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Mutiges Interview nach GeiselnahmeLika: „Ich sah, dass mein rechter Fuß brennt”

Lesezeit 4 Minuten
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Lika (r.) und ihre Mutter hoffen, dass das Mädchen noch diese Woche aus der Klinik entlassen wird. 

  1. Die 14-jährige Lika hat bei der Geiselnahme am Kölner Hauptbahn im Oktober schwerste Verbrennungen erlitten. Noch immer liegt sie im Krankenhaus.
  2. Erstmals spricht sie selbst im Interview von dem Tag, der ihr Leben für immer verändert hat.
  3. Sie verrät, was ihr derzeit große Freude bereitet – und was ihre größten Wünsche sind.

Köln – Es gibt viele gute Nachrichten im Moment für die 14-jährige Lika, die wohl beste ist: Ihre Brandwunden an den Beinen verheilen gut. Womöglich diese Woche kann die Schülerin das Kinderkrankenhaus in Niehl verlassen und zu ihrer Familie nach Hennef zurückkehren. „Das ist mein größter Wunsch“, sagt Lika im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Am Sonntag möchte sie zu Hause ihren Geburtstag mit der Familie feiern.

Seit sechs Wochen liegt die Schülerin auf der Station für schwerbrandverletzte Kinder. Beim Attentat im Mc Donald’s am Hauptbahnhof Mitte Oktober war sie im Benzin ausgerutscht, das der vermutlich psychisch kranke Täter auf den Boden geschüttet und angezündet hatte. Ihre Beine und Füße fingen sofort Feuer. Zweimal mussten die Ärzte Haut von ihrem Kopf auf die Beine verpflanzen. Denn zunächst war die Haut nicht richtig angewachsen. Die zweite Transplantation aber scheint erfolgreich gewesen zu sein. Drei, vier Meter könne sie immerhin schon gehen, bevor sie ins Wanken gerate und das Gleichgewicht verliere, erzählt das Mädchen.

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Lika möchte ihr Gesicht nicht zeigen. Wegen der Hauttransplantation an ihrem Kopf trägt sie eine Mütze. 

Vor dem ersten Interview ihres Lebens ist Lika sichtlich nervös. Sie lächelt schüchtern, als ihre Mutter Julia sie im Rollstuhl ins Spielezimmer des Kinderkrankenhauses schiebt. Lika hat dem Gespräch ausdrücklich zugestimmt, möchte sich aber nicht erkennbar fotografieren lassen. Es sei ihr unangenehm, sagt sie, wenn Menschen sie auf der Straße erkennen und ansprechen würden. Seit der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Radio Köln“ vor einer Woche einen Spendenaufruf für Lika und ihre Familie gestartet haben, ist die Hilfsbereitschaft ungebrochen hoch. Insgesamt 203.000 Euro seien bislang auf dem Spendenkonto eingegangen, berichtet der Anwalt, der die Familie unterstützt.

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Zahlreiche Freunde, Bekannte, auch fremde Menschen schreiben Lika Briefe, Mails, Whatsapp-Nachrichten. Das Mädchen liest sie alle. „Es ist krass“, sagt Lika, „das hätte ich nie gedacht. Vielen Dank.“ Ihre Mutter ergänzt: „Wir möchten uns bei jedem einzelnen bedanken.“ Am Tag nach dem Benefizkonzert des Jugendchors St. Stephan im Hauptbahnhof vorige Woche haben sich Mutter und Tochter gemeinsam das Video vom Auftritt im Internet angesehen. „Das war sehr, sehr schön“, sagt Lika. „Es ist voll schön zu sehen, dass sich so viele Menschen um einen kümmern, dass das so viele anspricht und berührt.“

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Die Verbrennungen an Likas Beinen sind schwer.

Die Bilder vom Tag des Attentats hat sie noch genau im Kopf. Wenn sie daran zurückdenke, sagt sie, fühle es sich aber so an, „als hätte ich das gesehen, nicht so, als hätte ich das selbst erlebt“. Der Täter im Mc Donald’s sei ihr schon vorher aufgefallen, weil er Flüssigkeit auf den Boden geschüttet und eine Pistole vor sich liegen gehabt hätte.

„Ich sagte noch zu meiner Freundin Jasmin: Lass uns gehen, ich habe Angst.“ Aber im nächsten Moment seien die Flammen hochgeschossen. Brennend lief sie auf den Breslauer Platz, erinnert sich Lika. „Ich sah, dass mein rechter Fuß brennt, meine Knöchel waren komplett schwarz. Aber ich dachte, das ist Schmutz.“ Schmerzen spürte sie nicht.

„Wir liefen und liefen, wollten nur nach Hause“, erzählt Lika. Einem Passanten sei es gelungen, sie aufzuhalten und ihr den brennenden rechten Schuh und die Socken auszuziehen.„Ganz viele Leute versuchten, uns zu beruhigen. Sie wollten, dass ich mich hinsetze.“ Da erst habe sie gemerkt, dass ihr Bein weh tue.

Ein älterer Herr habe sich um sie gekümmert, bis der Rettungswagen kam. Vor allem bei den beiden Männern möchte sich die 14-Jährige gerne persönlich bedanken. Aber auch die Polizei weiß nicht, wer die Helfer sind. Worauf sie sich am meisten freut, wenn sie nach Hause kommt? „Auf meinen Hund Tyson“, sagt Lika ohne nachzudenken, ein vier Jahre alter Chihuahua.

„Mein Vater und mein Bruder kümmern sich zurzeit um ihn.“ Vater Alexander arbeitet als Busfahrer im Schichtdienst. Weil Mutter Julia bei Lika im Krankenhaus schläft, ist Bruder Jastin (13) im Moment oft allein zu Hause. „Wie er das alles hinkriegt, das macht mich voll stolz“, sagt Lika.

Kein Geld für den Sommerurlaub

Vom Spendengeld will sie ihm als erstes ein neues Handy kaufen. Das alte ist vor einem Jahr kaputtgegangen. Sie selbst möchte sich einen Laptop zulegen. Und demnächst mit der Familie in die Türkei fliegen, „um mal komplett abzuschalten“. Der Sommerurlaub in diesem Jahr sei ausgefallen, weil das Geld gefehlt hätte, erzählt Mutter Julia.

Finanzielle Sorgen muss sich die Familie dank der enormen Spendenbereitschaft vorerst keine mehr machen. Wie gut die Wunden an den Beinen weiter verheilen werden, ist unklar. Aber der behandelnde Arzt, Dr. Nicos Marathovouniotis, ist zuversichtlich. Die Behandlung der Narben könne noch Jahre dauern. Aber das habe keine Auswirkungen auf die Bewegungsfähigkeit. Lika, sagt er, werde schon bald wieder normal laufen und springen können.