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Engländerin in Köln„Kölner und Briten können gut über sich selbst lachen“

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Jane Schmidt

Köln-Klettenberg – Schon der Name verrät einen Teil ihrer Lebensgeschichte. Jane Schmidt wurde vor 63 Jahren im Londoner Stadtteil Hillingdon geboren. Mit Mitte 30 verschlug es das Westend-Girl der Liebe wegen nach Köln. Sie heiratete, bekam hier zwei Töchter, fand Kölner Freunde. Trotzdem blieb die Verbundenheit mit ihrem Heimatland, wo ein großer Teil ihrer Familie lebt. Mit Sorge beobachtet Schmidt die aktuellen Entwicklungen, das Ergebnis der Europawahl und den bevorstehenden Brexit. Wir haben die Klettenbergerin nach ihrer Meinung dazu befragt.

Frau Schmidt, wie haben Sie die Entscheidung Ihrer Landsleute für den Brexit hier in Köln erlebt?

Das war ein totaler Schock für mich. Ich habe nicht geglaubt, dass so etwas passieren kann. England ist das Land, wo meine Wurzeln sind, aber ich fühle mich als Europäerin. Ich mag diese aktuellen nationalistischen Bestrebungen gar nicht.

Können Sie denn nachvollziehen, dass sich die Mehrheit der Briten für den Brexit entschieden hat?

Nein, ich war total überrascht. Allerdings war ich überhaupt nicht glücklich mit dem, was die Medien dort verbreiteten. Kurz vor der Wahl habe ich in England einen Bus gesehen, an dem war ein Werbebanner befestigt. Auf ihm stand, dass Großbritannien eine enorm hohe Summe jährlich nach Brüssel überweist, und dass es dieses Geld ohne Mitgliedschaft in der EU in das staatliche Gesundheitssystem stecken könnte. Das war eine Lüge. Aber die Menschen glauben solche Dinge. Wenn Politiker etwas sagen, können sie sich nicht vorstellen, dass es nicht stimmt.

Warum glauben Sie, haben so viele Menschen für den Brexit gestimmt?

Es gibt viele unterschiedliche Gründe. Viele Brexit-Befürworter lieben Europa. Sie sind aber nicht damit einverstanden, dass in Brüssel Dinge beschlossen werden, die in England umgesetzt werden müssen. Sie möchten, dass die von ihnen gewählten Politiker die Gesetze verabschieden. Die Fisch-Industrie wiederum hat sich vom Brexit versprochen, dass ihnen britische Fanggründe wieder mehr zur Verfügung stehen als anderen europäischen Fischern. Viele junge Leute sind nicht wählen gegangen, einfach weil sie nicht geglaubt, haben, dass die Befürworter des Brexits die Mehrheit haben. Manche haben aus Protest dafür gestimmt und waren sich sicher, dass er sowieso nicht kommt. Es stimmt nicht, dass die Briten für den Brexit gestimmt haben, weil sie Rassisten oder gegen Flüchtlinge sind. Diese Menschen gibt es auch, aber nicht mehr als in jedem anderen Land auch.

Aber die jungen Menschen und die Protestwähler waren jetzt gewarnt. Warum haben trotzdem so viele Menschen die Brexit-Partei gewählt?

Ich glaube, dass die Menschen einfach die gescheiterten Verhandlungen satt sind. Viele junge Menschen in England haben ebenfalls die Grünen und die Liberaldemokraten gewählt. Diese Parteien waren sehr viel erfolgreicher als beim vergangenen Mal, und daran kann man erkennen, wie gespalten die britische Gesellschaft ist. Wahrscheinlich haben auch viele jungen Menschen außerhalb Londons die Brexit-Partei gewählt. Es gibt ein Gefälle zwischen London und den anderen Teilen Englands. Viele Leute glauben auch nicht den Warnungen vor den Folgen des Brexits. Sie glauben das sei übertrieben.

Was wünschen Sie sich, wie es weiter geht?

