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Lange Wartelisten, überlaufene StellenDie schwierige Situation bei der Kölner Tafel

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Karin Fürhaupter mit einer Box für Bedürftige

KölnFrau Fürhaupter, wie wird man Leiterin der Kölner Tafel?

Als ich 1998 nach Köln kam, war meine ältere Tochter fünf Jahre alt und ich suchte eine ehrenamtliche Aufgabe. Ich habe beim Fahrdienst der Kölner Tafel angefangen. Ich stand schon damals hundertprozentig hinter dem genialen Konzept, überschüssige Lebensmittel zu verwenden, statt wegzuwerfen. 2007 wurde ich erste Vorsitzende, als die damalige Chefin und Tafelgründerin, Beate Welbers, in den Ruhestand ging. Heute sind wir mit dem Lager, den drei Kühlhäusern, den Büros und dem Fuhrpark im Rodenkirchener Gewerbegebiet am Kirschbaumweg angesiedelt.

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Worauf kommt es an in Ihrer Position?

Der Respekt gegenüber den Helfern und genauso gegenüber den Empfängern ist sehr wichtig. Dann braucht man große Bereitschaft zur Zusammenarbeit, Organisationsgeschick. Und man darf keine Angst vor Veränderungen haben. Wir müssen hier Abläufe ständig ändern, uns von Konzepten verabschieden und uns fragen, wie wir ständig neu auftauchende Probleme lösen. Zum Beispiel, wenn wir unerwartete Lieferungen etwa vom Landesverband der Tafel so schnell wie möglich verteilen müssen.

Zur Person

Karin Fürhaupter engagiert sich ehrenamtlich seit mehr als 20 Jahren bei dem Verein „Kölner Tafel“ und ist seit zwölf Jahren die erste Vorsitzende. Sie arbeitet zudem in Teilzeit als Geschäftsführerin und ist Vorsitzende des Stiftungsrates der Kölner Tafel.

Die 59 Jahre alte studierte Betriebswirtschafterin ist in München aufgewachsen und lebt seit 1998 in Sürth. Sie hat zwei erwachsene Kinder. Ihr Hobby ist die Bienenzucht, sie singt im Chor „Vo!ce Rodenkirchen“ und spielt Basketball, wenn es die Zeit erlaubt. (süs)

Sind Sie eine gute Netzwerkerin? Immerhin ist die Tafel auf Sponsoren angewiesen.

Bin ich eigentlich nicht. Aber ich kenne Leute, von denen ich weiß, dass sie gute Verbindungen haben. Und ich weiß, wo ich mich hinwenden kann , wenn ich Unterstützung brauche.

Wie akut ist die Armut in Köln aus Sicht der Tafel?

Zahlen kann ich nicht nennen, aber alle Ausgabestellen sind überlaufen und wir haben lange Wartelisten. Das zeigt mir, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird.

Die Kölner Tafel

Die Kölner Tafel ist ein mildtätiger Verein, der überschüssige und verwertbare Lebensmittel an Einrichtungen für bedürftige Menschen verteilt. Gegründet wurde er im Jahr 1995 von Beate Welbers.

Etwa 130 Lieferanten spenden regelmäßig qualitativ bedenkenlose Ware an die Kölner Tafel. Dazu gehören Bäckereien, Großmarkthändler, Supermärkte und Obst-und Gemüsebauern.

Der Verein finanziert sich überwiegend über Spenden und die Beiträge der Mitglieder. Die „Kölner-Tafel-Stiftung“ unterstützt seit dem Jahr 2007 den Verein – in erster Linie durch die Beschaffung von Spenden und Zustiftungen sowie durch Öffentlichkeitsarbeit. (süs)

Fast jeder siebte Rentner ist laut aktueller Zahlen von Armut betroffen. Spiegelt sich das bei der Tafel wider?

Viele Ältere haben geringe Renten und keine Chancen mehr auf dem Arbeitsmarkt. Das Problem ist, dass sie sich schämen und trotz der Not oftmals nicht zu den Ausgabestellen kommen. Andere haben Angst. In den langen Warteschlangen mit Dutzenden anderer Bedürftiger gehen manche Ältere regelrecht unter. Wir sollten mehr Ausgaben für diese schützenswerte Gruppe einrichten. Daran arbeiten wir. Das klingt nach einer Bevorzugung, aber dazu stehe ich. In Sülz gibt es eine Ausgabe für Menschen ab 60, sie wird gut angenommen.

Wie viele Menschen unterstützt die Tafel?

Wir, also unsere 90 Ehrenamtlichen, fahren 100 Stellen einmal pro Woche an, viele davon sind Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfen und Mutter-Kind-Wohnheime. Es gibt 35 Ausgaben, an denen sich die Menschen anstellen. Die größten sind in Chorweiler und Meschenich. Ein paar Tausend Menschen unterstützen wir täglich. Wir arbeiten am Anschlag, unsere Touren mit den zehn Fahrzeugen sind absolut ausgelastet. Mehr können wir nicht leisten.

Haben Sie selbst noch Kontakt zu den bedürftigen Menschen?

Nein, nur noch zu den Leitern der Ausgabestellen. Ich selbst organisiere, koordiniere, verwalte. Aber ich kenne die Menschen mit ihren Nöten und auch die harte Arbeit der Ehrenamtlichen noch aus der Zeit, als ich selbst beim Fahrdienst war. Und ich weiß, dass die Menschen, die sich die Lebensmittel abholen, keine Schmarotzer sind.

Welche Geschichten haben Sie besonders berührt?

Einmal fuhr ich mit dem Fahrrad zur Mülheimer Ausgabestelle, um etwas zu besprechen. Als ich zurück wollte, fand ich auf einmal meine Handschuhe nicht mehr. Es war sehr kalt und ich hätte fast geweint. Da hat mir ein Mann, der in der Schlange wartete, seine Handschuhe geschenkt. Einfach so. Er hat sie ausgezogen und mir gegeben. Das vergesse ich nie.

Haben Sie ein schlechtes Gewissen, wenn Sie an einem reich gedeckten Tisch essen?

Ich sage mir immer wieder, dass es sinnvoll ist, was ich tue. Ich selbst verschwende keine Lebensmittel und ich halte mich an das Prinzip, dass nichts übrig bleiben soll. So bin ich auch erzogen worden. Meine Eltern gehören der Kriegsgeneration an. Was mich derzeit aufregt, sind die unglaublichen Geschmacksvarianten, die industriell produziert werden, zum Beispiel bei Getränken oder Joghurt. Brauchen wir das?