Sparen, um selbst über die Finanzen zu entscheiden. Das ist die Taktik der Stadt angesichts der finanziellen Krise.
„Tiefes, tiefes Rot“Schulden der Stadt Köln könnten um mehrere Milliarden Euro explodieren
Um 9.48 Uhr an diesem Donnerstagmorgen klingelt plötzlich das Handy eines Ratsmitglieds, der Klingelton passt gut zum Thema der Sitzung: Es ist „Money, Money, Money“ von Abba. Und eben um Money, also Geld, geht es an diesem Tag im Ratssaal, oder besser gesagt: um das fehlende Geld.
Angesichts der höchst kritischen Haushaltssituation spricht die Verwaltung von einer „deutlichen Zeitenwende“ der Finanzen. Vor zwei Jahren hatte Kämmerin Diemert gesagt, die Stadt segele hart am Wind, nun sagt sie: „Der Sturm hat uns eingeholt.“ Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was ist der städtische Haushalt?
In der rund 2500 Seiten starken Übersicht listet die Verwaltung ihre Finanzlage auf. Für den Doppel-Haushalt 2025/2026 macht sie das sehr konkret, über dieses Zahlenwerk soll der Stadtrat am 13. Februar entscheiden. In den Wochen danach entscheidet die Bezirksregierung, ob sie den Haushalt genehmigt. Vor zwei Jahren brauchte die Bezirksregierung etwas mehr als vier Wochen. Diemert bezeichnet den Entwurf als „genehmigungsfähig“, es sei aber „kein Selbstläufer“. Erst nach der Entscheidung der Bezirksregierung als Prüfbehörde gilt er.
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Am Donnerstag brachte Oberbürgermeisterin Henriette Reker den Entwurf in den Rat ein, der ihn zunächst zur Kenntnis nahm. Will er daran noch etwas ändern, soll er laut Reker Vorschläge machen, wie er diese bezahlen will. Üblicherweise setzt sich das Mehrheitsbündnis mit seinen Ideen per sogenanntem politischen Veränderungsnachweis durch, das sind in Köln Grüne, CDU und Volt (50 von 90 Sitzen). Sie können also etwa freien Trägern doch noch Geld geben, darauf dürfen diese in den nächsten Wochen hoffen. Aber auch die anderen Fraktionen machen Vorschläge, finden dafür aber üblicherweise keine Unterstützung.
Wie groß ist der Haushalt?
Es sind neue Rekordausgaben, die Kämmerin Dörte Diemert präsentierte. Zum ersten Mal knackt der Haushalt die Sechs-Milliarden-Euro-Grenze. Im nächsten Jahr sind es 6,45 Milliarden Euro, im Jahr darauf 6,69 Milliarden Euro. Ein gern genommener Vergleich ist der mit dem Saarland: Das Bundesland, in dem in etwa so viele Menschen wie Köln wohnen, hatte 2024 geplante Ausgaben von 5,85 Milliarden Euro, die Stadt Köln 5,92 Milliarden Euro, also etwas mehr.
Warum gibt die Stadt Köln so viel aus?
Reker begründete die Rekordausgaben unter anderem mit mehr Aufgaben, die Bund und Land an die Stadt delegieren – aber dafür nicht komplett bezahlen. Weitere Mehrbelastungen sind demnach Baukosten, Zinssteigerungen oder höhere Personalausgaben durch Tariferhöhungen und ausbleibende Einnahmen durch die Gewerbesteuer aufgrund der konjunkturellen Lage.
Wie setzen sich die Ausgaben zusammen?
Der größte Brocken im nächsten Jahr sind 1,43 Milliarden Euro für die sogenannten „übrigen Produktbereiche“. Der Begriff steht unter anderem für Bauen und Wohnen, Verkehrsflächen, dem öffentlichen Personennahverkehr oder Kultur und Wissenschaft. Dahinter folgen soziale Hilfen (1,28 Milliarden Euro) und die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe (1,27 Milliarden Euro).