Ich wünsche, dass wir in der EU bleiben. Es ist traurig, dass so ein Riss in der britischen Gesellschaft entstanden ist. Vielleicht ist der Schmerz aber auch eine notwendige Voraussetzung für einen Erneuerungsprozess, dafür dass andere Personen die Politik im Land bestimmen. Momentan sehe ich das aber noch nicht. Wenn es einen harten Brexit gibt, wird er auch hart für Europa. Sonst hätte Brüssel wohl längst gesagt, dass es jetzt reicht. Es ist wirklich ein Desaster. England hat sich in eine Ecke manövriert. Es steckt in einer Zwickmühle und es gibt keinen sauberen Weg hinaus. Viele Menschen in England sind verzweifelt, fast hysterisch. Typisch britisch ist, dass man in der Situation aber auch lacht, typisch sind die vielen Witze, die über den Brexit gemacht werden. Dieser Humor, der auch sehr düster sein kann, hilft den Menschen und ich mag diese positive Energie, den Optimismus.

Sie haben jetzt die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen.

Wegen des Brexits habe ich seit einem Monat auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Das war schwieriger, als ich gedacht habe. Man sagte mir, dass ich einen Einbürgerungs- und einen Sprachtest machen muss. Das war für mich eine Überraschung, weil ich hier schon so lange lebe und verheiratet bin. Ich habe für den Einbürgerungstest gelernt und ihn bestanden. Aber als ich mich zum Sprachtest anmelden wollte, war das sehr kompliziert. Ich habe ihn letztendlich doch nicht gebraucht. Aber manche Mitarbeiter beim Amt und der VHS waren nicht sehr hilfsbereit. Ich habe daraus gelernt, dass die Behördengänge nicht so einfach sind. Wenn Du komplett neu hier bist, keine Ahnung hast, vielleicht aus Syrien kommst, dann kann es wirklich sehr schwierig sein. Wenn dein Leben davon abhängt, dass du hierbleiben kannst und du Angst hast zurückzumüssen, dann muss es schrecklich sein.

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Welche Auswirkungen wird denn der Brexit auf Ihren Alltag haben?

Wir wissen es nicht. Ich habe einen Brief von meiner Bank in England bekommen. Sie schreiben wortwörtlich: „Die zukünftige Partnerschaft des Vereinigten Königreiches mit der Europäischen Union ändert sich. Wir werden Sie über Updates und alle Änderungen, die Sie direkt beeinträchtigen könnten, informieren.“ (Jane Schmidt lacht) Mit anderen Worten: Sie haben keine Ahnung, was passiert.

Wie lebt man denn als Britin in Deutschland? Was ist anders als in Ihrem Heimatland?

Es gibt definitiv Unterschiede, aber auch viele Gemeinsamkeiten. In Deutschland mögen die Leute Dinge, die in Ordnung sind und geregelt laufen. In England auch, aber dort ist es dann auch wieder ok, die Regeln zu brechen. Sie sind gewissermaßen dazu da, gebrochen zu werden. Es ist nicht so streng wie hier. In England ist es auch gut, anders zu sein. In Deutschland mögen die Menschen das nicht. Ich finde auch, dass die Engländer sofort offen und freundlich sind, während die Deutschen sich erst einmal ein bisschen zurückhalten. Aber das ist in Köln ein bisschen anders und deswegen liebe ich Köln besonders. Und die Kölner haben auch Humor. Sie können wie die Briten gut über sich selbst lachen.

Zur Person

Jane Schmidt wurde 1956 in Hillingdon in London geboren und studierte dort Erziehungswissenschaften, Englisch, Tanz und Theater. Später arbeitete sie als Lehrerin. Bei einem Urlaub verliebte sie sich in die griechische Insel Ydra und blieb drei Jahre – bis sie ihren Mann kennenlernte und mit ihm nach Köln zog. (SE)

Infos zur Einbürgerung

Eingebürgert werden können Menschen mit unbefristetem Aufenthaltsrecht, die seit mindestens acht Jahren in Deutschland leben, ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und nicht wegen einer Straftat verurteilt wurden. Voraussetzung sind entsprechende Deutschkenntnisse, das Bekenntnis zum Grundgesetz und ein Einbürgerungstest. Die alte Staatsbürgerschaft wird in der Regel aufgegeben. Für EU-Bürger gilt das aber nicht. Ein eingebürgerter Brite darf also, solange sein Heimatland noch in der EU ist, seinen britischen Pass behalten. In Köln leben laut Statistik der Stadt rund 2200 Briten. (ksta)