Strategie für die Kliniken im Sommer 2023 beschlossen. Aus den drei Standorten in Riehl, Holweide und Merheim soll ein großer Campus in Merheim entstehen, die Leistungen aus Riehl und Holweide sollen zukünftig dort angeboten werden. So erhofft die Stadt sich langfristig, jährlich nur noch 2,5 Millionen Euro Verluste einzufahren.
Doch bevor es möglicherweise besser wird, muss die Stadt erstmal sehr viel Geld investieren. Vor zwei Jahren war sie von 820 Millionen Euro ausgegangen, 590 Millionen Euro davon für den Um- und Neubau von Häusern, 290 Millionen Euro für die Betriebssicherung. Ab dem Jahr 2031 könnte der neue Gesundheitscampus fertig sein.
Unter anderem muss das Bettenhaus in Merheim saniert werden, laut eines Berichts der Geschäftsführung vom Jahresanfang war dort kein „ordnungsgemäßer Patientenbetrieb“ möglich (wir berichteten). „Aufgrund der desolaten baulichen Struktur muss zunächst das Bettenhaus am Standort Merheim wieder in einen Zustand versetzt werden, der einen ordnungsgemäßen Patientenbetrieb ermöglicht“, hieß es darin.
Kliniken belasten Haushalt der Stadt
Vergangene Woche hatte Kämmerin Dörte Diemert die Finanzierung der Kliniken und den Bau des neuen Campus als einen der Schwerpunkte der nächsten Jahre bezeichnet, den die Stadtspitze verfolgen will – trotz der bevorstehenden Schuldenkrise. Laut Diemerts Prognose könnten die Schulden der Stadt Köln in den nächsten fünf Jahren von knapp 3,9 auf 10,8 Milliarden Euro steigen.
Und die Finanzkrise der städtischen Kliniken belastete den Haushalt massiv: Bis Ende 2023 hat die Stadt ihrer hundertprozentigen Tochter 533,2 Millionen Euro über Kredite gezahlt. Und um die bilanzielle Überschuldung der Kliniken zu vermeiden, hat die Stadt diese Summe per Austausch in das Eigenkapital der Kliniken überführt – doch die halbe Milliarde Euro fehlt nun im städtischen Haushalt und verringert die Rücklagen um knapp zehn Prozent auf 4,89 Milliarden Euro.
Im Vergleich:
Arbeitsplätze:
Städtische Kliniken: 4500
Uniklinik: 12.500
Umsatz:
Städtische Kliniken: rund 380 Millionen Euro
Uniklinik: 923 Millionen Euro
Betten:
Städtische Kliniken: 1400
Uniklinik: 1500
Patienten:
Städtische Kliniken: 48.500 (stationär)/159.500 (ambulant)
Unikliniken: 61.595/428.089