Wie sehen die nächsten Jahre aus?
Schlecht. Diemert geht die nächsten fünf Jahren von jährlichen Verlusten zwischen 395,1 und 484,7 Millionen Euro aus. Bis zum Jahr 2029 entspricht das addiert rund 2,1 Milliarden Euro. Die sogenannte Ausgleichsrücklage wird laut der Kämmerin spätestens nächstes Jahr aufgebraucht sein. Sie sagte: „Denn das aktuelle Jahr und die nächsten Jahre, das ist eindrucksvoll zu erkennen, laufen in ein tiefes, tiefes Rot.“
Was heißt das für die Schulden?
Sie explodieren regelrecht. Aus rund drei Milliarden Euro bei der Präsentation des Haushaltes im Jahr 2022 sind nun 3,87 Milliarden Euro geworden. Und bis 2029 sollen es sogar 10,79 Milliarden Euro sein – eine Steigerung um 178 Prozent. Bestätigt sich diese Entwicklung, verliert die Stadt Köln bis 2029 insgesamt rund 1,4 Milliarden Eigenkapital, das sind 28 Prozent des aktuellen Eigenkapitals von fünf Milliarden Euro. Diemert sagte: „Die Folge der hohen Verschuldung wird sein, dass ein immer größerer Teil unseres Vermögens nicht mehr uns, sondern den Banken gehört.“
Wie will die Stadt Geld sparen?
Unter anderem plant sie weniger Ausgaben in der Verwaltung von jährlich 93,5 Millionen Euro im nächsten Jahr, bis 2029 sollen es 115,1 Millionen Euro sein. Das will sie beispielsweise dadurch erreichen, dass kein zusätzliches Budget für neue Stellen geschaffen wird. Und sie streicht über alle Dezernate weg Geld für die jeweiligen Bereiche. Wie berichtet, hatten etwa viele Träger schon im Vorfeld einen „Kahlschlag“ befürchtet.
Was wäre, wenn die Stadt nicht sparen würde?
Dann rutscht sie laut Diemert ins Haushaltssicherungskonzept. In diesem Fall müsste die Stadt darlegen, wie sie schnellstmöglich den Haushalt ausgleichen will, also keine Verluste mehr macht. Die Bezirksregierung müsste dieses Konzept genehmigen, der Spielraum der Stadt könnte deutlich kleiner werden. Reker sagte: „Entweder übernehmen wir Verantwortung und treffen im Rahmen der vor uns liegenden Haushaltsberatungen schwierige Entscheidungen – oder andere tun es für uns.“ Laut Diemert verschafft der Haushaltsentwurf der Stadt eine Atempause, die Situation sei aber alles andere als stabil.
Höhere Gebühren für die Bürgerinnen und Bürger, aber die Bauprojekte wie die Bühnen am Offenbachplatz der Stadt werden immer teurer. Was sagt Reker dazu?
Reker sagte zum Ärger vieler Bürger zu der mittlerweile fast 1,5 Milliarden Euro teuren Bühnen-Sanierung am Offenbachplatz und anderer teurer Bauprojekte: „Natürlich merke ich das. Es ist nur keine Möglichkeit, eine Baustelle stehenzulassen.“ Es sei ein Problem, das zu erklären. „Wir sind in vielen Bereichen Verpflichtungen eingegangen und haben viele Baustellen in der Stadt. Wir machen viel gleichzeitig, das ist auch eine Belastung für alle." Doch wenn man eben lange nichts getan habe, müsse man viel auf einmal machen, sonst bekomme man keine Betriebserlaubnis mehr. Beispielsweise das Römisch-Germanische Museum (RGM) direkt am Welterbe Dom musste die Stadt Ende 2018 schließen, weil sie irgendwann nicht mehr die Betriebserlaubnis verlängern konnte. Nun wird das RGM für voraussichtlich ein Jahrzehnt am Roncalliplatz saniert werden.